• 14.05.2015 08:27

  • von Dieter Rencken (Haymarket)

Manche sind gleicher: Wie die Formel-1-Gelder verteilt werden

Die Details zur Geldverteilung in der Formel 1: Welches Team wie viel erhält, was die Gründe sind und warum dies den Sport an den Abgrund bringt

(Motorsport-Total.com) - Die Quintessenz des Sports ist Gleichheit. Es geht um die Gleichheit der Chancen, um identische Zugangsbedingungen und darum, dass für alle Teilnehmer deckungsgleiche Regeln herrschen sowie der Wettbewerb nach denselben Maßstäben verläuft. Gibt es keine Gleichheit, dann ist der Sportsgeist zerstört. Denn er besagt: Es geht um höher, schneller, weiter - und zwar unter den gleichen Bedingungen.

Titel-Bild zur News: Lewis Hamilton, Sebastian Vettel

Rast die Formel 1 wegen der ungerechten Verteilung dem Untergang entgegen? Zoom

Logischerweise wird es aber immer Unterschiede geben. Das Sportliche Reglement der Formel 1 besteht, um Gleichheit zu gewährleisten. Das Problem ist jedoch: Es lassen sich keine Qualitätsunterschiede in Luft auflösen. Auch dieser Begriff gehört zum Repertoire einer globalen Sportart. Doch gibt es keine Gleichheit, dann geht es nur noch darum, Nachteile wettzumachen. Es wäre ein Rennen wie das des Esels nach der Karotte vor seiner Nase.

Es liegt in der Natur der Sache, dass Dinge im Sport mit Zahlen bedacht werden. Roger Federer mag im Jahr mehr verdienen als Novak Djokovic, der eine Kicker eines Fußballklubs mehr als ein Mannschaftskamerad. Aber im Tennis beeinflusst die finanzielle Macht nicht die Fähigkeiten auf dem Platz. In der Formel 1 jedoch bedeutet ein Vorteil von bis zu 44 Millionen Euro einen gewaltigen Unterschied, der sich in Rundenzeit ausdrückt.

Alles begann mit Ferrari...

Es gab vor langer Zeit wirtschaftliche Ebenbürtigkeit in der Formel 1. Damals war Zampano Bernie Ecclestone noch Teambesitzer und führte die Teamvereinigung FOCA, insgesamt von 1982 bis 1997, an. Er handelte die kommerziellen Rahmenbedingungen aus und sprach dabei für alle Teams. Dann riss er sich die Finanzen der Königsklasse unter den Nagel, als er die alleinige Macht in der FOCA übernahm. Er machte aus dem Gremium das Formula One Management (FOM).

Er führte es erst mit der Hilfe seines Familienunternehmens, anschließend mit der Unterstützung von allerlei Geldgebern. 1997 brachte er die FIA dazu, ihm die kommerziellen Rechte an der Formel 1 zu verkaufen. Er verhandelte mit Ferrari und bot der Scuderia zusätzliche fünf Prozent, die sich aus den FOM-Anteilen und den Anteilen der übrigen Teams am großen Einnahmentopf zusammensetzten - insgesamt waren es 23 Prozent.

Bernie Ecclestone, Maurizio Arrivabene

Ecclestone und Teamchef Arrivabene: Die Scuderia Ferrari hat den besten Deal Zoom

Die Teams unterstützten auf diese Art und Weise indirekt einen Konkurrenten. Der Deal lief bis 2007, ehe ohne die Aussicht auf eine vernünftige Alternative eine Verlängerung um zwei Jahre beschlossen wurde. Obwohl sich die Verteilung der Einnahmen der 50-Prozent-Marke näherte, wurde Ferrari ein Vetorecht bei der Beschlussfassung des Sportlichen und Technischen Reglements zugesichert. Das war effektiv: Toyota wollte V12-Motoren, Ferrari hatte aber gerade einen V10 gebaut - und setzte sich durch.

CVC: Das Unheil nimmt seinen Lauf

Den bittersten Nachgeschmack hinterließ jedoch, dass die FIA das Abkommen unterzeichnete. Die Fäulnis nahm ihren Anfang und setzte sich mit dem Verkauf der FOM-Mehrheitsanteile an EM.TV fort. Anschließend gelangte die Kontrolle in die Hände der Kirch-Gruppe, nachdem es zu Problemen beim Abstottern der Kosten kam. Kirch endete infolge des Deals selbst in Schieflage, was bewirkte, dass 75 Prozent der Formel-1-Rechte in die Hände dreier Banken gelangten, die wiederum an ein Konsortium mit CVC Capital Partners an der Spitze verkauften.

