Absage an Andretti: Hat die Formel 1 ein Eigentor geschossen?
Die Formel 1 hat die Bewerbung Andrettis für einen Einstieg abgelehnt: Die Begründungen sind dabei aber nicht immer wirklich verständlich
(Motorsport-Total.com) - Hat die Formel 1 mit der Absage an Andretti ein Eigentor geschossen? Die Meisterschaft hatte in der vergangenen Woche einen möglichen Einstieg des amerikanischen Rennstalls kategorisch abgelehnt, obwohl diese bereits das Grüne Licht der FIA bekommen hatten.
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Nicht nur Michael Andretti versteht einige Gründe der Formel 1 nicht Zoom
Zwar war die Absage angesichts der Haltung der Formel 1 und ihrer zehn Teams erwartbar, trotzdem kam die Nachricht bei vielen Fans - vor allem in den USA - nicht besonders gut an. Die Formel 1 hatte das Glück, dass die Nachricht von Lewis Hamiltons Wechsel zu Ferrari das Thema überschattete, trotzdem scheint die Angelegenheit noch nicht gegessen zu sein.
Andretti hatte die Ansicht der Formel 1 bereits kurz darauf auf Schärfste zurückgewiesen und betont, dass man weiterhin Gas geben werde. Zwar ging man nur auf zwei Punkte ein, mit der die Formel 1 die Ablehnung begründete, doch auch einige andere Argumente wirken auf die Außenwelt ziemlich seltsam.
Ein kurioser Punkt, den Andretti auch aufgegriffen hatte, war, dass die Amerikaner ein Angebot zu einem persönlichen Treffen nicht angenommen hätten. Es heißt, die Mail, die von einem Mitarbeiter und nicht von Formel-1-Boss Stefano Domenicali selbst kam, sei im Spam-Ordner gelandet.
Das mag seltsam klingen, kann aber im Grunde jedem von uns passieren. Und wenn der Absender nicht noch einmal nachfragt (auch vielleicht auf telefonischem Weg), wie soll man dann von dieser wichtigen Nachricht erfahren?
Das heißt auch, dass die Ablehnung von Seiten der Formel 1 erfolgte, ohne dass man je von Angesicht zu Angesicht gesprochen oder eine Präsentation von Andretti erhalten hatte. Man vertraute nur auf die Informationen der FIA und einige Zusatzfragen, die von Andretti im Oktober eingereicht wurden.
Viel Formel-1-Know-how in der Fabrik
Man hat auch nicht das temporäre Designbüro in Silverstone besucht, wo Formel-1-Technikchef Pat Symonds unter den 70 Mitarbeitern auch viele Leute gesehen hatte, mit denen er bei Renault und Manor bereits zusammengearbeitet hatte und die er teilweise auch selbst angestellt hatte.
Der Technikchef, der Chefdesigner und der Aerodynamik-Leiter sind alles frühere Kollegen von Symonds. Und diese dürften sehr wohl wissen, welche Herausforderungen in der Formel 1 warten - auch ein Punkt, den die Meisterschaft ihrem Bewerber abgesprochen hatte.
Denn diese hatte bemängelt, dass Andretti ein Auto für 2025 und 2026 bauen möchte - und somit für zwei komplett unterschiedliche Reglements. "Die Tatsache, dass der Bewerber dies vorschlägt, gibt uns Anlass, sein Verständnis für den Umfang der damit verbundenen Herausforderung in Frage zu stellen", hieß es dazu.
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Wie bereits gesagt: Die meisten Mitarbeiter des Andretti-Projekts verfügen über solide Erfahrungen in der Formel 1, die sie bei Teams in allen Bereichen des Fahrerlagers gesammelt haben, und sind sich der Herausforderung bewusst.
Die Formel 1 ist nicht überzeugt davon, dass Andretti die Mittel besitzt, um ein konkurrenzfähiges Team auf die Beine zu stellen. Allerdings hatte die FIA die technischen Punkte bereits beleuchtet und für gut befunden. Warum stellte die Formel 1 das also noch einmal infrage?
Zudem ist das Problem hausgemacht: Andretti wäre gerne mit einem guten Vorlauf 2025 gestartet, allerdings dauerte es zwischen dem ersten angemeldeten Interesse und der Eröffnung der Ausschreibung ein ganzes Jahr. Die FIA ließ sich dann ein halbes Jahr Zeit, bis Andretti endlich die Zustimmung bekam.
Und weil die Formel 1 noch einmal weitere vier Monate für ihre Entscheidung brauchte, war schon viel Zeit ins Land gegangen.
Andretti arbeitete trotzdem bereits intensiv am Projekt, um sich für einen möglichen Start 2025 zu rüsten, sollte das die einzige Möglichkeit sein - intern lag der Fokus aber bereits auf 2026, wie aus der Antwort des Teams an die Formel 1 hervorgeht.
