Fahrer begrüßen geschlossen die "Anti-Verstappen-Regel"

Lewis Hamilton, Kimi Räikkönen, Sebastian Vettel und Co. begrüßen die neue "Anti-Verstappen-Regel" der FIA - Bewegung beim Bremsen "das Schlimmste" überhaupt

(Motorsport-Total.com) - Max Verstappens Fahrverhalten ist auch am Rennwochenende in Austin großes Thema im Fahrerlager. Am Freitag diskutierten alle Piloten beim Fahrerbriefing über die teils aggressiven Manöver des 19-Jährigen. Zuletzt sorgte er in Japan beim Kampf um den zweiten Platz gegen Lewis Hamilton wieder für Aufregung, abermals bewegte er sich in der Bremsphase, als der Hinterherfahrende einen Angriff fahren wollte. Hamilton musste in den Notausgang. Schon gegen Kimi Räikkönen lieferte sich der Red-Bull-Überflieger harte Duelle in Ungarn und Spa.

Titel-Bild zur News: Max Verstappen

Alle gegen Max: Fahrer begrüßen "Anti-Verstappen-Regel" in Austin Zoom

Auf die Beschwerden der arrivierten Piloten folgte am Samstag in einer Notiz an die Teams ein klares Statement der Rennleitung. Charlie Whiting ließ die Fahrer wissen, dass bei jeder Richtungsänderung beim Bremsen, die zu einer potenziellen Gefährdung eines anderen Fahrers führen könnte, die Rennkommissare benachrichtigt werden. Der FIA-Rennleiter bezieht sich dabei auf die Artikel 27.5 und 27.8 des Sportlichen Reglements.

Der Red-Bull-Pilot selbst nahm die "Anti-Verstappen-Regel" gelassen hin. "Es ist einfach eine neue Art zu fahren. Jeder muss sich daran gewöhnen. Jetzt haben sie aber eine Regel eingeführt. Wir werden damit zurechtkommen", erklärt er nach dem Qualifying. Auch die anderen Piloten im Fahrerfeld haben eine klare Meinung zu der FIA-Entscheidung. Es herrscht ungewohnte Einigkeit. Fernando Alonso, der im Meeting am Freitag das Schlusswort in der Causa ergriffen haben soll, erklärt, dass die Regel, die unter den Fahrern als ungeschriebenes Gesetz gegolten hat, immer schon klar war.

Ungeschriebenes Gesetz von jungen Piloten nicht respektiert?

"Es war schon zuvor klar und es ist auch jetzt klar. Wenn man im Fußball den Ball mit der Hand annimmt, bekommt man dafür eine Strafe. Manchmal gibt dir der Schiedsrichter dafür eine Strafe, manchmal nicht. Dieser Fall war schon vorher klar. Manchmal bekommst du von den Stewards eine Strafe, manchmal nicht", macht der Spanier von einem Vergleich Gebrauch. Damit kritisiert er indirekt jedoch auch die instabile Regelauslegung der Kommissare.

Auch Sebastian Vettel und Lewis Hamilton ergänzen, dass es einen Konsens zwischen allen Fahrern gab: Ein Manöver in der Bremsphase ist ein No-Go. Durch die jungen Nachwuchsfahrer, wie etwa Verstappen oder Carlos Sainz, würde dieser Konsens nun nicht mehr bestehen. "Als ich in die Formel 1 gekommen bin, gab es ein ungeschriebenes Gesetz. In letzter Zeit gab es Situationen, wo Leute ungestraft davongekommen sind", so Vettel. Dadurch würde eine falsche Botschaft an die Piloten gesendet werden. "Irgendwann macht es dann jeder. Das wäre aber falsch."


Großer Preis der USA

Man warte nur noch darauf, bis einmal ein Unfall aus solch einer Situation entsteht, merkt der Deutsche an. Auch Hamilton erkennt eine Veränderung im Fahrerfeld. "In den zehn Jahren, in denen ich schon in der Formel 1 fahre, haben bisher alle Fahrer diese Regel verstanden. Und nur Rookies beachten dieses Übereinkommen, das wir viele Jahre lang respektiert haben, nicht", pflichtet er Vettel bei. "Es geht um den Respekt, den wir uns gegenseitig entgegenbringen."

Hamilton: Regeln müssen "streng und klar" sein

Hamilton, der das jüngste "Opfer" von Verstappens Fahrweise in Japan wurde, freut sich über die Entscheidung der FIA: "Ich finde es toll, dass Charlie die Meinung der Mehrheit der Piloten verstanden hat. Die Regeln müssen sehr streng und klar sein, ansonsten würde es jeder machen." Außerdem zieht der Brite einen Vergleich zur IndyCar: "Wenn man sich das ansieht, da fliegt ein Auto schon beim kleinsten Zucken ab." Die neue Regelung sei also definitiv richtig.