Der Fund IV von CVC erhielt zwei Drittel der Anteile und die hundertprozentige Kontrolle über die Formel-1-Rechte. Und das in einer Zeit (2006), als in der Formel 1 am erbittertsten über die Einnahmenstruktur und die Führung gestritten wurde, wodurch die Gefahr einer "Piratenserie" bestand (im Juni 2009). Zudem drohte der Abgang von FIA-Präsident Max Mosley, der die Rechte an der Formel 1 für 113 Jahre seinem Freund Ecclestone zugeschanzt hatte.


Fotostrecke: "Wir sind die Mafia"

Die Hoffnungen, dass eine Gruppe pragmatischer Finanziers in der Formel 1 für Gleichheit sorgen würden, hielten nicht lange an. Als das bislang letzte offizielle Concorde-Agreement, das die kommerziellen, sportlichen und technischen Aspekte des Sport regelt, unterschrieben wurde, wurden Ferrari bis Ende 2012 Vorzüge bei der Bezahlung und ein Vetorecht zugebilligt.

Was die Formel 1 mit Samsonite zu tun hat

Die CVC-Entscheidungsträger hatten damals allerdings bereits den Hauptpreis im Visier: die Formel 1 in Singapur an die Börse zu bringen und das Samsonite-Modell zu wiederholen. CVC hatte den Taschenhersteller 2007 durch Finanzierung der Royal Bank of Scotland übernommen, dann die Firma umstrukturiert und in Hongkong an die Börse gebracht.

Zwei Jahre nachdem Samsonite 2011 an der Börse notierte, stieg CVC mittels drei Veräußerungen komplett aus und musste sich nicht mehr darum kümmern, wie es mit Samsonite weitergeht. Ein Ereignis, das hervorsticht, denn der Formel 1 droht eine ähnlich verwaiste Zukunft. Es hätte sogar schon so weit sein können, hätte das Schicksal nicht mit dem Gerichtsfall in München gegen Ecclestone eingegriffen.

Bernie Ecclestone

Der Bestechungsprozess um Bernie Ecclestone verhinderte den Börsengang Zoom

CVC hat den Sport nach wie vor unter Kontrolle, obwohl man die Anteile auf 35,5 Prozent reduziert hat. Geht es nach den Statuten des Investmentunternehmens, was Monetarisierung von Return on Investment angeht, dann steht fest: Bis spätestens 2017 muss der Ausstieg aus der Formel 1 erfolgen. Dazu passt auch das bisherige Portfolio, das mit 220 Firmen dreimal so groß ist wie die aktuelle Asset-Liste mit 60 Firmen.

Wie die Topteams geködert wurden

Damit sich ein Börsengang auszahlt, benötigte CVC unbedingt langfristige Verträge, die zumindest über 2017 hinaus gelten und die größten Namen der Formel 1 - also Red Bull, Ferrari, McLaren und, in etwas geringem Maße, Mercedes und Williams - binden.

Im März 2012 bot die FOM den besagten Teams Gelder für deren Unterschrift von 2013 bis 2020 sowie bevorzugende Zahlungen (auf unterschiedlichstem Niveau) an. Dazu kamen die üblichen Anteile an den leistungsbezogenen Einnahmen.

Zudem winkte den bevorzugten Teams die Mitgliedschaft in der Strategiegruppe, in der über das zukünftige Reglement abgestimmt wird, bevor es vom FIA-Motorsport-Weltrat abgesegnet wird. FOM, FIA und die Teams haben darin je sechs Stimmen. Bei den Teams handelte es um die fünf privilegierten Rennställe sowie das nächstbestplatzierte Team in der Konstrukteurs-WM des Vorjahres.


Zusammenfassung des Grand Prix von Spanien

Das ursprüngliche Konzept hätte sogar die Formel-1-Kommission außen vor gelassen, bevor das Reglement vom Weltrat abgesegnet wird; das wurde aber im Oktober auf Forderung der FIA angepasst. In der Folge verlor die Formel 1 auch den letzten Eindruck sportlicher Gleichheit, denn plötzlich konnten nicht nur einige Teams der Konkurrenz ein Reglement vorlegen - speziell in Hinblick auf die Kosten -, sondern sie erhielten zudem das finanzielle Rüstzeug, um diese zu zerstören.

