• 16.03.2010 16:17

  • von Roman Wittemeier

Bahrain: Die neue Entdeckung der Langsamkeit

Die Diskussionen um die aktuellen Regeln in der Formel 1 reißen nicht ab: Was sind die Ursachen für langweilige Rennen?

(Motorsport-Total.com) - Die Aerodynamik presst die Boliden mächtig auf den Boden, die Reifen garantieren über viele Runden Haftung, der Sprit reicht bis zum Ende, beim Boxenstopp laufen Automatismen ab - das ist die moderne Königsklasse. Kurz: Die Formel 1 ist eigentlich zu perfekt für große Action. "Keine Panik, wir haben keine Krise in der Formel 1", beschwichtigt Bernie Ecclestone nach einem langweiligen Auftaktrennen die Gemüter.

Titel-Bild zur News: Heikki Kovalainen

Wie ein Wurm schlängelt sich das Formel-1-Feld durch die Kurven

"Wir können kurzfristig nichts machen, sollten ohnehin Schnellschüsse vermeiden", sagt ausgerechnet der Formel-1-Vermarkter, der mit teils abstrusen Ideen (künstliche Bewässerung der Strecken, Abkürzungen) selbst immer wieder für mehr Show plädiert. Aus Sicht des Briten liegt der Schlüssel zu mehr Innovation und Action in der aktuellen Vorgehensweise bei der Formulierung der Regeln. "Die Teams und deren Techniker sollten an der Regelfindung nicht beteiligt sein", so Ecclestone.#w1#

Damit hat der 79-jährige Formel-1-Macher nicht ganz unrecht. Die technischen Arbeitsgruppen formulieren die komplizierten Regelwerke, also im Grunde basteln sich die Techniker ihr oft als zu eng kritisiertes technisches Korsett selbst. "Ich habe mich mit den Teams getroffen und ihnen klargemahct, worum es in unserem Business geht: Rennsport und Entertainment. Es geht nicht darum, wer am besten mit Computern umgehen kann, oder wer möglichst schnell eine Runde schafft", sagt Ecclestone.

Ecclestone unerschütterlich: Selbst bei einem Erdbeben...

"Es dürfen doch keine Insider am Regelwerk mitarbeiten", klagt der Brite und lässt somit zunächst einmal alle Vorschläge aus dem Formel-1-Zirkus an sich abprallen. "Ich gerate nie in Panik. Nicht einmal dann, wenn es in London ein Erdbeben geben würde. Das Rennen am Sonntag war kaum anders als viele Rennen der vergangenen fünf Jahre. Jetzt sollten wir mal abwarten und uns das Reglement genau anschauen. In Malaysia werden wir uns erneut unterhalten."

"Ich gerate nie in Panik. Nicht einmal dann, wenn es in London ein Erdbeben geben würde." Bernie Ecclestone

Unterstützt wird der Vermarkter von Ex-Weltmeister Jacques Villeneuve. "Die Regeln sind gut", meint der Kanadier. "Ein Rennen sagt doch noch gar nichts aus. Das Schlimmste wäre, wenn man jetzt voreilig irgendetwas ändert, ohne zu wissen, wohin die Reise eigentlich gehen soll." Vorschläge für Änderungen gibt es einige. Beispiele: Umrüstung auf Stahlbremsen, Verbot der Diffusoren, Veränderung der Reifenmischungen und die Einführung von zwei Pflichtboxenstopps.

Red-Bull-Teamchef Christian Horner favorisiert die letztere Variante. Mit Pflichtboxenstopps könne man zumindest neue Strategien heraufbeschwören und die Prozession zwischenzeitlich unterbrechen. Ohne Änderung drohe noch mehr Langeweile, weil sich fast alle Teams auf Ein-Stopp-Strategien festlegen würden. "Ich habe diese Bedenken auch, dass wir beim nächsten Rennen wieder ähnliche Strategien erleben werden: einen relativ frühen ersten Stopp und dann versuchen, bis zum Schluss durchzufahren", sagt Sauber-Technikchef Willy Rampf und unterstützt Horners Ansicht.

