• 14.03.2015 19:06

  • von Dominik Sharaf

Die Dynastien der Formel 1: Elfmal blieb es in der Familie

Die Verstappens gehen am Sonntag als elftes Vater-Sohn-Gespann der Geschichte in ein Rennen: Erfolgsstorys und Reinfälle aus motorsportlichen Familienalben

(Motorsport-Total.com) - Am Sonntag heißt es beim Formel-1-Saisonauftakt im australischen Melbourne "Leinen los!" für die Toro-Rosso-Rookies Max Verstappen und Carlos Sainz jun. Beide eint nicht nur ihr Talent, sondern auch, dass sie einen im Motorsport berühmten Vater haben. Ob es in den Genen liegt, ob das frühe Heranführen an die Kartszene der Grund ist oder ob schlichtweg Geld und Kontakte die entscheidende Rolle spielen: Große Dynastien in der Königsklasse sind alles andere als ein neues Phänomen.

Titel-Bild zur News: Graham und Damon Hill

Graham und Damon Hill: Die einzigen Weltmeister aus einer Familie Zoom

In ihrer 64-jährigen Geschichte zählte die moderne Formel 1 elf Vater-Sohn-Gespanne - unter der Voraussetzung, dass Erzeuger und Filius als Einsatzfahrer an den Grand-Prix-Start rollten. Nur eine Familie fuhr WM-Titel in zwei Generationen ein, zwei weitere brachten zwei Rennsieger hervor. Viele weitere klopfen an die Tür zur Beletage des Motorsport oder schrammten knapp daran vorbei, sich doppelt in die Annalen einzutragen. Allerdings: Auf ein Vater-Sohn-Enkel-Kombination wartet die Szene bis heute.

Die vielleicht prominenteste, mit Sicherheit aber erfolgreichste Familie sind die Hills: Graham, der von 1958 bis 1975 in der Königsklasse aktiv war, schien mit seinen zwei WM-Kronen und 14 Siegen in 176 Rennen lange eine zu große Bürde für seinen einzigen Sohn. Damon, nach dem Tod des Vaters bei einem Flugzeugabsturz zu Hause mit seiner Mutter Bette und seinen zwei Schwestern alleine unter Frauen, biss sich trotz einer finanziell schwierigen Jugend durch und wurde 1996 selbst Champion.

Die Hills: Ruderblätter, zwei Weltmeister und ein Musiker

Vielleicht dank des Helmdesigns mit den Ruderblättern, das er als Familientradition übernahm? Damons eigener Sohn Joshua knüpfte während seiner Motorsport-Karriere daran an und war als Pilot im Formelsport sehr erfolgreich. Doch er entschied sich für seien zweite große Leidenschaft und wählte eine Laufbahn als Berufsmusiker, sodass die Formel 1 auf eine Dynastie mit drei Generationen weiter warten muss.

Graham und Damon Hill

Bei den Hills war Motorsport Familiensache: Den kleinen Damon freut's Zoom

Es hätte längst eine zweite Weltmeister-Familie geben können: Gilles Villeneuve, Ausnahmekönner am Volant und Enzos Ferraris liebstes Kind, kam auf seinem Weg zum Ruhm das Schicksal zuvor. Im Mai 1982 zerstörte der Unfall von Zolder den Traum, dass erstmals in der Geschichte ein Kanadier die Formel-1-Krone gewinnt. Doch 1997 brachte der auch in Monaco und der Schweiz aufgewachsene Jacques - benannt nach Gilles' jüngerem Bruder, der ebenfalls Rennfahrer war - das Werk zu Ende.

Die Rosbergs: Zwischen Finnland, Wiesbaden und die Cote d'Azur

Was nicht ist, kann noch werden - denken sich die Rosbergs. Vater Keke, der lange JJ Lehto und Mika Häkkinen managte, widmete sich auch erfolgreich der Karriere seines Sohnes. Mit den Tipps von Papa, dem Weltmeister von 1982, ging es für den dank Mutter Sina in Wiesbaden geborenen Nico über das monegassische Kinderzimmer zu Williams sowie später zu Mercedes in die Formel 1. Den ganz großen Coup hat er nach 2014 nicht abgeschrieben. Die Rosbergs sind übrigens das einzige Tandem, das unter verschiedenen Nationalitäten in der Königsklasse antrat.