Die Einnahmenverteilung auf Basis 2014

Das Ergebnis unserer Untersuchung der Finanzen der Formel 1 ist schockierend und beweist, wie ungleich die Formel 1 geworden ist. Während Ferrari einst einen Vorteil in Höhe von fünf Prozent hatte, beträgt der Unterschied zwischen den Teams teilweise 100 und möglicherweise sogar 200 Prozent, wenn man die bevorzugtesten Teams (Ferrari und Red Bull) und das bestplatzierte Privatteam (Force India) vergleicht.

Da ist die Frage erlaubt: Welche Rolle spielt eigentlich die FIA? Auf den Punkt gebracht: Der Automobil-Weltverband muss laut Verträgen zwischen der EU-Kommission, der FOM und der FIA unter Mosley die wirtschaftliche und die sportliche Gewalt trennen, während die Einnahmen aus dem Verkauf der Rechte für 113 Jahre an die in London sitzende FIA-Stiftung gehen.

Bevor wir aber diesbezüglich wirklich ins Detail gehen ein paar Hintergrundinformationen: Die grundsätzlichen Zahlungen in der Formel 1 basieren auf Schedule 10 des Concorde-Agreements 2010 bis 2012, das sich im Hinblick auf die Einnahmen auf drei Säulen bezieht. Bei der dritten Säule werden maximal zehn Millionen Dollar an Teams ausgeschüttet, die es im Jahr davor nicht in die Top 10 geschafft haben.

Nach welchem Schlüssel die Gelder verteilt werden

Nach dem Caterham-Aus spielt das keine Rolle mehr, aber die Ankunft des Haas-Teams im Jahr 2016 könnte für eine Wiedereinführung der dritten Säule sorgen. Die restliche Einnahmenverteilung wird mittels eines komplexen Verfahrens berechnet, das den Endstand der Konstrukteurs-WM der vergangenen drei Jahre als Basis nimmt (Säule 1) und dazu die Leistung in der vergangenen Saison (Säule 2) heranzieht.

Jede Säule besteht aus 50 Prozent des Topfes, der wiederum mit ungefähr 50 Prozent der Einnahmen des Sports gefüllt wird - dabei handelte es sich 2014 insgesamt um ungefähr 1,27 Milliarden US-Dollar, der Topf der Säulen 1 und 2 besteht also aus 635 Millionen US-Dollar. Demnach teilen sich die Teams, die es in den vergangenen drei Jahren zumindest zweimal in die Top 10 geschafft haben, den Betrag in Säule 1 zu gleichem Maße.

Nico Hülkenberg

Teams wie Force India leiden enorm unter der Einnahmenverteilung Zoom

Säule 2 wird nach folgendem Schlüssel verteilt:

01. 19 Prozent
02. 16 Prozent
03. 13 Prozent
04. 11 Prozent
05. 10 Prozent
06. 9 Prozent
07. 7 Prozent
08. 6 Prozent
09. 5 Prozent
10. 4 Prozent

Erhebliche Bonuszahlungen sorgen für Ungleichheit

So weit, so gut - alles sieht ausgeglichen aus und basiert auf einer Mischung aus Leistungen der vergangenen drei Jahren und dem Ergebnis der vorangegangenen Saison. Das war es dann aber auch schon mit der Gleichheit, denn zusätzlich zu den 50 Prozent - 635 Millionen US-Dollar im Jahr 2014 -, die sich alle Teams teilen, schüttet CVC weitere 250 Millionen US-Dollar an die fünf bevorzugten Teams aus. Ferrari erhält davon 98 Millionen US-Dollar.

Während das italienische Team im Vorjahr wegen seiner schlechten Leistungen (Platz vier nach nur zwei Podestplätzen) nur 66 Millionen US-Dollar aus den Säulen 1 und 2 verdiente - was dem entspricht, was Lotus, Force India oder Sauber bei gleichen Ergebnisssen kriegen würden -, gingen wegen des Deals mit der FOM 164 Millionen US-Dollar nach Maranello.


Doku: Milliardenpoker Formel 1

Obwohl Williams ebenfalls zu den privilegierten fünf Teams zählt und eine bewegte Historie hinter sich hat, erhält man für Platz drei 83 Millionen US-Dollar. Das ist die Hälfte von Ferrari, obwohl man die Roten aus Maranello geschlagen hat. Anders gesagt: Wären alle Gelder in gleichem Maße an die zehn Teams verteilt worden (883 Millionen US-Dollar), dann würde Williams einen viel größeren Anteil (88 Millionen US-Dollar) für den dritten Platz erhalten.

