• 14.03.2015 10:28

  • von Craig Scarborough (Haymarket)

Formel-1-Technik Melbourne: Lotus hat ein Loch im Tank!

Ein Blick auf die technischen Feinheiten der Autos für die Saison 2015: Wieso die Kühlung im Vordergrund steht und Rückkehrer Manor-Marussia rotzfrech ist

(Motorsport-Total.com) - Zum Auftakt des Australien-Grand-Prix waren die neuen Formel-1-Boliden erstmals in voller Pracht zu sehen, ohne dass die Teams ihre Garagen hätten verbarrikadieren können. Das war bei den Testfahrten noch erlaubt, ist im Rennbetrieb aber verboten. Bei vielen Mannschaften wurden Updates der Aerodynamik und des Chassis erwartet, viele waren aber konservativer - obwohl die ersten Sessions bereits einige technische Innovationen offenbarten, die in Barcelona so nicht zu erkennen waren.

Titel-Bild zur News: Lewis Hamilton

Der neue Mercedes ist weiter der letzte Schrei der Formel-1-Mode Zoom

Mercedes

Der W06 ist wie erwartet konkurrenzfähig, obwohl es für Melbourne keine sichtbaren Updates gab. Im neuen Auto stecken Ideen des vergangenen Jahres, die übernommen wurden. Genauer gesagt geht es dabei um den nahtlosen Einbau von Antriebsstrang und Elektronik. Mercedes nutzt einen Wasser-Luft-Ladeluftkühler für den Turbo, der hinter der hinteren Spritzwand versteckt ist. Der Einbau ist extrem sauber: Zwei Kühler für die Ladeluft "stapeln" sich im linken Seitenkasten.

Mit dem neuen schlauchförmigen Auspuffsystem wagt Mercedes in diesem Jahr einen Vorstoß. Der längliche Auspuff von 2014 gehört der Vergangenheit an. Er war im Grunde genommen ein einziges offenes Rohr von der Absaugöffnung hin zum Turbo. Jetzt hat jeder Zylinder seinen eigenen Auspuff, der bis in ein Verbindungsstück ragt, ehe ein kurzes Rohr zum Turbo führt. Diese Lösung vermindert den Druck des Turbo, erlaubt aber eine bessere Abstimmung des Auspuffs mit Blick auf die einzelnen Zylinder.

Früher lautete die Überlegung: Die längliche Form mit ihrem Turbovorteil bringt mehr als sie dadurch verliert, dass sich der Auspuff nicht spezifisch abstimmen lässt. Die Situation in diesem Jahr ist aber eine andere, also hat Mercedes einen Weg gefunden, um den Ladedruck des Turbo mit einer konventionellen Konstruktion aufrecht zu erhalten. Dazu ist das neue Paket ausladender gestaltet und fordert größere Seitenkästen. Das Auspuffsystem versteckt sich aber und verhindert so aerodynamische Probleme.

Ferrari

Trotz des Trubels um das Mercedes-Antriebspaket des Jahres 2014 hatte auch Ferrari ein sehr enges und logisches Layout für seine einzelnen Komponenten. Es kommt nicht überraschend, dass sich das Team diese Stärke bewahrt, aber auch Bereiche gefunden hat, um sich zu verbessern. Da wäre in erster Linie das Auspuffsystem: Der F14-T hatte lange Umhüllungen des Auspuff, die ihn zum Motor hin verkleideten und mit einer großen, hoch angebrachten Ladedruckregelung über dem Getriebe verbunden waren.

Sebastian Vettel

Bei Ferrari wurden alten Stärken beibehalten, Details aber verfeinert Zoom

Beim SF15-T ist der Auspuff kürzer und enger umschlossen, um durch das Getriebe zu führen und den Turbo von unten zu erreichen. Das verbessert die Fahrbarkeit und hilft der Aerodynamik. Um sich darauf zu konzentrieren, wurden die Kühler in den Seitenkästen neu positioniert. Im vergangenen Jahr erstreckten sich eng anliegende, vertikale Kühler zwischen Motor und Seitenkästen. Sie schufen einen eckigen Ausgang für heiße Luft, was zu bulligen Seitenkästen führte, um sie am Heck aus dem Auto herauszuführen.

