Motormapping: Lewis Hamilton verzweifelt in Baku am Funk

Nico Rosberg löst das Einstellungsproblem schneller als Lewis Hamilton - Der Brite hadert mit dem eingeschränkten Funkverkehr, während Rosberg in Baku dominiert

(Motorsport-Total.com) - Mercedes-Pilot Nico Rosberg feierte bei der Formel-1-Premiere in Aserbaidschan souverän seinen fünften Saisonsieg. Damit vergrößerte der Deutsche seinen WM-Vorsprung auf Teamkollege Lewis Hamilton, der Fünfter wurde, auf 24 Punkte. Für Gesprächsstoff sorgten aber die Funksprüche des Briten: "Ich blicke ständig auf das Lenkrad nach Schaltern, die in der falschen Position sind", funkte der Weltmeister während des Rennens genervt. "Es D-ratet überall. Gibt es keine Lösung?" Allerdings durfte sein Renningenieur aufgrund des Funkverbots keine Anweisungen geben wie Hamilton das Problem löst.

Titel-Bild zur News: Lewis Hamilton

Lewis Hamilton suchte zwölf Runden nach der richtigen Einstellung Zoom

"D-rates sind im Prinzip wie Aussetzer, die elektrische Energie wird nicht zur richtigen Zeit geladen und nicht richtig deployed", erklärt Teamchef Toto Wolff und fügt hinzu: "Und das Problem ist: Die Regularien sagen, man kann nicht mit dem Fahrer kommunizieren." Allerdings hatte auch Rosberg das gleiche Problem, wie sich nach dem Rennen herausstellte. Der Deutsche konnte das Problem aber deutlich schneller lösen, während Hamilton zwölf Runden brauchte, um wieder die richtige Einstellung zu finden.

"Nico hat das Problem schnell gelöst", bestätigt Wolff, hält aber trotzdem fest: "Man muss fairerweise sagen, dass es für ihn einfacher war. Er hat vorher einen Switchchange gemacht, der ihn vielleicht eher auf den richtigen Pfad gebracht hat und beim Lewis war es komplizierter." Und Niki Lauda ergänzt: "Ich möchte Lewis dafür keine Schuld geben, denn es ist kompliziert, wenn man fährt und gleichzeitig verstehen muss, was vor sich geht. Das Funkverbot gibt es, also müssen wir uns daran halten."

Nach seinem ersten und einzigen Boxenstopp in Runde 16 konnte Hamilton zunächst Felipe Massa und Daniel Ricciardo überholen und war direkt hinter Sergio Perez. Ab etwa Runde 25 konnte der Brite den Anschluss an den Force India nicht halten, bis Runde 37 war er schon zehn Sekunden hinter den Mexikaner, der am Ende Dritter wurde, zurückgefallen. Gleichzeitig funkte Hamilton genervt die Box an.

Hamilton: Gibt 100 verschiedene Einstellungen

"Ich hatte keine Ahnung", sagt der Brite nach dem Rennen zu seinen Problemen. "Es gibt 16 unterschiedliche Motoreinstellungen und in jeder dieser Einstellungen gibt es wiederum 20 Positionen. Ich hatte keine Ahnung, was das Problem ist. Ich hatte einfach weniger Leistung." Hat er dann tatsächlich die richtige Einstellung gefunden? "Ich habe nichts gemacht, es hat sich von selbst gelöst", antwortet der 31-Jährige schmallippig.

In Runde 42 fuhr Hamilton plötzlich die schnellste Rennrunde, war dann aber wieder deutlich langsamer als der Führende Rosberg. "Gegen Rennende habe ich den Motor zurückgedreht", erklärt er diese langsamen Rundenzeiten. "Sieben, acht Runden vor dem Ende war ich 14 Sekunden hinter dem Fahrer vor mir. Also habe ich den Motor geschont. Man darf nicht vergessen, dass ich für das restliche Jahr nicht mehr so viele Motoren zur Verfügung habe."

Dieses Einstellungsproblem bei beiden Autos nimmt Mercedes auf die eigene Kappe. Wolff will seine Fahrer dafür nicht kritisieren: "Das fundamentale Problem liegt bei uns, denn es war nicht offensichtlich, dass diese Einstellung Probleme bereiten wird. Diese Konfiguration funktionierte nicht richtig. Es ist nicht die Schuld der Fahrer. Aber die Funkregeln machen die Dinge extrem kompliziert. Sonst hätte man das Problem rasch lösen können."

Effekt des eingeschränkten Funkverkehrs

Der vom Reglement eingeschränkte Funkverkehr wurde nach Baku wieder diskutiert, denn auch Ferrari-Pilot Kimi Räikkönen hatte seine Schwierigkeiten. "Wir haben diese neuen Regeln, damit es etwas unvorhersehbarer wird und die Fahrer nicht von der Box gesteuert sind", sagt Wolff.