Darin hieß es, dass man "seit vielen Monaten von 2026 als Startjahr ausgeht. Die Tatsache, dass 2025 immer noch Teil der Bewerbung ist, ist eine Folge der langen Dauer dieses Prozesses."
Die Krux mit der Power-Unit
Doch es gibt weitere Argumente der Formel 1, die einen seltsamen Beigeschmack hinterlassen. Da wäre zum Beispiel der Punkt, dass ein Hersteller möglicherweise gezwungen sei, Andretti mit einer Power-Unit zu versorgen, bis diese 2028 mit dem geplanten Einstieg von General Motors einen eigenen Antrieb hätten.
Die Formel 1 selbst sprach davon, dass das "schädlich für das Prestige und Ansehen der Meisterschaft" wäre.
Das ist schon etwas seltsam, schließlich hat die Formel 1 diesen Punkt vor einigen Jahren selbst ins Reglement geschrieben: Sollte ein Team keine Vereinbarung mit einem Hersteller über eine Motorenlieferung erzielen, muss der Hersteller mit den wenigsten Kundenteams einspringen. Das wäre 2025 Renault.
Allerdings besaß Andretti bereits eine Vereinbarung mit dem französischen Hersteller, die nur ausgelaufen ist, weil sich der Einstieg des Teams wie ein Kaugummi hinzog. Die Intention war, dass diese Verbindung wieder aufgenommen wird, sobald Andretti seinen Platz sicher hat. "Nichts hat sich verändert", bestätigte auch das Alpine-Team jüngst.
Zwar gab es zuletzt einige Veränderungen im Management von Alpine, aber ein Engagement bei Andretti scheint jetzt sogar noch attraktiver, da das Formel-1-Team der Franzosen hochkarätige US-Investoren dazugeholt hat - eine Verbindung mit einem so berühmten US-Namen kann da nicht schaden.
Red Bull in gleicher Situation wie Andretti
Doch die Formel 1 hatte bezüglich der Power-Unit-Versorgung noch ein weiteres ungewöhnliches Argument: Der Motorenausrüster würde "unweigerlich zurückhaltend sein, seine Zusammenarbeit mit dem Bewerber über das erforderliche Minimum hinaus auszudehnen" - aus Angst, geistiges Eigentum und Know-how an General Motors verlieren zu können.
Abgesehen von der Tatsache, dass die Vereinbarung, wie bereits erwähnt, von Renault freiwillig getroffen wird, ist das Szenario, dass ein Team das Aggregat eines Herstellers verwendet und gleichzeitig sein eigenes für die künftige Verwendung entwickelt, durchaus üblich.
In der Tat sind derzeit drei identische Beispiele vorhanden, bei Red Bull und RB (Honda zu Ford) und Sauber (Ferrari zu Audi). Man könnte auch Aston Martin hinzufügen, die bereits technische Gespräche mit Honda über ihre Zusammenarbeit für 2026 führen, während sie noch Motoren von Mercedes einsetzen.
Außerdem muss ein Hersteller, wie aus den Regeln hervorgeht, den Kunden die gleiche Ausrüstung liefern, und die Weitergabe von nur den nötigsten Daten ist die übliche Praxis, wenn ein Wechsel des Lieferanten bevorsteht. In der Regel gibt es sorgfältig errichtete Mauern, um sicherzustellen, dass es keinen Transfer von geistigem Eigentum gibt.
Für Brad Pitt und Champagnerfans ist Platz ...
Schauen wir auf den nächsten Punkt: "Die Hinzufügung eines elften Teams würde eine operative Belastung für die Rennveranstalter darstellen, einige von ihnen mit erheblichen Kosten belasten und die technischen, betrieblichen und kommerziellen Freiräume der anderen Wettbewerber verringern."
Wenn dies im Januar 2024 der Fall ist, dann war die Situation im März 2023 sicherlich die gleiche, als die FIA das Bewerbungsverfahren eröffnete und Andretti ermutigte, zig Millionen Dollar zu investieren, weil der Platz für ein elftes Team vorhanden war.
Andere gescheiterte Bieter, insbesondere Rodin Carlin und Hitech, haben ebenfalls in gutem Glauben Geld im Voraus ausgegeben.
Die Formel 1 mag behaupten, dass es ursprünglich das Bewerbungsverfahren der FIA war und nicht ihr eigenes, aber hey, - wenn es wirklich physisch unmöglich ist, elf Teams an allen 24 Austragungsorten unterzubringen, hätte man sich dann nicht zusammensetzen und das Problem lösen können, bevor potenzielle Bewerber ihr Geld verschwenden?
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Für das Auto von Brad Pitt ist genug Platz in der Garage ... Zoom
Wobei das Argument ohnehin recht billig ist: 2023 hatten viele Rennstrecken eine Doppelgarage für den Film mit Brad Pitt bereitgestellt, während es an vielen Strecken exklusive Hospitality-Garagen gibt, in denen reiche Kunden Champagner schlürfen, während die Autos vorbeifahren.
