• 09.02.2002 16:31

  • von Fabian Hust

Adrian Newey im ausführlichen Interview

McLaren-Designer Adrian Newey spricht über das neue Auto, den neuen Mercedes-Motor und die neue Fahrerpaarung des Teams

(Motorsport-Total.com/Haymarket) - Bei den bisherigen Testfahrten hinterließ der unter der Leitung von Adrian Newey entworfene McLaren-Mercedes MP4-17 einen guten Eindruck. Und obwohl auch die Fahrer sich über den neuen Silberpfeil positiv äußerten und bereits der eine oder andere Rundenrekord eingestellt wurde, handeln die meisten Experten Ferrari immer noch als Favoriten auf den diesjährigen Weltmeistertitel. Einer der damit kein Problem hat, dem dieser Umstand sogar recht ist, ist McLaren-Designer Adrian Newey.

Titel-Bild zur News: Adrian Newey

Newey gibt zu, dass er Rennautos immer noch nicht 100-prozentig versteht

Frage: "Du hat beim diesjährigen Auto ganz offensichtlich keinen Stein auf dem anderen gelassen. Gehst du in Sachen Zuverlässigkeit an die Grenze?"
Adrian Newey: "Dieses Jahr sehen wir als ein Jahr an, in dem wir nicht als Favoriten in den WM-Kampf gehen und darüber bin ich auch glücklich. Wir wollten in alles ein wenig frischen Wind bringen ? aus diesem Grund haben wir neue Fahrer, neue Reifen, demnächst eine neue Fabrik, einen neuen Motor und schauen jetzt, wie sich das alles auszahlt. Wir gehen natürlich auf die Strecke, um zu versuchen, Rennen zu gewinnen."

Frage: "Es gab ja bekanntlich keine größeren Veränderungen am Reglement. Hast du es genossen, dass du dich völlig auf die Leistung des Autos konzentrieren konntest?"
Newey: "Grundsätzlich mag ich Reglementänderungen eigentlich sehr. Aber auf der anderen Seite ist es erst ein Jahr her, dass für 2001 das Reglement doch sehr deutlich verändert wurde. Aus diesem Grund konnten wir immer noch kleinere Bereiche ausmachen, um die wir uns aus Zeitgründen oder einfach auf Grund der Tatsache, dass wir sie beim 2001er-Auto übersehen hatten, nicht kümmern konnten. Ein oder zwei kann man am neuen Auto entdecken."

"Es war schön, eine ordentliche Pause zu haben"

Frage: "Erforderte das Testverbot in diesem Jahr eine andere Herangehensweise?"
Newey: "Ich muss zugeben, dass ich dachte, dass es der falsche Weg ist, im Dezember ein Testverbot auszurufen. Aber nun muss ich rückblickend sagen, dass ich meine Meinung geändert habe. Ich denke, dass es für die Fahrer, die Ingenieure und die Mechaniker wirklich schön war, eine ordentliche Pause zu haben. Alles in allem verursachte dass eine Veränderung in unserer Planung aber es war dennoch gar nicht mal übel."

"Interimsauto war überflüssig"

Frage: "Hat dir das die Möglichkeit gegeben, mehr bestehende Daten zu nutzen anstatt von neuem Datenmaterial von der Strecke abgelenkt zu werden?"
Newey: "Wir haben in den letzten paar Jahren dazu tendiert, im Dezember ein Interimsauto einzusetzen. Wenn es einen neuen Motor gab, dann setzten wir ihn in diesem Auto ein, vielleicht im Zusammenhang mit dem neuen Getriebe. In diesem Jahr wäre der neue Motor sowieso nicht rechtzeitig einsatzbereit gewesen, wir hätten es also sowieso nicht machen können. Es wäre natürlich schön gewesen, die Michelin-Reifen auszuprobieren, doch unser laufender Vertrag mit Bridgestone erlaubte uns das nicht, also machte es auch hier keinen Unterschied aus. In diesem Jahr gab es für uns also diesbezüglich nicht all zu viele Nachteile."