"Jetzt hatten wir den Effekt, dass ein Fahrer vorne dabei sein hätte können, aber Schwierigkeiten mit der Technologie des Autos hatte. Es gibt jetzt zwei Möglichkeiten. Entweder man lernt ihm die Technologie, was schwierig ist. Oder man ändert das Reglement. Diese modernen Autos haben viel elektrische Leistung. Es ist viel komplizierter als vor 20 Jahren."

"Das fundamentale Problem liegt bei uns. Diese Konfiguration funktionierte nicht richtig. Es ist nicht die Schuld der Fahrer." Toto Wolff

Und was hält Hamilton davon, dass er hauptsächlich mit Knöpfe drücken beschäftigt war, als Gas zu geben? "Ich sehe nicht den Vorteil", kritisiert er das Funkverbot. "Die FIA hat die Formel 1 extrem technisch gemacht. Es hätten 100 verschiedene Schaltereinstellungen sein können. Keine Chance, dass ich das weiß - egal wie viel ich die Einstellungen studiere. Es ist schade, dass ich nicht richtig fahren konnte. Hätte ich das Problem lösen können, hätte ich Teil der Show sein und die Jungs vor mir attackieren können. Das war nicht der Fall, aber so ist es eben."

Siegte der deutsche Fleiß?

Rosberg benötigte dagegen nur eine halbe Runde, um seine Einstellung wieder richtig hinzubekommen. "Wir hatten beide ein Power-Problem. Sie dürfen dir über Funk nur sagen, dass es ein Problem gibt, aber nicht welches. Ich wusste, wo das Problem lag. Ich betätigte den Schalter und das Problem war gelöst", sagt er zu dieser Situation. "Es ist eine Herausforderung, denn wir sind da draußen mehr auf uns alleine gestellt. Ich investiere viel Zeit dafür, aber ob mir das in diesem speziellen Fall geholfen hat, kann man nicht genau sagen." Mit den Funkregeln ist Rosberg zufrieden: "Ja, ganz klar."

Kritische Stimmen merkten direkt nach dem Rennen an, dass sich der deutsche Fleiß von Rosberg ausgezahlt hat und Hamilton seine Hausaufgaben nicht richtig erledigt. Das will Wolff aber nicht so stehenlassen: "Man muss immer arg vorsichtig sein mit Anschuldigungen. Ich lasse das mal so stehen." Leise Kritik gibt es dennoch von 'RTL-Experte Timo Glock: "Umso ordentlicher man sich damit auseinandersetzt und die Anleitungen liest, die es dazu gibt, und auch die Zeit im Simulator nutzt, umso einfacher kann man vielleicht die Schritte verfolgen und Ideen haben, wie man vielleicht da raus kommt als Fahrer."

Rosberg: Und jetzt geht es nach Österreich!

Unter dem Strich zeigte Rosberg ein perfektes Wochenende. Nachdem in den drei Freien Trainings Hamilton die Nase vorne hatte, schlug der Deutsche zu, als es zählte. Die Pole-Position im Qualifying war der Grundstein für die souveräne Vorstellung im Rennen. "Es war ein ganz tolles Gefühl in dem Auto. Ich konnte alles machen damit, es war wie auf Schienen", strahlt Rosberg. "Richtige cooles Gefühl da draußen, ich habe mich sehr wohl gefühlt."

Nach einem perfekten Start fuhr Rosberg vorne auf und davon. Nach zehn Runden hatte er schon zwölf Sekunden Vorsprung auf die Verfolger. Nach seinem einzigen Boxenstopp in Runde 22 fuhr er das Rennen sicher nach Hause. "Ich war sehr, sehr überrascht, dass kein Safety-Car kam. Ich habe jeden Moment darauf gewartet und habe beim Überrunden vor mir immer wieder Duelle mit blockierenden Reifen gesehen und so weiter", schildert er den weiteren Rennverlauf. "Da war ich mir sicher: Jetzt kommt es gleich doch noch."


Fotostrecke: GP Europa, Highlights 2016

Es kam aber zu keiner Safety-Car-Phase: "Das hat es für mich einfacher gemacht, denn so habe ich meinen Abstand immer halten können. Ich gratuliere Sebastian und vor allem Checo zum dritten Platz, ganz stark. Jetzt geht es weiter zum nächsten...- wo ist noch einmal das nächste Rennen? Ja, Österreich!" Der Red-Bull-Ring ist für Rosberg ein ganz besonderer Boden, denn in den vergangenen beiden Jahren holte er dort die Siege. Seit dem Österreich-Comeback ist er in Spielberg ungeschlagen.