• 23.05.2015 14:54

  • von Craig Scarborough

Formel-1-Technik Monaco: Wenn Kühlung wärmen muss

Streetstyle in der Königsklasse: Mercedes konzentriert sich mit dem W06 auf aerodynamische Spitzfindigkeiten, während bei Ferrari Bremsen im Fokus sind

(Motorsport-Total.com) - Als eine Strecke, die im Formel-1-Kalender ihres Gleichen sucht, bedeutet ein Rennen in Monaco nicht nur für die Piloten, sondern auch für die Designer und Ingenieure eine außergewöhnliche Herausforderung. Nach fünf Grands Prix auf eher "normalen" Kursen ist die Hatz durch das Fürstentum für die Teams die erste Gelegenheit, um mit einem Spezialpaket zu operieren: Gefragt ist eine sehr spezielle Abstimmung mit maximalem Abtrieb, erhöhter Bodenfreiheit und größerem Lenkwinkel.

Titel-Bild zur News: Sebastian Vettel

Die engen Straßen Monacos machen es nötig, ein besonderes Setup zu wählen Zoom

In diesem Jahr sind die niedrigeren Temperaturen ein wichtiger Faktor - gerade deshalb, weil der neue Supersoft-Reifen sich anders verhält und im Vergleich zu seinem Vorgänger etwas härter ist. Hinzu kommt, dass das Renault-Lager vor Strafversetzungen in der Startaufstellung zittert. Drei der vier Red-Bull- respektive Toro-Rosso-Piloten nutzen bereits eine vierte Komponente in ihrem Monaco-Antriebsstrang.

Wegen des hohen Abtriebsniveaus, das in Monacos langsamen Kurven und in Abwesenheit langer Geraden nötig ist, stellen die Teams den Heckflügel maximal steil. Deshalb kommt ein Y100-Monkey-Seat zum Einsatz. Das zusätzliche Flügelchen hilft, den Luftstrom aufrechtzuerhalten. Nach dem Verbot eines im unteren Bereich angebrachten Beam Wings ist es häufiger nötig, den Luftstrom zwischen dem Diffusor und der Unterseite des oberen Teils des Heckflügels mit einem Zusatzflügel in Schwung zu halten.

Auf diese Art wird nicht unmittelbar mehr Abtrieb erzeugt, aber der Luftstrom sorgt dafür, dass sich das Auto konstanter verhält und der Pilot mehr Vertrauen gewinnt. In diesem Jahr haben die Teams Monkey Seats seltener eingesetzt als 2014. Das liegt zum Teil daran, dass die Effizienz der Heckflügel verbessert wurde und auf den stabilisierenden Effekt verzichtet werden konnte. Auch ist allgemein weniger Abtrieb das Rezept. Kritisch ist das wegen der benzinfressenden Motorleistung auf der Geraden, weshalb 2014 weitgehend darauf verzichtet wurde.


Fotostrecke: Die neuen Nasen der Formel 1 2015

Mercedes: Willkommen im Affenhaus!

Nach den Testfahrten in Barcelona, die Mercedes mit den vom Rennwochenende bekannten Updates unternahm, fällt der W06 nur durch einen Rückschritt in Richtung seines Vorgängers W05 auf. Schließlich kehrt in Monaco der große Monkey Seat zurück. Dieser komplexe Flügel, der aus sechs Elementen besteht, war über weite Strecken der Vorsaison am Auto, wurde aber trotz eines Versuchs bei den Testfahrten in diesem Jahr nicht mehr eingesetzt.

Lewis Hamilton

Mit so genanntem Monkey Seat: So fliegt der W06 durch das Fürstentum Zoom

Auch andere Teams kramen das Teil wieder aus der Kiste, aber die 2015er-Version von Mercedes ist an nur einer Stützstrebe befestigt - zuvor waren es noch deren zwei. Die neue Variante wurde bereits bei den Tests erkundet, fiel jedoch durch. Denn debütierten zwei ohrenartige Zusätze in Spanien. Sei waren jedoch nicht dazu gedacht, einen Monkey Seat zu unterstützen, sondern standen in keinem Zusammenhang mit dem Flügelchen. Dabei bleibt es, wenn jetzt weiterhin nur eine einzelne Strebe als Verbindung zum Heckflügel fungiert.