Das ist ein lukratives Geschäft, und sollte Andretti diesen Platz übernehmen, wird die Formel 1 vermutlich auf diese zusätzlichen Einnahmen verzichten müssen.
Ja, natürlich gibt es auch engere und kürzere Boxengassen wie in Zandvoort. Aber auch dort wird gerade modernisiert, und Streckenchef Jan Lammers versicherte uns vor einiger Zeit, dass man "bereit für Andretti" sei.
Und überhaupt: Im Concorde-Agreement ist festgelegt, dass es ein elftes und sogar zwölftes Team geben kann. Wie könnte man dann Strecken aufnehmen, die nicht genügend Platz für eine zukünftige Ausweitung des Feldes haben? Und wie konnte die FIA sie dann überhaupt homologieren?
Und wäre das bei einem zukünftigen Einsteiger nicht immer ein Argument, mit dem man ihn ablehnen könnte? Denn man hält Andretti die Tür noch auf, sollte man 2028 mit einem vollen Werksauftritt von Cadillac einsteigen wollen. Doch hätte sich die Situation der Strecken dann geändert?
Warum soll Andretti gleich um Podestplätze fahren?
Würde Andretti schon 2025 in die Formel 1 kommen dürfen, dann könnte man drei Jahre Aufbauarbeit mit einem Renault-Motor leisten und dann konkurrenzfähiger als mit einem kompletten Neueinstieg sein - etwas, das die Formel 1 anscheinend von den Amerikanern erwartet.
Genau so bereitet sich Audi derzeit mit Sauber auf seinen Einstieg vor. Doch mit der Antwort könnte die Formel 1 General Motors verprellt haben, so wie man sie vor den Kopf gestoßen hat. Der Hersteller hat sich voll an Andretti gebunden, und die Bosse dürften ziemlich sauer auf die Formel 1 sein.
Angesichts der Anstrengungen, die Domenicali und seine Kollegen unternommen haben, um Audi und (weniger erfolgreich) Porsche für sich zu gewinnen, scheint es eine seltsame Art und Weise zu sein, einen solchen Big Player zu behandeln.
Dass die Formel 1 behauptet, ein Andretti-Cadillac-Team würde keinen kommerziellen Beitrag für den Sport leisten, müssen wir hingegen erst einmal so hinnehmen. Sie sagt, sie habe Untersuchungen dazu angestellt, und solange diese nicht öffentlich sind, kann das Gegenteil nicht bewiesen werden.
Allerdings darf man infrage stellen, warum die Formel 1 so sehr auf eine anfängliche Konkurrenzfähigkeit von Andretti beharrt und sogar vom Kampf um Podestplätze spricht. Das kann man von einem Neueinsteiger nicht erwarten, zumal das auch die Hälfte der alteingesessenen Teams nicht einmal schafft - und das teilweise seit vielen Jahren.
Bei elf Teams kann nun einmal nicht jeder um Podestplätze fahren. Es besteht sogar die Möglichkeit, dass Audi 2026 das am wenigsten wettbewerbsfähige Team sein wird - und das bei einem Vorsprung von 33 Jahren von Sauber. Wenn der erste Ford-Motor unterdurchschnittlich ist, könnten auch die Teams Red Bull und RB am Ende der Rangliste stehen.
Andretti 2028 mit voller Entwicklungspower dabei?
Die Zukunft bleibt ungewiss, nicht zuletzt, weil 2026 ein neues Concorde-Agreement in Kraft treten wird. Sollte sich der Prozess bis dahin hinziehen, wissen wir nicht, welche Bestimmungen es für neue Teams geben wird, geschweige denn, wie hoch die künftige Antrittsgebühr sein wird, obwohl man davon ausgehen kann, dass die Messlatte nicht mehr nur bei 200 Millionen Dollar liegen wird.
Wird ein künftiger Beitritt, der vor 2026 vereinbart wird, im Rahmen des derzeitigen Concorde-Agreements akzeptiert werden? Das ist nicht klar.
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Es gibt einen interessanten Aspekt für einen Beitritt Andrettis im Jahr 2028. Während neue Motorenhersteller bis zu drei Jahre vor ihrem Einstieg - im Fall von Cadillac also ab 1. Januar 2025 - unter das Finanzielle Reglement der FIA fallen, ist Andretti auf der Chassis-Seite für einige Jahre von allen finanziellen oder Aero-Test-Beschränkungen befreit und kann für Forschung und Entwicklung ausgeben, was immer es will.
Die Botschaft für die aktuellen Teams, die vielleicht auf ein Missgeschick Andrettis hoffen, ist einfach: Seid vorsichtig, was ihr euch wünscht ...
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