Ex-Formel-1-Pilot David Coulthard fordert eine neue Entwicklung von Reifenpartner Bridgestone. Man sollle eine neue Mischung bringen, die nur wenige Runden lang halte, so der Schotte. Die Japaner dürften sich bedanken, denn Bridgestone musste für das letzte Jahr als Exklusivausrüster ohnehin noch einmal viel Geld in die Hand nehmen. Der Reifenhersteller musste für 2010 neue Mischungen und Konstruktionen entwickeln, die Kosten waren sicherlich hoch.

De la Rosa: Wenn es nach den Piloten ginge...

"Es ist nicht schlechter geworden, sondern gleich geblieben. Das ist nun einmal die Formel 1", sagt Pedro de la Rosa, der nichts anderes erwartet hatte. "In der Formel 1 ist es sehr schwierig, jemanden zu überholen", erklärt der Sauber-Pilot. "Man hat zum Beispiel das Punktesystem geändert, weil sie glauben, dass dann mehr überholt wird, aber das scheitert ja nicht an der Risikobereitschaft der Fahrer. Daran, ob es jetzt den einen oder anderen Punkt mehr gibt oder weniger, hat in einer Rennsituation bestimmt noch nie ein Fahrer gedacht."

Heikki Kovalainen

Duell der neuen Teams: Timo Glock konnte Heikki Kovalainen überholen Zoom

An den Piloten scheitert es also offenbar nicht. Woran dann? "Ich war deutlich schneller, konnte aber einfach nicht vorbeifahren" - diesen Satz hört man immer wieder von den Vollgasartisten. In Bahrain haben nicht nur die leidgeplagten Jenson Button oder Mark Webber diesen Satz immer wieder aufgesagt. In der Formel 1 beherrschen die Langsamen die Schnellen. "Man kommt nur vorbei, wenn der andere einen Fehler macht", klagt auch Michael Schumacher.

Viele sehen die Ursache in den ausgeklügelten Diffusoren. Das aerodynamische Bauteil am Ende des Unterbodens sorgt für reichlich Anpressdruck am eigenen Fahrzeug und versaut dem Hintermann mit üblen Luftverwirbelungen die Balance. "Man kommt einfach nicht nahe genug an das vor einem fahrende Auto heran, um überholen zu können", hat auch Eccelstone erkannt. Für Williams-Urgestein Patrick Head liegt die Ursache auch im modernen Streckenbau. "Wenn man viel Strecke auf wenig Grund bauen muss, gibt es zwangsläufig ein Geschlängel ohne Geraden", erklärt der Brite.

"Mit den modernen Bremsen gibt es keinen Spielraum für Ausbremsmanöver mehr. Du kannst nicht einfach mal fünf Meter später in die Eisen gehen", mahnte Robert Kubica schon vor einem Jahr. Also sind auch die aktuellen Karbon-Bremssysteme ein Teil des aktuellen Übels. Die Ursachen sind insgesamt vielschichtig. Sicher ist nur, dass die Formel-1-Teams ein gehöriges Wort bei der Suche nach mehr Action mitsprechen werden.

Ein generelles Verbot der Diffusoren scheidet aus diesem Grund aus. Diese Bauteile sind Errungenschaften der modernen Formel-1-Technik und würden die Ingenieure der Königsklasse im Falle eines Verbots zumindest gefühlt in die Steinzeit zurückversetzen. Für die Bremsen gilt dies ebenso. Auch die Kosten darf man nicht außer Betracht lassen. Weder Brembo, noch Bridgestone, noch die Teams haben Lust auf Mehrausgaben durch Abrüstung. Was bleibt, sind Pflichtboxenstopps: keine Mehrkosten, aber tatsächlich mehr Action?