• 10.05.2015 12:18

  • von Craig Scarborough (Haymarket)

Formel-1-Technik 2015: Viel Neues bei Ferrari und Red Bull

Der Auftakt zum Entwicklungsrennen der Formel-1-Saison 2015 in Barcelona: Ferrari und Red Bull bringen umfangreiche Neuerungen an den Start

(Motorsport-Total.com) - Der Große Preis von Spanien in Barcelona ist traditionell eine Veranstaltung, bei der die Formel-1-Teams umfangreiche Neuerungen einführen. Denn mit diesem Grand Prix beginnt die Europa-Saison und die Übersee-Rennen sind erst einmal vorbei. Deshalb hat in Barcelona fast jedes Team einige Updates auf aerodynamischer und technischer Seite oder für den Antriebsstrang dabei.

Titel-Bild zur News: Sebastian Vettel

Vieles ist neu in Barcelona: Am meisten Neuerungen gibt es beim Ferrari-Team Zoom

Doch in der Formel-1-Saison 2015 blieben einige der großen Änderungen, über die viel spekuliert worden ist, beim Spanien-Rennen aus. Das lag einerseits daran, dass die notwendigen Crashtests nicht bestanden worden sind, andererseits aber auch an dem Wunsch, die neuen Teile beim anstehenden Test an gleicher Stelle erst noch intensiv erproben zu wollen. Dennoch gibt es einige interessante Entwicklungen zu beobachten, schließlich handelt es sich um den Auftakt zum Entwicklungsrennen.

Ferrari

Bei Ferrari wurde ein umfangreiches Update umgesetzt. Neben der Frontpartie und dem Frontflügel wurden auch fast alle weiteren aerodynamischen Elemente einer Evolution unterzogen. Die Liste der Neuerungen ist lang und umfasst die vorderen Bremskühlungen, die seitlichen Windabweiser, die Seitenkästen, den Unterboden, den Diffusor, die hinteren Bremskühlungen und die Endplatten des Heckflügels. Mehr als zwei Drittel der Außenhaut des Fahrzeugs sind neu. Und all dies ist weitaus komplexer als angenommen.

Der Schlüssel zum Erfolg für dieses Paket ist der seitliche Luftfluss um das Auto. Um diesen Luftfluss zu optimieren, hat Ferrari die Seitenkästen verkleinert. Und es wurde ja bereits festgestellt, dass Ferrari die Kühler clever angeordnet hat. Die modifizierten Seitenkästen, deren Schulter nun niedriger angesetzt ist, nutzen diese Installation perfekt aus.

Durch die Absenkung der Seitenkästen entsteht ein Raum zwischen Seitenkasten und Luftleitblech, wodurch der Luftstrom über die Seitenkasten zum Heck des Autos geleitet wird. Ein ähnliches Konzept hat das Sauber-Team ausprobiert, als Coanda-Auspuffsysteme noch erlaubt waren.

Um den veränderten Luftfluss an den Seiten des Fahrzeugs zu unterstützen, wurden an der Bremskühlung der Vorderachse mehr kleine Luftleitbleche angebracht. Ganz neu sind auch die seitlichen Windabweiser. Der Unterboden wurde vor den Hinterrädern mit drei Einschnitten versehen. Diese präsentieren sich wesentlich ausgefeilter als der bisherige Einschnitt in L-Form. Am äußeren Ende des Diffusors gibt es nun auch eine kleine, flügelähnliche Vorrichtung.

Sebastian Vettel

In der Seitenansicht: Auch zwischen Frontpartie und Seitenkästen gibt's Neues Zoom

Kurz und knapp: In diesem Paket steckt einiges drin. Das bedeutet aber auch, dass sehr viel überprüft und eingestellt werden muss. Und entsprechend umfangreich ist die Fehlersuche, wenn es mal nicht so läuft wie geplant. Bisher haben die veränderten Strukturen und Abläufe bei Ferrari aber gut funktioniert und die neuen Teile haben von Anfang an positive Wirkung gezeigt.

Red Bull

Schon seit der Vorstellung des Fahrzeugs hieß es, die Frontpartie würde alsbald überarbeitet werden. Es gab wilde Spekulationen über die Dauer und Anzahl der Crashtests. Und jetzt wurde uns endlich die neue, verkürzte Nase präsentiert. Kürzere Nasen sind von Haus aus schwieriger für Crashtests. Denn durch die verkleinerte Dimension ist es wesentlich schwieriger, den Aufprall innerhalb der erlaubten Vorgaben zu absorbieren.

Das aerodynamische Konzept von Red Bull wurde um eine kürzere Nase herumentwickelt. Doch weil eben diese vor Saisonbeginn beim Crashtest versagte, musste das Team zunächst auf eine längere und damit konservativere Nasenform zurückgreifen. Diese kam bei den bisherigen vier Rennen zum Einsatz. Ein Großteil der aerodynamischen Gesamtleistung des Fahrzeugs wurde daher durch die andere Nase beeinträchtigt. Jetzt, wo die kürzere Nase endlich da ist, sollte auch das restliche Auto besser funktionieren.

Bei der neuen Frontpartie handelt es sich schlicht und ergreifend um eine verkürzte Version der bisherigen Nase. Geblieben sind neben der knolligen Nasenspitze auch die gewölbten Streben der Frontflügel-Halterung. Doch statt über den Frontflügel hinauszuhängen, beginnt die Nase nun direkt über dem Ende des Flügels. Das bedeutet eine Verkürzung der Nasenpartie um etwa zehn bis 15 Zentimeter. Damit wird ein besserer Luftstrom über der Fahrzeugmitte erzeugt. Und die neuen, etwas mehr gewölbten Flügelhalterungen tragen noch mehr zum Luftfluss an den Flanken des Autos bei.