Ferrari: Schächte, Schächte, Schächte

Genau wie Mercedes testete auch Ferrari nach dem Spanien-Grand-Prix seine aus dem Rennen bekannten Aerodynamik-Updates. Die Konfiguration wurde in Monaco übernommen, wobei neue Bremsschächte die Quadratur des Kreises erledigen sollen - nämlich sowohl die Bremsen kühlen als auch das Aufwärmen der Vorderreifen erlauben. Die vielen Bremspunkte in Monaco machen zusätzliche Kühlung nötig, weshalb Ferrari für einen zusätzlichen Luftstrom am Bremssattel sorgt.

Noch auffälliger ist der Schacht, der rund herum um die vordere Bremsscheibe verläuft und bis zu den drei äußeren Kolben des Sattels reicht. Von außen nicht sichtbar scheint ein ähnlicher Kanal innerhalb des äußeren Bremsschachtes die drei inneren Kolben zu versorgen. Ein weiterer Unterschied ist ein Umgehungsschacht, der vorbei am vorderen Bremsschacht verläuft. Er soll nicht kühlen, sondern ist ein Aerodynamik-Teil, um mehr Luft durch das Rad nach außen dringen zu lassen. Der Effekt gleicht einer angeblasenen Vorderachse.

Kimi Räikkönen

Bei Ferrari wurde eifrig an den Bremsen getüftelt - mit nur mäßigem Erfolg Zoom

Dieser Schacht ist größer und ummantelt einen großen Teil der Bremsscheibe. Das fängt viel Hitze ab und hält sie von den Rädern respektive den Reifen fern. In Monaco fällt dieser Schacht kleiner aus und hat zusätzlich ein umschlossenes Loch, welches es erlaubt, die Hitze der Bremse auf das Rad abzustrahlen und so die Temperatur der Vorderreifen zu erhöhen. Der Kompromiss mit dem kleineren Umgehungsschacht reduziert den aerodynamische Effekt. Da es in Monaco aber mehr um mechanischen als aerodynamischen Grip geht, halten sich die Nachteile in Grenzen.

Force India: Kleiner Vorgeschmack auf große Neuerungen

Nachdem das Team sein großes Aero-Paket nicht vor dem Österreich-Grand-Prix im Juni bringen wird, halten sich die Neuerungen am VJM08 in Grenzen. Monaco zeigt aber einen Vorgeschmack auf die Updates, die aus dem Kölner Toyota-Windkanal kommen. Ein in veränderter Position angebrachter Bremsschacht könnte ein Schlüssel zu künftigen Entwicklungen sein. Denn seit geraumer Zeit war das Teil bei Force India in Drei-Uhr-Position angebracht, damit die Schächte vor der Vorderachse lagen.

Nico Hülkenberg

Nico Hülkenberg muss auf die großen Updates warten - mal wieder Zoom

Jetzt wurde die entgegengesetzte Neun-Uhr-Position gewählt. In Sachen Bremsen, mechanische Steifigkeit und Gewichtsverteilung macht das keinen Unterschied. Vermutlich hängt das mit der Aerodynamik zusammen. Wie bei vielen anderen Autos ist der veränderte Schacht dazu gut, einen großen Umgehungsschacht anzubringen. Er soll den Luftstrom um den Frontflügel begünstigen. Der wirkliche Effekt ist jedoch nicht sichtbar, ehe das ganze neue Aero-Paket eingeführt wird.

Lotus: In Monaco (fast) alles beim Alten

Auch bei Lotus wird weiter nur in kleinen Schritten novelliert. Nach Heckflügel-Updates für den E23 in Spanien kommt in Monaco nur eine marginale Veränderung der Fronflügel-Endplatte zum Vorschein. Die Größe der Verwindung hat sich verändert, der Rest ist aber identisch. Größere Neuerungen lassen weiter auf sich warten. Eine neue Nase hat bereits für viele Gerüchte gesorgt, wird aber erst beim anstehenden Rennen in Kanada zum Einsatz kommen.