• 08.10.2015 14:55

  • von Ben Anderson (Haymarket)

Fiktion: Wäre die Formel 1 2015 ohne Mercedes besser?

Wie würde die Formel 1 in der Saison 2015 ohne Mercedes aussehen? Das fiktive Szenario verrät, dass die Königsklasse dadurch keinesfalls spannender wäre

(Motorsport-Total.com) - Die Rufe im und abseits des Formel-1-Paddocks sind verzweifelt und regelmäßig. Im vergangenen Jahr waren es nur Unmutsäußerungen, doch seit dem Saisonauftakt in Australien im März sind die Stimmen laut und deutlich: Die neuerliche Mercedes-Dominanz ist eine schlechte Nachricht für die Formel 1. "Das Problem ist, dass die Lücke so groß ist, dass es eine Drei-Klassen-Gesellschaft gibt", sagte Red-Bull-Teamchef Christian Horner in Melbourne. "Und das ist nicht gesund für die Formel 1."

Titel-Bild zur News: Sebastian Vettel

Weltmeister! In unserem fiktiven Szenario hat Sebastian Vettel den Titel schon sicher Zoom

Jetzt liegen 13 weitere Rennen der Formel-1-Weltmeisterschaft 2015 hinter uns. Wäre die Formel 1 in einem besseren Zustand, wenn Mercedes vorne nicht davonfahren würde? Wären die Rennen spannender? Wäre der Kampf um den Titel enger? Würden die Fans, die der Formel 1 wegen dem Wechsel ins Pay-TV den Rücken gekehrt haben, nun ein Abo bei Sky abschließen? Finden wir es heraus.

2. März 2015: Mercedes fällt einer neuen Regel zum Opfer, die eingeführt wird, um das Feld in der Formel 1 ausgeglichener zu gestalten. Sie werden als zu dominant eingestuft und sollen "die Show" beschädigen. Die FIA beruft vor dem ersten Rennen in Australien eine außerordentliche Sitzung ein und beschließt, dass das Team mit sofortiger Wirkung für ein Jahr aus der Meisterschaft ausgeschlossen wird.

Auf einen Schlag verliert das Feld vorläufig seine dominanteste Kraft. Anstatt seinen Titel wie geplant zu verteidigen, wird Lewis Hamilton zu einem Sabbatjahr gezwungen, das er zunächst am Strand auf Barbados verbringt. Er erklärt, dass er die Saison damit verbringen wird, sich auf seine Musikkarriere in den USA zu konzentrieren. Nico Rosberg entscheidet sich dazu, das Jahr damit zu verbringen, eine Familie zu gründen. Außerdem hilft er seiner Frau in ihrer Eisdiele.

Lewis Hamilton

Auszeit von der Formel 1: Lewis Hamilton konzentriert sich auf seine Musikkarriere Zoom

Ohne Mercedes - die aber noch immer ihren Verpflichtungen nachkommen müssen und Williams, Force India und Lotus mit Motoren beliefern - erlebt die Saison in Melbourne einen tollen Start. Felipe Massas Williams bezwingt die beiden Ferrari-Piloten in einem spannenden Kampf um die Pole-Position ganz knapp. Nur 0,072 Sekunden trennen die Top 3 im Qualifying.

Spannender Saisonauftakt

Massa und Sebastian Vettel liefern sich einen intensiven, taktischen Kampf um den Sieg, den Vettel für sich entscheidet, indem er den Williams an der Box überholt. Felipe Nasr wird als der neue Ayrton Senna gefeiert, nachdem er bei seinem Formel-1-Debüt für Sauber auf dem Podium landet. Alle sind sich einig, dass die Formel 1 ohne Mercedes sensationell anzuschauen ist.

In Malaysia geht es etwas ruhiger zu. Vettel fährt von der Pole ungefährdet zum Sieg. Teamkollege Kimi Räikkönen stürmt von einem Startplatz im Mittelfeld auf Platz zwei und kommt klar vor den beiden Williams-Piloten ins Ziel.

Sebastian Vettel, Kimi Räikkönen

In China dominieren Sebastian Vettel und Kimi Räikkönen den Rest des Feldes Zoom

In China ist Räikkönen besser in Form. Er erholt sich nach einem schlechten Qualifying mit einer starken ersten Runde, in der er beide Williams überholt. Der Finne jagt Vettel mutig nach, muss sich aber knapp mit Rang zwei begnügen, den er deutlich vor den beiden Williams-Piloten belegt, ehe das Safety-Car spät im Rennen herauskommt, nachdem Max Verstappens Toro Rosso auf der Start-Ziel-Geraden strandet.

In der nächsten Woche erlebt die Formel 1 in Bahrain Räikkönens ersten Grand-Prix-Sieg seit seiner Rückkehr zur Scuderia. Er dominiert das Rennen, nachdem Vettel sich in der letzten Kurve seinen Frontflügel beschädigt und anschließend hinter Valtteri Bottas' Williams feststeckt.

