Toro Rosso: "Haben keine Ahnung, was Red Bull tut"

Mit dem neuen STR11 hat Toro Rosso nicht nur Red Bull zum Schwitzen gebracht: Technisch steht das Formel-1-Team längst auf eigenen Beinen

(Motorsport-Total.com) - Noch immer haftet Toro Rosso der Ruf der kleinen Schwester von Red Bull an. Schließlich ist das Nachwuchsteam weiterhin im vollständigen Besitz des Getränkeherstellers. Doch auf der Strecke hat die Scuderia in der aktuellen Formel-1-Saison 2016 nicht zum ersten Mal die Nase hin und wieder vorn, wenn es darum geht, dem A-Team die Stirn zu bieten - so etwa in Bahrain, als Max Verstappen vor Daniil Kwjat als Sechster ins Ziel kam. Ihn könnte der Toro-Rosso-Youngster im kommenden Jahr beerben.

Titel-Bild zur News: James Key

Toro-Rosso-Technikchef James Key blickt auf eine turbulente Entwicklung zurück Zoom

So wie Sebastian Vettel, der 2009 zu Red Bull wechselte, nachdem er die WM im Vorjahr bei Toro Rosso vor dem "großen Bruder" abgeschlossen hatte. Damals waren die Autos der beiden Rennställe bis auf den Motor noch weitgehend identisch. Seit 2009 verbietet dies das Formel-1-Reglement. "Die Regeln verlangen, dass jedes Team seine Aerodynamik selbst entwickelt. Und die bestimmt den Großteil des restlichen Fahrzeugs", erklärt Toro-Rosso-Technikchef James Key im Interview mit 'auto motor sport'.

Dennoch gebe es noch immer bestimmte Bereiche, in denen man Synergieffekte nutzen könnte. "Deshalb haben wir 2014 auch den gleichen Motor gewählt. Und wir hatten die gleichen Getriebeinnereien und die gleiche Hydraulik", blickt Key zurück. Doch mittlerweile sei die Übereinstimmung zwischen den beiden Autos "sehr gering", betont er. "Ich weiß ja nicht, was Red Bull tut. Ich habe zum Beispiel keine Ahnung, wie ihr Frontflügel arbeitet." Da sei es nur logisch, sich für eine andere Fahrzeug-Philosophie zu entscheiden.

150 Mann mehr: Toro-Rosso-Chassis im Eiltempo gefertigt

Die Zeiten, in denen sich Toro Rosso technisch aus Red Bull speiste, sind also endgültig vorbei. Key spricht von "zwei total unterschiedlichen Autos". Das beginnt beim Motor: Während Red Bull in Ermangelung anderer Optionen weiter mit Renault-Antrieb fährt, hat der STR11 von Toro Rosso den Ferrari-Motor des Vorjahres im Heck. Weil dieser momentan deutlich stärker ist, hat die Scuderia zumindest in der ersten Saisonhälfte einen Vorteil. Doch mit Updates von Renault will Red Bull zügig nachrüsten.

Toro Rossos Ferrari-Antrieb bleibt hingegen, wie er ist. Das kann das Team nur über die Aerodynamik kompensieren. Doch Key relativiert: "Da können wir nicht viel machen. Wir würden unser Auto so oder so bestmöglich weiterentwickeln. Mehr geht nicht. Für uns ist es nur eminent wichtig, dass alle Entwicklungsschritte das bringen, was sie sollen." Weil der neue Motorenlieferant erst Anfang Dezember feststand, war die Arbeit am Chassis ohnehin zeitlich knapp. Normalerweise beginnt die Produktion im August.


Fotos: Toro Rosso, Großer Preis von Bahrain


"Das Chassis haben wir schon knapp vor Dezember freigegeben. Wir mussten später nur noch die Rückseite leicht anpassen", erklärt Key gegenüber 'auto motor sport'. Ein Kraftakt für das Team und den Geldbeutel. Für drei Monate wurden 150 Leute mehr beschäftigt, um das Soll zu bewältigen. "Hätten wir dieses Budget immer zur Verfügung, könnten wir das Auto immer bis Ende Oktober entwickeln. Und das ist genau der Vorteil, den große Teams gegenüber uns haben", zieht der Toro-Rosso-Technikchef den Vergleich.

Ferrari-Motorendeal kam spät - Kompromisse beim STR11

Am Ende sei das Chassis zweieinhalb Monate zu spät fertig geworden. Hätte man schon im August gewusst, dass es auf einen Ferrari-Motor hinausläuft, hätte man "eine klar optimierte Lösung gehabt", gibt Key zu. Und auch anderorts musste man Abstriche machen, etwa beim Kühlkreislauf: "Wir hatten für das Design der Kühlung nur Wochen zur Verfügung. Normalerweise dauert das Monate. Da mussten wir mit einigen Kompromissen leben, wobei die Daten gar nicht so schlecht aussehen", so Key.

"Auch beim Gewicht mussten wir etwas herschenken. Mit mehr Zeit hätten wir sicher ein paar Kilo gespart", ergänzt der Techniker. Dafür mussten Verstappen und sein Teamkollege Carlos Sainz den Gürtel etwas enger schnallen und ein bis zwei Kilogramm verlieren. Doch die hohe Zuverlässigkeit des neuen Motors entschädigt. 2015 hatte Toro Rosso noch zehn Defekte zu verzeichnen. Für die aktuelle Saison gibt Key jedoch zu bedenken, "dass wir irgendwann vom aktuellen Auto auf das neue 2017er Reglement umschalten müssen".


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