• 23.06.2016 10:02

  • von Dieter Rencken & Daniel Halder

Jean Todt: Formel 1 hat bei jungen Fans kaum noch Chancen

Trotz Facebook und Twitter: Der FIA-Präsident hält die Formel 1 für junge Menschen verloren - Alkohol-Hersteller dürfen werben, sollen aber auf die Gefahren hinweisen

(Motorsport-Total.com) - Die aktuelle Formel-1-Saison 2016 beweist, dass die Königsklasse des Motorsports derzeit besser ist als ihr Ruf. Mit Ausnahme des überwiegend unspektakulären Baku-Grands-Prix am vergangenen Wochenende erlebten die Zuschauer in diesem Jahr schon viele aufregende Rennen: Teamkollegen-Kollision bei Mercedes, Kwjat-Rauswurf bei Red Bull, Max Verstappen als jüngster Formel-1-Sieger aller Zeiten - das sind nur ein paar der Schlagzeilen, über die Fans und Experten im ersten Saisondrittel aufgeregt diskutiert haben.

Titel-Bild zur News: Bernie Ecclestone, Jean Todt

Jean Todt (r.) und Bernie Ecclestone wollen jüngere Zielgruppen erschließen. Aber wie? Zoom

Trotz der fortwährenden Mercedes-Dominanz ist das Geschehen auf der Rennstrecke meist sehenswert - wie auch die überwiegend guten TV-Quoten der deutschsprachigen TV-Sender in diesem Jahr unterstreichen. Und so findet nicht nur FIA-Präsident Jean Todt, dass sich die aktuelle Formel 1 nicht verstecken muss: "Es läuft viel besser, als manche Leute sagen", so der Franzose im Interview am Rande der FIA-Sportkonferenz 2016 in Turin. Dennoch beschäftigt er sich natürlich mit der Frage, wie die Königsklasse auch in Zukunft Fans gewinnen kann und vor allem für die junge Zielgruppe attraktiv bleibt.

Der 70-Jährige zeichnet dabei zunächst ein sehr düsteres Bild der heutigen Jugend. Viel Hoffnung, dass sich junge Menschen in Zukunft für den Motorsport interessieren, scheint er nicht zu hegen. "Junge Fans sind heutzutage doch viel glücklicher mit ihrem Computer", so Todt. "Dabei geht es gar nicht primär um Racing, es ist doch generell so: Die jungen Leute sind abhängig von ihrem Computer und bleiben in ihrer eigenen Welt." Der frühere Ferrari-Teamchef ist der Ansicht, dass durch die Tools und Apps das soziale Leben, die Gemeinschaft und die persönliche Kommunikation auf der Strecke bleiben würden.

Heineken soll die sozialen Netzwerke der Formel 1 beleben

"Deshalb bleiben viele ältere Fans noch bei uns, die jungen aber wenden sich anderen Kommunikationskanälen und Interessen zu", so Todts Fazit. Auch bei der FOM, die für die kommerzielle Verwertung und Vermarktung der Formel 1 zuständig ist, stimmt man mit Todts These überein. Erst jetzt - nach Ansicht vieler Beobachter viel zu spät - ist man bei der Formel-1-Organisation aus dem Social-Media-Dornröschenschlaf aufgewacht und hat die Königsklasse auch auf Facebook, Twitter und YouTube mit einem offiziellen Account platziert.

"Die jungen Leute sind abhängig von ihrem Computer und bleiben in ihrer eigenen Welt." FIA-Präsident Jean Todt

Posts und Tweets haben die Formel-1-Macher um den 85-jährigen Bernie Ecclestone jahrelang verschlafen. Mit dem neuen Serien-Sponsor Heineken, der ab der Saison 2017 einsteigt, soll dieses Versäumnis nun aufgeholt werden. Der niederländische Brauerei-Riese ist in den sozialen Netzwerken äußerst erfolgreich und soll Ecclestone und Co. mit seinen Social-Media-Konzepten helfen, die Reichweite dieser Kanäle zu verbessern. So lässt sich zum einen mehr Geld verdienen - und zum anderen neue, jüngere Zielgruppen erschließen, so die Rechnung der Formel-1-Macher.

Außer der Zustimmung der Teams, die sich neue Gelder aus den FOM-Töpfen erhoffen, brachte der Heineken-Deal Ecclestone aber auch jede Menge Kritik ein: Ein Alkoholhersteller als Hauptsponsor der größten Autorennserie der Welt - das leuchtet nicht jedem ein. Auch deshalb wird der Einstieg des Bierbrauers mit einer parallel stattfindenden Kampagne für sicheres Fahren und verantwortungsvollem Umgang mit Alkohol begleitet. Für dieses Vorhaben setzt sich auch FIA-Präsident Todt entschieden ein. Er will genau darauf schauen, auf welche Art und Weise die Alkohol-Hersteller auf die Gefahren des Trinkens für Fahrer aufmerksam machen.


Fotostrecke: Meilensteine in der Karriere des Jean Todt

Todt: Alkohol-Riesen müssen die Gefahren des Trinkens aufzeigen

"Sie haben eine hohe soziale Verantwortung, der sie besser nachkommen müssen", fordert Todt von den Alkohol-Produzenten. Der FIA-Boss untermauert, dass rund ein Drittel aller Verkehrsunfälle unter Alkoholeinfluss entstehen. "Aber nicht nur das - beim Fahren aufs Handy zu schauen ist ungefähr dasselbe Problem. Am schlimmsten sind zu schnelles Fahren, Texten und Fahren, Trinken und Fahren, keinen Sicherheitsgurt oder keinen Helm (auf dem Motorrad; Anm. d. Red.) zu tragen. Wenn wir diese Sachen stärker ins Bewusstsein rücken würden, könnten wir die Opferzahlen auf den Straßen unverzüglich halbieren", so sein Plädoyer für mehr Verantwortungsbewusstsein.

Bernie Ecclestone trinkt Heineken

Mit dem Heineken-Konzern hat Bernie Ecclestone einen Millionen-Deal ab 2017 Zoom

Gegen ein generelles Verbot von Alkoholwerbung bei Sportveranstaltungen - wie es beispielsweise in seinem Heimatland Frankreich gilt - spricht sich Todt aber entschieden aus: "Letztendlich ist es eine Sache der Länder. Wenn sie es verbieten, respektieren wir die Gesetze und halten uns daran." Sein Verband werde solche Vorgaben aber nicht machen. "Ich habe kein Problem damit. Sie (die Alkohol-Hersteller; Anm. d. Red.) werben ja nicht nur im Motorsport, sondern auch beim Fußball oder Rugby. Aber sie müssen ihrer Verantwortung nachkommen, den Leuten besser klar zu machen, dass sie nicht fahren, wenn sie Alkohol trinken", so die klare Forderung das FIA-Chefs.