Reifen muss man auf der Strecke testen

Frage: "Hast du von Michelin Informationen bekommen, die zu möglichen Veränderungen beim Design der Aufhängungen oder der Aerodynamik geführt haben?"
Newey: "Ja, das haben wir. Ich muss aber sagen, dass wir erst ziemlich spät im Designprozess die Daten von Michelin erhalten haben. Aber wir konnten auf Grund dieser Daten ein paar Dinge anpassen. Während Michelin sehr eindrucksvoll war, was die zur Verfügung gestellten Daten anbelangt, sind sie die ersten, die zugeben, dass die Reifen das schwierigste Gebiet sind, was die Vergleichbarkeit zwischen den simulierten Daten und den Ergebnissen der Reifen auf der Strecke angeht. Die Daten halfen uns und wir konnten mit ihnen Simulationen durchführen, aber besonders im Falle der Reifen gibt es keinen Ersatz für Testfahrten."

Frage: "Wird es mit Williams eine Art Kooperation geben was die Entwicklung der Reifen angeht?"
Newey: "Schwierig zu sagen. Wenn ein Reifenhersteller zwei Teams hat, auf die er sich am meisten verlässt, so ist das hoffentlich vorteilhaft. Wenn Williams einen Reifentyp möchte und wir einen anderen Typ, dann kann das ein Problem ergeben. Das stellt natürlich ein Problem dar. Wenn ich Michelin wäre, so würde ich bis zu einem bestimmten Grad jenes Team bevorzugen, das in Sachen Leistung und Punkte dominanter ist."

"Unsichere Zukunft mit Bridgestone"

Frage: "War das im letzten Jahr im Fall von Ferrari und Bridgestone ein Thema?"
Newey: "Nein, das glaube ich nicht. Ich denke, dass wir generell eine gute Beziehung zu Bridgestone hatten, aber wir hatten das Gefühl, dass wir in Sachen Standing bei ihnen auf eine unsichere Zukunft zusteuern."

Frage: "Hat die Entwicklung des Autos komplett im Paragon-Windkanal stattgefunden?"
Newey: "Ja. Dies ist das erste Produkt aus dem Paragon-Windkanal. In gewisser Weise ist ein Windkanal nur ein Werkzeug, aber ich bin mit ihm sehr zufrieden. Wir konnten dort Dinge tun, die wir im alten Windkanal nicht tun konnten und neue Gebiete entdecken, die wir uns schon immer anschauen wollten. Wir haben einige Jahre auf ihn gewartet, aus diesem Grund ist es aufregend, ihn endlich nutzen zu können. Der alte Windkanal war nur für die altbekannten Aufgaben geeignet. Mit dem neuen Windkanal können wir uns andere Gebiete anschauen."

"Der Windkanal war nicht mehr modern genug"

Frage: "War der alte Windkanal in Teddington ein wenig frustrierend?"
Newey: "Frustrierend wäre das falsche Wort. Als ich bei McLaren unterschrieb, da wusste ich, dass es eine Weile dauern würde, bis der neue Windkanal gebaut ist, es war also etwas, auf das ich vorbereitet war. Ich denke, dass man sagen kann, dass der BMT ein sehr guter Windkanal ist, aber er ist nicht mehr auf dem letzten Stand der Technik. Was seine Größe und seine Anlagen angeht, so ist er ins Hintertreffen geraten. Schon 1996 ist er wohl hinter dem Williams-Windkanal zurückgefallen und ich bin mir sicher, dass sich jener von Williams seitdem entwickelt hat. Ferrari hat eine sehr gute Anlage und andere Teams bauen ebenfalls sehr gute Anlagen."