Ungleichheit sogar unter den privilegierten Teams

Es gibt aber noch andere Unregelmäßigkeiten: McLaren erhält für Platz fünf 98 Millionen US-Dollar, also 15 Millionen mehr als Williams für den dritten und fast 40 Millionen mehr als Force India für den sechsten Rang. Pro WM-Punkt gerechnet verdiente Ferrari 2014 760.000, McLaren 540.000, Red Bull 385.000, Williams 260.000 und Force India 388.000 US-Dollar.

Fernando Alonso, Felipe Massa

Williams erhält weniger Geld als McLaren, obwohl man im Vorjahr viel stärker war Zoom

Gibt es noch Fragen, warum Ferrari und McLaren aktiv gegen die Senkung der Kosten auftreten, während die Privatteams ums Überleben kämpfen? In Anbetracht dieser Zahlen gibt es überhaupt keinen Grund, warum sich Teams wie Force India, Sauber oder Lotus (und Manor-Marussia) für ihre finanzielle Situation schämen sollten.

Übersicht FOM-Einnahmen der Teams auf Basis 2014

01. Red Bull (156 Mio. = 82 Mio. aus Säulen 1/2, 74 Mio. Bonus)
02. Ferrari (164 Mio. = 67 Mio. aus Säulen 1/2, 97 Mio. Bonus)
03. Mercedes (126 Mio. = 92 Mio. aus Säulen 1/2, 34 Mio. Bonus)
04. McLaren (98 Mio. = 63 Mio aus Säulen 1/2, 34 Mio. Bonus)
05. Williams (83 Mio. = 73 Mio. aus Säulen 1/2, 10 Mio. Bonus)
06. Force India (60 Mio. aus Säulen 1/2)
07. Toro Rosso (54 Mio. aus Säulen 1/2)
08. Lotus (51 Mio. aus Säulen 1/2)
09. Marussia (48 Mio. aus Säulen 1/2)
10. Sauber (44 Mio. aus Säulen 1/2)

Mit dieser Struktur hat CVC die Formel 1 als Teil des Ausstiegsplans versehen, aber der Ecclestone-Gerichtsprozess (und düstere Aussichten auf dem Markt) zerschlug den geplanten Börsengang, weshalb man die Anteile von über 60 Prozent auf ein bisschen mehr als die Hälfte reduzierte. Als Mehrheitseigentümer trägt man aber nach wie vor die Hauptlast eines Businessmodells, von dem man sich rasch trennen will.

Es kommt aber noch schlimmer: Laut diverser Quellen hat Mercedes beträchtliche Bonuszahlungen für einen zweiten WN-Titel herausgehandelt - und das gilt derzeit als wahrscheinlich. 2012 hatte sich Mercedes wegen der damals bescheidenen Leistungen mit weniger zufrieden geben müssen.

Spezieller Mercedes-Deal bei zweitem Titelgewinn?

Obwohl ein Mercedes-Entscheidungsträger in Spanien von einer Existenz dieser Bonusgelder nichts wissen wollte, gab er auch keine weiteren Einblicke. Die Anzeichen deuten darauf hin, dass es sich um 40 Millionen US-Dollar pro Saison handelt, wodurch die Einnahmen des Teams von 125 Millionen US-Dollar auf das Niveau von Ferrari und Red Bull steigen würden. Für CVC ist es noch besorgniserregender, dass man damit Gelder anzapft, die eigentlich für Investoren gedacht waren.

Dadurch wird es für die FOM immer schwieriger, sich der schwierigen Situation der Privatteams anzunehmen. Und das, obwohl man bei 1,2 Milliarden US-Dollar bereinigter Erträge mehr als 1,6 Milliarden US-Dollar Umsatz macht. Wirklich verrückt ist aber, dass man an alle Teams pro Jahr eine Milliarde US-Dollar ausschüttet, was pro Team im Schnitt 100 Millionen US-Dollar ergeben würde. Dennoch kann die Hälfte des Feldes seine Rechnungen nicht bezahlen und muss Bezahlfahrer engagieren, die nicht wegen ihrer Leistungen am Start stehen.

Lewis Hamilton, Nico Rosberg

Hat sich Mercedes für den zweiten WM-Gewinn Bonuszahlungen gesichert? Zoom

Wen wundert es da noch, dass der Grand Prix von Spanien in einigen Märkten die niedrigsten Einschaltziffern seit mehr als einem Jahrzehnt hatte und Donald Mackenzie (CVC-Mitgründer und Vorsitzender) heute an der Sitzung der Strategiegruppe teilnehmen wird?

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