Daniel Ricciardo

In der Vogelperspektive ist die verkürzte Red-Bull-Nase sehr gut zu erkennen Zoom

Um die neue Nase am Fahrzeug umzusetzen, wurde der Einlass des S-Schachts verändert. Er ragt jetzt um fünf bis zehn Zentimeter weiter nach vorn. Daher wurde die Frontpartie teilweise eingekerbt, um entsprechend Raum zu schaffen.

Mercedes

Bei Mercedes gab es nur geringfügige Veränderungen am Auto. Es wurden keine großen Neuteile nach Barcelona mitgebracht, sondern vielmehr Details, um die Updates der Vergangenheit noch zu verfeinern. Kleinere Teile wurden seitlich des Cockpits und an der hinteren Crashstruktur angebracht. Die Seitenkästen haben eine neue Kühlungsöffnung erhalten. An der vorderen Bremskühlung ist ein Luftleitblech dazugekommen.

Das Interessanteste an all diesen Neuerungen sind wahrscheinlich die Finnen, die seitlich am Chassis bei den Windabweisern angebracht sind. Solche Vorrichtung gab es früher schon, allerdings vor dem Einlass der Seitenkästen. In der Mercedes-Version sind diese Teile unterhalb des Lufteinlasses befestigt. Sie sollen den Luftstrom effizienter unter den Seitenkästen hindurchleiten, sodass die Aerodynamik am Heck verbessert wird.

Nico Rosberg

Bei Mercedes wurde das Auto in diesem Bereich nur geringfügig modifiziert Zoom

Die kleinen ohrenförmigen Zusätze an der hinteren Crashstruktur scheinen als Ankerpunkte für ein "Monkey-Seat"-Flügelchen zu dienen, das im Training allerdings keine Verwendung fand. An der unteren Kante der Seitenkästen wurde ein neuer Lufteinlass eingebaut. Er befindet sich auf der Höhe des Unterbodens und im hinteren Bereich der Seitenkästen. Damit könnte Mercedes einige Teile von Kupplung oder Getriebe kühlen.

Beide Mercedes-Fahrzeuge waren mit einem neuen Luftleitblech an der Innenseite der vorderen Bremskühlung ausgestattet. Dabei handelt es sich um ein dünnes Kohlefaserteil, das zunächst eine vertikale Form aufweist, sich im oberen Abschnitt aber nach außen biegt und so eine flügelähnliche Form bildet. Dadurch wird der Luftstrom hinter das Vorderrad gelenkt, wo wenig Druck herrscht. So soll der Luftwiderstand reduziert werden.

Williams

Hier sind mehr Veränderungen erwartet worden. Die einzigen sichtbaren Neuerungen sind modifizierte Finnen an der Spitze der Seitenkästen. Es gibt nun mehr davon: Zwischen Seitenkasten und Cockpit sind jeweils drei dieser Finnen angebracht. Das Team fuhr außerdem mit Signalfarben am Frontflügel und an der vorderen Bremskühlung, was darauf hindeutet, dass es auch in diesen Bereichen kleinere Veränderungen gab.

McLaren

Abgesehen von der neuen Farbgebung hat McLaren noch weitere sichtbare Veränderungen am Fahrzeug vorgenommen. Unter der Haube hat Honda weitere Modifizierungen am Motor eingeführt, allerdings ohne dabei auf einen Token zurückgreifen zu müssen. Die Regeln für den Antriebsstrang besagen, dass es den Teams gestattet ist, neue Teile zu verbauen, sofern dadurch die Sicherheit erhöht, die Kosten reduziert oder ein Zuverlässigkeitsproblem gelöst werden.

Jenson Button

Schwarzer Ritter: Als erstes sticht bei McLaren die neue Farbgebung ins Auge Zoom

Weil McLaren-Honda ganz offensichtlich ein Problem mit der Standfestigkeit hat, können sie jederzeit neue Spezifikationen nutzen. Sobald dann die Zuverlässigkeit stimmt, müssen sie jedoch auf Token zurückgreifen, um die Leistung zu optimieren. Das Team hat übrigens auch eine neue Benzinmischung von Exxon-Mobil erhalten und kleinere aerodynamische Updates am Auto umgesetzt.

Sauber

Der neue Frontflügel kam am Freitag nicht zum Einsatz. Geblieben sind hingegen die überarbeiteten Bremskühlungen und die hintere Radaufhängung, die bereits in den vergangenen Rennen genutzt wurden. Dazugekommen sind kleinere Details an der Schulter der Seitenkästen.

Zwischen dem Cockpit und dem Luftleitblech an den Seitenkästen wurde ein neues horizontales Luftleitblech installiert. Dadurch wurde eine neue Finne unter dem Rückspiegel erforderlich. Diese Teile wurden bis Spanien zurückgehalten, weil sie erst ins Chassis eingepasst werden mussten. Dergleichen ist bei den Übersee-Rennen nicht praktikabel.

Marcus Ericsson

Blick auf die Seitenkästen am Sauber von Marcus Ericsson in Barcelona Zoom

Toro Rosso

Die einzige auffällige Veränderung am Auto ist die Vorderkante des Unterbodens, wenngleich Toro Rosso für dieses Rennen auch einen komplett neuen Unterboden eingeführt hat. Bisher gab es darüber hinaus eine kleine Kante an der Außenseite des Splitters. Jetzt ist diese Kante in drei einzelne Luftleitbleche aufgeteilt. Diese helfen den Haupt-Windabweisern und Luftleitblechen dabei, den Luftstrom um die Seitenkästen zu lenken.