Frage: "Das Paragon schien sehr schnell aufgebaut und Betrieb genommen worden zu sein. Bist du damit zufrieden?"
Newey: "Die Inbetriebnahme hat respektabel lange gedauert. Es hätte länger dauern können, es hätte aber genauso kürzer dauern können. Wir sind sehr zufrieden, wie lange es gedauert hat. Wir hatten für eine Weile ein 2000er-Auto im Windkanal stehen, nur um zu checken, dass wir mit dem Windkanal zufrieden sind und um ihn zu kalibrieren, bevor wir unser 2001er-Modell reinstellen. Sehr schnell danach haben wir mit der Weitentwicklung des neuen Models begonnen."

"Bei jeder Neuerung ist Risiko im Spiel"

Frage: "Gehst du mit dem neuen Aerodynamik-Paket um die Vorderradaufhängung herum ein Risiko ein?"
Newey: "Ich nehme an, dass bei jeder Neuigkeit eine Portion Risiko mit im Spiel ist. Klar haben wir Simulationen mit dem System durchgeführt und von daher sind wir überzeugt, dass es ein Schritt nach vorne ist. Ich bin der erste, der zugibt, dass Rennautos heute immer noch nicht völlig verstanden werden. Jahr für Jahr hoffe ich, dass man die lästigen Überraschungen oder Teile, die wir nicht verstehen, aus der Welt schaffen, aber es gibt immer noch Gebiete bei den Simulationen, die nicht 100-prozentig mit der tatsächlichen Leistung des Autos übereinstimmen, was fast eine Definition für die Natur solcher Simulationen ist."

"Der neue Motor ist schwerer als der alte"

Frage: "Hat Motorenbauer Ilmor mit dem neuen Motor den bisher größten Schritt seit einer Weile gemacht?"
Newey: "Der 2001er-Motor war der gleiche wie im Jahr 2000. Aus diesem Grund ist es der erste neue Motor, den sie seit ein paar Jahren hergestellt haben und es ist der erste Motor, bei dem der Zylinderkopfwinkel verändert wurde. In diesem Zusammenhang ist er anders. Der Motor ist nicht leichter ? er ist sogar etwas schwerer als der letztjährige Motor. Aber alles in allem ist der neue Motor meiner Meinung nach nicht übel."

Frage: "Ihr habt in diesem Jahr einen neuen Fahrer. Freust du dich auf die Beziehung zu einem solch jungen Fahrer?"
Newey: "Ich bin natürlich ein wenig traurig, dass Mika ein Jahr Auszeit nimmt. Aber der Wechsel ist für das Team gut. Kimi sieht schon sehr gut aus, das Feedback, das er den Ingenieuren gegeben hat, war sehr gut. Er wird David antreiben, auch wenn ich nicht glaube, dass David noch jemanden braucht, der das tut, da er sich selbst sehr gut motivieren kann. Hoffentlich werden wir ein gutes Paket haben."

"McLaren bevorzugt niemanden"

Frage: "Während der letzten Jahre wurde allgemein gesagt, dass das Auto zunächst den einen und dann den anderen Fahrer ein wenig mehr bevorzugt hat. Hat David nun die Möglichkeit, die Entwicklung in seine Richtung voranzutreiben?"
Newey: "Das Team zieht bestimmt nicht einen Fahrer mehr vor. Wie das Auto abgestimmt wird, ist Sache des Fahrers und der jeweiligen Ingenieure. Sind es vielleicht die fundamentalen Eigenschaften eines Autos, die der eine mehr als der andere Fahrer mag? Ich glaube wirklich nicht. Ich denke, dass David ein Fahrer ist, der mit Untersteuern zurechtkommt aber schneller ist in einem Auto, das nicht untersteuert. Mika kam etwas besser mit Übersteuern zurecht, ohne Zeit zu verlieren. So gesehen kann man sagen, dass dies die beiden Fahrer unterscheidet. Aber das war in der Vergangenheit schon oft so, wenn man mal einen Blick in die Geschichtsbücher wirft. Prost und Senna ist das klassische Beispiel, aber zu ihrer Zeit bei McLaren waren sie praktisch gleich erfolgreich."