Das neue Auto hat Kühler, die konventioneller und flacher gestaltet sind. Das verbessert den Luftstrom durch die Seitenkästen, aber Ferrari ist noch einen Schritt weitergegangen. Ziel war es, den Luftstrom so zu dirigieren, dass die Seitenkästen so klein wie möglich bleiben. Die Kühler erhielten mit Luftschlitzen versehene Bleche an der Ober- und Unterseite, um den Luftstrom umzuleiten. Die Öffnungen im Seitenkasten speisen einen Schacht, der direkt am Kühler sitzt.

Es lässt sich eine Reihe Luftschlitze erkennen, die in den Schacht führen, um den Luftstrom um 90 Grad abzulenken und ihn durch die Mitte des Kühlers zu führen. Außerdem gibt es ein Kohlefaser-Blech mit Luftschlitzen über dem Kühler, das dazu dient, den Luftstrom um weitere 90 Grad umzuleiten und ihn aus dem Ausgang der Seitenkästen herauszuführen. Diese Technik macht den Strom effektiver als große, runde Schächte und Seitenkästen.


Fotos: Großer Preis von Australien


Lotus

Das Team spart sich sein aerodynamisches Update für den Malaysia-Grand-Prix in zwei Wochen. Lotus verfügt daher über ein Auto, das weitgehend der Gestaltung der Testfahrten entspricht. Ein Team aus Enstone fährt erstmals seit 1994 mit einem Motor, der nicht von Renault stammt, denn als die Franzosen sich offiziell aus der Formel 1 zurückgezogen hatten, waren Antriebe basierend auf ihrem V10 in Gebrauch. Daher brachte es eine Reihe von Herausforderung mit sich, das Mercedes-Produkt zu verbauen.

Lotus nutzte die Zäsur für Änderungen: Hauptsächlich geht es um das Kühlungspaket, bei dem Lotus sich für einen Luft-zu-Luft-Ladeluftkühler entschied, der im linken Seitenkasten sitzt. Anders als der Wasser-Ladeluftkühler des Renault verfügt er nicht über die dicken Rohre, die von dem vorne angebrachten Kompressor durch die Seitenkästen zurück in den Zwischenraum auf der Oberseite des Motors führten. Diese Tatsache machte eine komplett überarbeitete Bauweise unabdinglich.

Pastor Maldonado

Mit Mercedes-Power ist Lotus wieder ein ernsthafter Punktekandidat Zoom

Jetzt passiert eines der Kühlerrohre den Bereich um den Tank und bahnt sich seinen Weg nach draußen seitlich des Monocoques. Es wäre interessant zu wissen, wie der Tank innen gebaut ist, um überhaupt Platz für das Rohr zu schaffen.

Red Bull

Charakteristisches Merkmal des RB11 ist die S-Schacht-Nase. Der innere Schacht führt von der Unter- an die Oberseite der Nase. Er speist sich anders als im vergangenen Jahr: Die Nase verfügt über seitliche Öffnungen, die aber nicht den S-Schacht bedienen. Stattdessen wird er von einem anderen Schacht unter der Nase gefüttert. Wozu diesen also seitliche Schlitze? Red Bull hat Ähnliches sowohl für die Kühlung des Piloten - die Luft strömt in Richtung des Fußraums - als auch für die der Elektronik verwendet.

Der Sensor für Temperatur und Geschwindigkeit verbirgt sich einer Aussparung unter dem Chassis. Wahrscheinlich haben die Schächte einen ähnlichen Zweck. Obwohl es ein Auto war, das Rennen gewann, war das Design des RB10 ein Kompromiss. Um genügend Kühler zu verbauen, mussten die Seitenkästen lang und breit sein. Das hatte den Grund, dass die Turbomotoren auf große Ladeluftkühler angewiesen waren. Also ordnete Adrian Newey die Kühler entlang einer langen Leiste an, die vom Cockpit bis zum Getriebe führte.

Daniel Ricciardo

Der neue Red Bull will einmal mehr mit aerodynamischen Clous punkten Zoom

Das erforderte, dass der Auspuff unter den Ladeluftkühlern sitzt, was für das Temperatur-Management nicht ideal ist. In diesem Jahr wurde das Toro-Rosso-Design mit seinem kürzeren Kühlerpakt kopiert. Die Kühler reichen jetzt nur noch soweit zurück, bis die Installation des Motors beginnt. Um für einen Einbau weiter vorne mehr Platz in den Seitenkästen zu schaffen, besitzt der RB11 einen großen Wasserkühler, der über dem Getriebe eingebaut ist und durch einen Eingang unter dem Überrollbügel gespeist wird.