Erster Formel-1-Sieg für Bottas

14 Tage später schlägt Vettel in Spanien allerdings zurück. Dort holt er dominant seinen vierten Sieg der Saison und seine fünfte Pole-Position in Serie. Dieses Mal hängt Räikkönen hinter Bottas fest. Die beiden liefern sich mit großem Rückstand einen Duell um den zweiten Platz.

Als Vettel in Monaco seinen fünften Sieg im sechsten Rennen holt (wieder von Pole), beginnen die Experten, über die Dominanz von Ferrari zu murren. Weil Daniil Kwjat und Daniel Ricciardo Räikkönen überlisten und Red Bull so die ersten Podestplätze der Saison bescheren, beklagen ebendiese Experten den Fakt, dass Räikkönen seinen neuen Teamkollegen nicht ernsthaft herausfordern kann.

Valtteri Bottas

Valtteri Bottas feiert in Kanada seinen ersten Grand-Prix-Sieg Zoom

In Kanada beenden Motorprobleme im Qualifying endlich Vettels Samstags-Serie. Räikkönen schnappt sich knapp vor Bottas die Pole-Position (seine erste seit Frankreich 2008). Williams' eigener "Fliegender Finne" holt sich im Rennen seinen ersten Grand-Prix-Sieg, nachdem Räikkönen seine Führung durch einen Dreher in der Haarnadel verliert. Vettel und Massa stürmen von hinten auf die Plätze drei und vier nach vorne.

Vettel zu stark für den Rest des Feldes

In Österreich ist Vettel wieder vorne. Eine Verzögerung beim Boxenstopp sorgt allerdings dafür, dass Massa die Initiative übernehmen und Williams den zweiten Sieg in Serie bescheren kann. Es ist der erste Sieg des Brasilianers seit seinem Heimrennen in Interlagos 2008.

In Großbritannien kann Williams seine starke Form bestätigen. Sie beanspruchen die erste Reihe für sich und dominieren das Rennen, bis zum für Vettel perfekten Zeitpunkt Regen einsetzt. Er schnappt sich den Sieg, obwohl Ferrari kein gutes Wochenende erlebt. Die Medien deuten an, dass der Deutsche über das Wasser laufen kann, nachdem er im Titelkampf nun 80 Punkte vor Bottas liegt.

Romain Grosjean

Romain Grosjean holt in Spa den ersten Sieg seiner Formel-1-Karriere Zoom

In Ungarn schlägt Vettel sogar noch härter zu. Er dominiert von der Pole aus, während Williams auf dem langsamen Kurs Schwierigkeiten hat. Drei Wochen später feiert Romain Grosjean in Belgien für das angeschlagene Lotus-Team seinen ersten Formel-1-Sieg, nachdem Vettel einen spektakulären Reifenschaden erleidet. In Italien schnappt sich Räikkönen im überarbeiteten Ferrari seine zweite Pole der Saison, vermasselt den Start allerdings total. Vettel holt sich vor den berauschten Tifosi seinen neunten Sieg der Saison.

WM nach 14 Rennen entschieden

In Singapur holt Vettel seinen neunten Sieg im 13. Rennen. In Japan folgt Sieg Nummer zehn, nachdem er Pole-Setter Bottas gleich beim Start überholt. Mit diesem Ergebnis krönt sich Vettel zum fünften Mal zum Weltmeister, obwohl noch fünf Rennen zu fahren sind. Räikkönen liegt drei Punkte vor Bottas. Die beiden liefern sich in der Meisterschaft einen engen Kampf um Platz zwei.

Der alternative WM-Stand (nach 14 Rennen):
1. Vettel, 299 Punkte
2. Räikkönen, 169
3. Bottas, 166
4. Massa, 147
5. Kwjat, 101
6. Ricciardo, 98
7. Grosjean, 78
8. Perez, 72
9. Hülkenberg, 62
10. Verstappen, 52

Sebastian Vettel

In Suzuka macht Vettel mit dem zehnten Sieg im 14. Rennen den Titel perfekt Zoom

Ferrari steht außerdem kurz davor, sich auch den Konstrukteurs-Titel zu sichern. Damit werden sie aufgrund er "Dominanz-Regel" 2016 ganz sicher aus der Meisterschaft ausgeschlossen werden.

*Klick*. Wir sind wieder zurück in der Realität. Der Tagtraum ist vorbei.

Natürlich ist das nur eine unglaublich grobe Theorie, aber abgesehen von dem engen Start in Australien, Williams' Erfolgsserie im Juni und den ersten Grand-Prix-Siegen für Bottas und Grosjean, stellt sich heraus, dass die Formel 1 sogar noch weniger Spannung bieten würde, wenn das Mercedes-Werksteam nicht dabei wäre.

Statt über Mercedes würden wir dann Beschwerden über Ferraris Überlegenheit hören und darüber, dass Vettel wieder auf die Art dominiert, die ihm bereits zu Red-Bull-Zeiten Kritik einbrachte. Die Formel 1 bestünde noch immer aus "drei Klassen", nur dass diese Klassen Ferrari, dann Williams und dann der Rest wären. Die Rufe nach einer schnellen Mercedes-Rückkehr würden ganz sicher mit jedem Rennen lauter werden.

Seid also vorsichtig, was ihr euch wünscht...