Alain Prost: Alpine wird jetzt ein Opfer der eigenen Arroganz
Der ehemalige Alpine-Aufsichtsrat Alain Prost zeigt kein Verständnis für die jüngsten Entlassungen und übt scharfe Kritik am Topmanagement der Automarke
(Motorsport-Total.com) - Der viermalige Weltmeister Alain Prost glaubt, dass Alpine in der Formel 1 über seine eigene Arroganz gestolpert ist, und übt scharfe Kritik am inzwischen geschassten Alpine-CEO Laurent Rossi. Und Prost ist einer, der das Team besser kennt als viele andere, war er doch von Juli 2019 bis Januar 2022 Mitglied von dessen Aufsichtsrat.
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Alain Prost rechnet mit Alpine und dem Topmanagement ab Zoom
Schon damals, als Prost das Team verließ, kritisierte er das von Rossi geleitete Management und unterstellte diesem erstens einen "Mangel an Respekt" und zweitens mangelndes Verständnis dafür, wie die Formel 1 funktioniert. Viele hatten den Eindruck, dass Prost auch deshalb ging, weil er und Rossi nicht miteinander konnten.
Das scheint sich jetzt zu bestätigen. In einem Gastbeitrag für 'L'Équipe' rechnet das Renault-Urgestein mit Rossi und der Führung von Alpine ab. Prost glaubt, dass Rossi und die Vorstände in Paris sich viel zu stark ins operative Management des Formel-1-Teams eingemischt und dabei alles nur noch schlimmer gemacht haben.
Er schreibt: "Wie oft habe ich in meinen Jahren bei Renault in den Fluren des Hauptquartiers in Boulogne-Billancourt gehört, dass die Formel 1 ein einfacher Sport sei, der von den Männern vor Ort von zu Hause aus gesteuert werden könne. Das war ein großer Fehler, wie der letzte der Vorstände, Laurent Rossi, bewiesen hat, den Luca de Meo vor einer Woche entlassen hat."
Luca de Meo ist der oberste Chef des Renault-Konzerns und war derjenige, an den Rossi als CEO von Alpine berichtet hat. Während Prost de Meo nicht direkt kritisiert, lässt er an Rossi kein gutes Haar. Der sei "das beste Beispiel für den Dunning-Kruger-Effekt, das heißt für einen unfähigen Manager, der glaubt, er könne seine Inkompetenz mit seiner Arroganz und seinem Mangel an Menschlichkeit gegenüber seinen Leuten überwinden."
Was ist der Dunning-Kruger-Effekt?
Der Dunning-Kruger-Effekt bezeichnet laut Wikipedia "die kognitive Verzerrung im Selbstverständnis inkompetenter Menschen, das eigene Wissen und Können zu überschätzen. Diese Neigung beruht auf der Unfähigkeit, sich selbst objektiv zu beurteilen."
Was Prost damit meint: Rossi sei zwar seiner Meinung nach selbst inkompetent für den Job gewesen, habe das aber kaschiert, indem er für mangelnde Ergebnisse andere verantwortlich machte. Zum Beispiel mit dem inzwischen legendären TV-Interview in Miami, bei dem er das Alpine-Team als "amateurhaft" bezeichnete und mit Formulierungen wie "alles schlecht" viele Mitarbeiter demoralisierte.
Prost erklärt: "Derjenige, der 18 Monate lang Chef von Alpine war, dachte, er hätte von Anfang an alles verstanden. Doch er könnte nicht weiter von der Wahrheit entfernt sein. Sein Management hat den Schwung gestoppt, den das Team seit 2016 mit diesen Podiumsplätzen und diesem Sieg hatte."
Prost betont, er "liebe dieses Team, und ich bin traurig und betrübt, es in seinem derzeitigen Zustand zu sehen. Es hat Besseres verdient und hat alles, was es zum Erfolg braucht." Und er rät Alpine dazu, anstatt reihenweise Personal zu entlassen, sich lieber an den Erfolgsgeschichten anderer Teams zu orientieren. Und die sind selten mit unkoordiniert wirkenden Personalrochaden an die Spitze gekommen.
"Wenn man sich die großen Erfolgsgeschichten der letzten 30 Jahre anschaut, sieht man eine einfache Struktur - im Gegensatz zu einem industriellen Organigramm -, die um drei oder vier starke Persönlichkeiten herum aufgebaut ist, gepaart mit einem erfolgreichen Fahrer."
"Ferrari arbeitete mit Jean Todt und stützte sich auf Ross Brawn und Michael Schumacher. Mercedes war mit Toto Wolff erfolgreich, unterstützt von Niki Lauda und James Allison, angeführt von Lewis Hamilton. Red Bull, auch wenn es nicht mit einem großen Hersteller verbunden ist, macht das Gleiche."
Prost: Jedes Team braucht Rückhalt von oben
Entscheidend auch: "In allen drei Fällen gab es einen starken Vorsitzenden, der voll in die Formel 1 eingebunden war, um dieses Engagement zu unterstützen: Luca di Montezemolo, Dieter Zetsche und Dietrich Mateschitz", unterstreicht Prost. Rückendeckung von oben, die Otmar Szafnauer als Teamchef nie hatte.
Dass bei Alpine die Entscheidungen von irgendwelchen Vorständen getroffen werden, die die Formel 1 nicht verstehen, ist laut Prost einer der Gründe, warum das Team seit Jahren den eigenen Zielen hinterherfährt. Was es brauche, sei ein Vorstandsvorsitzender, der hinter dem Formel-1-Projekt steht, die Manager des Teams aber in Ruhe arbeiten lässt.
Ein Grund, glaub er, warum sich Red Bull im vergangenen Jahr dagegen entschieden hat, 50 Prozent des Teams an Porsche zu verkaufen: "Die Entscheidung von Red Bull, keine Partnerschaft mit Porsche einzugehen, rührt von der Weigerung her, sich allzu schwerfälligen Entscheidungen des Vorstands zu beugen, die von Leuten getroffen werden, die die Formel 1 nicht kennen."
Auch wenn er nach der Entlassung von Teamchef Otmar Szafnauer, Technikchef Pat Fry und Sportchef Alan Permane nicht daran zu glauben scheint: "Hoffen wir, dass die Entscheidung, die am Freitag getroffen wurde und bei der andere Leute ersetzt wurden, ein heilsamer Schock für das Team sein wird", schreibt Prost.
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