Die neu positionierten Kühler in den Seitenkästen erfordern es, dass die Elektronik unter den Schächten weniger Platz findet. Am ersten Rennwochenende nutzt Red Bull außerdem eine überarbeitete Finne am Frontflügel. Ein kleiner Schnipsel hinter den stufenförmigen Frontflügel-Endplatten ist jetzt zweigeteilt, um eine kleinere Veränderung des Luftstroms zu bewirken.


Fotostrecke: Formel-1-Test 2015: Jerez vs. Barcelona

Williams

Der FW37 ist ein vielversprechendes Auto. Das haben die Tests gezeigt. Verwinkelte Luftleitbleche sind am ersten Rennwochenende neu. Passend zu den späten Upgrades im Aerodynamik-Bereich sind die kleinen hinteren Luftleitbleche vor den Seitenkästen neu. Sie verfügen über zwei vertikale Schlitze. Details haben sich auch an der Innenseite der vorderen Bremsschächte verändert. Ein auffälligeres Upgrade gibt es nicht. Zumindest ist es aber ein Zeichen dafür, dass Williams das Auto 2015 kontinuierlich entwickeln will.

Force India

Er kam spät zu den Tests, der VJM08 ist aber klarerweise ein ganz anderes Auto als das von 2014 - speziell, was die vordere Radaufhängung betrifft. Bei der Präsentation hieß es, es sei eine neue hydraulische Variante verbaut. Dabei handelt es sich um ein passives und nicht verbundenes System, um dem Verbot von FRIC und aktiver Radaufhängung gerecht zu werden. Die Nutzung hydraulischer Federn erlaubt es dem Team, auf Torsionsfedern an der Vorderachse zu verzichten.

Sergio Perez

Kam spät und ohne Torsionsfedern: Der neue Force India VJM08 Zoom

Das bringt Platz um das Monocoque herum und führt dazu, dass die mit ihnen verbundenen Wippen neu positioniert werden können. Bei Force India sieht es so aus, als seien die Wippen selbst an einer anderen Stelle verbaut und als befänden sich im Schwenkbereich vertikale statt horizontale Befestigungen. Das schafft mehr Platz im Fußraum vor dem Piloten, um den Einbau bestimmter Teile enger vorzunehmen.

Manor-Marussia

Die Aufgabe, ein 2014er Auto in eines nach 2015er Maßstäben zu verwandeln, war eine gewaltige. Die Regeländerungen für dieses Jahr waren neue Abmessungen der Nase, größere Crashstrukturen, eine minimale Neigung ab der vorderen Spritzwand und neue Mechanismen zur Befestigung der Räder. Es wurden drei dieser Regeländerungen mit neuen Teilen bewerkstelligt. Das Team hat die Bestimmungen clever interpretiert und ist der kniffligen Regel bezüglich der vorderen Spritzwand mit einem Abstandshalter vorne am Auto gerecht geworden.

Marussia

Fährt nicht, ist aber ganz schön raffiniert: Der neue als Manor-Marussia Zoom

Im vergangenen Jahr durfte die Spitze des Chassis maximal 625 Millimeter hoch sein und die vordere Spritzwand musste bei 525 Millimetern liegen. Um das Chassis so hoch wie möglich zu gestalten und sich die entsprechenden aerodynamischen Vorteile zu sichern, entscheiden sich viele Teams für die identische Lösung: eine bis zur vorderen Spritzwand auf kurzer Strecke stark abfallende Konstruktion.

Die Regeln verfügen außerdem, dass der sich neigende Teil länger als 375 Millimeter sein muss. Es war zu erwarten, dass der aggressiv abgestufte Marussia ohne gewaltige Strukturveränderungen am Monocoque nicht den Regeln entsprechen würde. Das Team hat die vordere Spritzwand um 300 Millimeter nach vorne verlegt und dafür einen Abstandshalter aus Kohlefaser genutzt.

Roberto Merhi

An Roberto Merhis Dienstagen wird geschraubt, geschraubt, geschraubt Zoom

Dieser erinnert an eine angeschraubte Raketenspitze, ist aus Regelsicht aber ein vollwertiger Teil der Überlebenszelle und formt die normale Spritzwand mit. Der Abstandshalter erlaubt es, dass die Abstufung von der Spritzwand zum Chassis innerhalb der regelrechten Länge vorgenommen werden kann. Das ist eine freche, aber sichere und legale Lösung, die es verhindert, dass das alte Chassis einer kompletten Revision unterzogen werden muss.

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