Wie der Mercedes-Pilot zählt auch Kimi Räikkönen zu jenen Piloten, die schon mit Verstappens Fahrstil in Berührung gekommen sind. Der Finne beschwerte sich bereits nach einem Zweikampf in Ungarn, beim Grand Prix in Belgien wurde es abermals knapp zwischen dem Ferrari und dem Red Bull. Räikkönen konnte einen Zusammenstoß auf der Kemmel-Geraden gerade noch verhindern. Der erfahrene Finne weiß, dass jede Rennsituation für sich anders zu bewerten ist. "Die Stewards werden es sich jetzt ansehen - manche sehen die Dinge aber anders als andere", spricht auch der erfahrene Pilot die inkonstante Regelauslegung an.

Max Verstappen, Kimi Räikkönen

Belgien 2016: Räikkönen und Verstappen duellieren sich auf der Kemmel-Geraden Zoom

"Natürlich braucht man manche Regeln im Sport. Manchmal fühlt es sich aber auch so an, als hätten wir zu viele Regeln", kommentiert der "Iceman" und fügt hinzu: "Es gibt aber immer Gründe dafür. Gebe es keine Regeln, dann würden wir viele Dinge machen. Wir brauchen Richtlinien, an denen wir uns orientieren können. Es klingt manchmal etwas dumm, aber es ist hilfreich für alle." Zu viele Regeln gebe es laut einem weiteren Ex-Weltmeister keinesfalls. "Nein, überhaupt nicht. Das ist die korrekte Regelung", ist Jenson Button überzeugt.

Wolff: "Warum müssen wir alle bervormunden?"

Auch er geht auf seine langjährige Erfahrung in der Königsklasse ein: "Ich bin jetzt schon viele Jahre dabei und es gab ein gutes Verständnis dafür, dass es nicht korrekt ist, sich in der Bremszone zu bewegen. Wenn man versucht, jemanden zu überholen, dann fährt man immer am Limit. Sobald der vor dir sich bewegt und deine Linie nimmt, bist du aufgeschmissen", erklärt der Brite, der bereits über 300 Grands Prix bestritten hat. Für Mercedes-Motorsportchef Toto Wolff gibt es hingegen schon jetzt viel zu viele Regeln: "Lasst uns noch 200 Seiten erstellen", kommentiert er ironisch.

"Man sollte die Fahrer auf der Strecke fahren lassen, sie sollten das unter sich ausmachen. Wenn sich die Fahrer beschweren, dass Max' Fahrverhalten zu hart ist, dann sollen sie das im Fahrermeeting ausdiskutieren und eine Lösung finden", so der Österreicher. Erst wenn keine Einigkeit herrscht, solle die FIA einschreiten. "Warum müssen wir alles und jeden bevormunden?", fragt er sich.

Button befürchtet jedenfalls, dass sich das vordere Auto im Kampf zu einer Art Sprungschanze verwandelt, wenn der Angreifer nicht weiß, welche Verteidigungslinie der Vordermann gewählt hat: "Entweder fliegst du in die Mauer oder fährst ihm hinten rein und steigst auf. 15 Jahre lang gab es keine Probleme, erst in den letzten paar Jahren haben wir die. Jetzt ist es klar. Darüber bin ich glücklich." Romain Grosjean stimmt dem McLaren-Piloten vollkommen zu: "Bisher musste immer der hintere Fahrer ein Ausweichmanöver fahren - Kimi, Lewis und Gutierrez. Das sollte nicht sein. Entweder bleibst du rechts oder links. Sich beim Bremsen zu bewegen, das ist das Schlimmste, was du machen kannst."

Grosjean schwärzt Sainz, Verstappen und Palmer an

Er greift vor allem die jüngeren Piloten scharf an: "Schon viele haben sich beim Bremsen bewegt. Ich habe mich gestern (am Freitag im Fahrermeeting; Anm. d. Red.) darüber beschwert, als ich mir zuvor das Rennen von Japan angesehen hatte. Viele Fahrer haben sich da beim Bremsen bewegt. Sainz, Max und Jolyon haben es bei mir gemacht", zählt der Franzose auf. "Man kann das vor allem in den Nachwuchskategorien sehen. Wenn sie in die Formel 1 kommen, machen sie es immer noch, aber wir fahren mit ganz anderen Geschwindigkeiten", stellt auch der ehemals als "Crashkid" bezeichnete Haas-Fahrer fest.

Während sich auch Valtteri Bottas freut, dass nun endlich klar ist, wie aggressiv man sich verteidigen darf, gibt Sainz offen zu, dass er bereits selbst zum Täter geworden ist: "Da werden wir morgen andere Wege finden müssen, um uns zu verteidigen", scherzt er in seiner Medienrunde, als er darauf angesprochen wird und erklärt: "Nein, es ist okay. Ich verstehe das."


Fotos: Großer Preis der USA


"Ich habe schon attackiert, während das vordere Auto sich beim Bremsen bewegt hat. Ich habe das auch schon gemacht. Es gibt dir einfach einen Vorteil", gibt der Toro-Rosso-Pilot zu. WM-Leader Nico Rosberg ergänzt: "Es ist eine Hochrisiko-Situation und es ist sehr schwierig für den hinteren Fahrer einen Unfall in so einem Fall zu verhindern." Dass ein Formel-1-Auto sehr wohl zur Sprungschanze mutieren kann, zeigte sich zum Beispiel 2010 in Valencia, als Mark Webber auf Heikki Kovalainen auffuhr und abflog...