Leere Ränge in Interlagos: Sind die goldenen Zeiten vorbei?

Viele Piloten wundern sich über verhältnismäßig leere Tribünen in Interlagos - Die Leidenschaft der Fans ist ungebrochen, doch es fehlt ein echter Spitzenpilot

(Motorsport-Total.com) - Der Große Preis von Brasilien ist für die Zuschauer meistens eine große Party. Die einheimischen Fans genießen die Formel 1 und feiern an den drei Tagen in Interlagos die Piloten, aber auch sich selbst. Daran hat sich auch in der Saison 2015 nichts geändert. Auffällig waren am Wochenende allerdings die verhältnismäßig leeren Tribünen des Autodromo Carlos Pace. Vor allem bei den Trainings war der Grand Prix auffällig schlecht besucht. Doch woher kommt dieser Zuschauerschwund?

Titel-Bild zur News: Fans in Interlagos

Auf den Tribünen fand sich in diesem Jahr der ein oder andere leere Platz Zoom

Fakt ist, dass die Formel 1 in ganz Brasilien nicht mehr so populär ist wie noch in den Achtzigern oder Neunzigern. Während Nelson Piquet und Ayrton Senna zwischen 1981 und 1991 zusammen satte sechs WM-Titel für ihr Land sammelten, ist Brasilien aktuell bereits seit 24 Jahren ohne eigenen Weltmeister. So eine lange Durststrecke gab es seit Emerson Fittipaldis erstem WM-Titel 1972 noch nie.

Und selbst in Sachen Siegen sieht es momentan extrem düster aus. Den letzten brasilianischen Formel-1-Sieg holte der mittlerweile zurückgetretene Rubens Barrichello 2009 in Monza. Felipe Massa, der 2008 sogar noch um die Weltmeisterschaft kämpfte, ist sogar bereits seit mehr als sieben Jahren sieglos. Der stolzen Rennfahrernation fehlt ein echter Spitzenpilot. Massa und Rookie Felipe Nasr können diese Rolle momentan nicht ausfüllen.

Formel 1 im TV nur noch zweite Wahl

Das macht sich bemerkbar. Massa erklärt: "Sie (die Formel 1; Anm. d. Red.) wird heute definitiv weniger im Fernsehen gezeigt. Die Formel 1 sollte wie eine der wichtigsten Sportarten behandelt werden." TV-Sender Globo lässt der Königsklasse längst nicht mehr die Aufmerksamkeit zukommen wie zu Zeiten Sennas, als die Rennen noch ein fester Bestandteil des Programms waren.

"Es gibt hier an der Strecke viele Flaggen: Ferrari-Flaggen, Deutschland-Flaggen, England-Flaggen", merkt Sebastian Vettel an und erklärt: "Wir alle werden unterstützt. Natürlich braucht so ein Ort auch einen Lokalmatadoren. Es wäre also noch besser, wenn ein Brasilianer um das Podium kämpfen könnte." Auch dem Deutschen ist aufgefallen, dass die Tribünen in diesem Jahr schlechter besucht waren. Eine offizielle Zuschauerzahl für den Grand Prix gibt es noch nicht.


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Trotzdem lobt Vettel, der sich bereits am Donnerstag vor dem Rennen als Brasilien-Fan outete, die Leidenschaft der Fans für den Sport. "Wir werden wie Superhelden behandelt", freut sich der Ferrari-Pilot und berichtet: "Obwohl es nicht ganz voll ist, erschaffen die Leute eine Atmosphäre, was den Tag besonders macht. Sie genießen es einfach, hier dabei zu sein, so wie wir es auch in Mexiko gesehen haben."

"Die Formel 1 sollte wie eine der wichtigsten Sportarten behandelt werden." Felipe Massa

Ein Spitzenpilot als Allheilmittel?

Auch Lewis Hamilton findet es in Interlagos "fantastisch" und erklärt: "Die brasilianischen Fans haben in ihren Herzen ganz sicher viel Liebe für den Sport. Wenn wir herkommen, dann zeigt sich das immer zu 100 Prozent." Daher sei das Autodromo Carlos Pace "eine Strecke, die wir nicht auslassen dürfen." Nico Rosberg ergänzt: "Einige Rennen woanders können von den Emotionen lernen, die jeder hier an die Rennstrecke mitbringt."

Offen bleibt jedoch die Frage, ob ein erfolgreicher Pilot wieder mehr brasilianische Zuschauer an die Strecke locken würde. Schließlich fand auch in Deutschland 2015 kein Grand Prix statt, obwohl es mit Vettel und Rosberg gleich zwei potentielle deutsche Siegfahrer im Feld gibt. Umgekehrt war das Rennen in Mexiko ein echter Erfolg, obwohl Lokalmatador Sergio Perez bestenfalls Außenseiterchancen auf einen Podiumsplatz hatte.


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Sind die Brasilianer von der Formel 1 also möglicherweise einfach übersättigt? Nach den "goldenen" Senna-Jahren scheint das Land nun endgültig in einer kleinen Depression angekommen zu sein. Die Königsklasse hat in Brasilien längst nicht mehr den gleichen Stellenwert wie damals. Selbst mit einem neuen Star der Marke Senna, Piquet oder Fittipaldi dürfte es einige Jahre dauern, den alten Status wiederzuerlangen.