Nico und Keke Rosberg

Nico & Keke Rosberg: Dem Sohn zuliebe gibt der Vater keine Interviews mehr Zoom

Die Rosbergs sind aber nicht das einzige mit deutscher Beteiligung: Schon Hans-Joachim Stucks Vater Hans fuhr zwischen 1951 und 1953 in der Formel 1. Der in Warschau geborene "Bergkönig" und Silberpfeil-Pilot brachte es nur auf drei Starts, war für seinen Filius aber eine Inspiration und der große Mentor auf der Nürburgring-Nordschleife. "Strietzels" Formel-1-Karriere erlebte Hans mit Ausnahme der letzten Saison mit. Seine eigenen Söhne Johannes und Ferdinand zog es in den Motorsport, letztlich aber nicht in das Monoposto-Geschäft.

Die Andrettis: Nur ein Sieger aus der "Victory Lane"

Anderes hielt das Schicksal für die Winkelhocks bereit: Manfreds Tod bei einem Sportwagen-Rennen 1985 im kanadischen Mosport verhinderte, dass er die Karriere seines Sohnes Markus miterlebte. Mit seinen ebenfalls im Motorsport aktiven Onkeln Joachim und Thomas hatte der damals fünf Jahre alte Stuttgarter genügend Ratgeber in der Familie, die seinen einzigen, aber denkwürdigen Deutschland-Grand-Prix auf dem Nürburgring miterlebten: Als Markus als Ersatz für Christijan Albers bei Spyker das Chaosrennen anführte.

Marco, Michael und Mario Andretti

Marco, Michael und Mario Andretti: Das Dreierpack wohnte in der "Victory Lane" Zoom

Die großen Fußstapfen ihrer Väter gar nicht füllen konnten andere Söhne: Michael Andretti ist einer von ihnen. Der US-Amerikaner hatte bei McLaren in der Saison 1993 seine große Chance, doch außer einem Podiumsplatz machte er als Teamkollege Ayrton Sennas nichts daraus. Jedoch war mit dem als Ersatz verpflichteten Mika Häkkinen im Hintergrund die Atmosphäre im Team von Anfang an schlecht. Die Erfolge Marios, gebürtiger Italiener, Weltmeister von 1978 und zwölffacher Grand-Prix-Sieger, waren unerreichbar.

In den USA ist der Nimbus der Dynastie dennoch ungebrochen und wird vom jüngsten Spross Marco weiter am Leben erhalten. Wegen des früheren Familienanwesen in Nazareth im US-Bundesstaat Pennsylvania änderte die Stadt sogar den Namen der Straße. Nach Einzug der Andrettis hörte sie auf "Victory Lane".


Fotostrecke: Wie der Vater, so der Sohn

Die Piquets: In zwei Generationen unbeliebt

Auch Nelson Piquet jun. schaffte sich durch "Crashgate" 2008 in Singapur zwar ein Vermächtnis, aber kein glorreiches. Der nicht mehr gerne gesehene Brasilianer, geboren in Heidelberg, bestreitet seine Karriere nach 28 weitgehend erfolglosen Grands Prix mittlerweile in der NASCAR-Serie und der Formel E. Sein Vater Nelson, als chronischer Testmuffel und Teamkollege mit fiesen Tricks gebrandmarkt, bleibt dank drei WM-Titeln eine der großen Legenden der Formel 1. Auch, weil er vor dem einst von einem Magen-Darm-Infekt geplagten Nigel Mansell das Klopapier versteckte.

Nelson und Nelsinho Piquet

Nelson und Nelsinho Piquet: Im Aushecken sind die beiden traditionell stark Zoom

Das zweite brasilianische Gespann kommt aus dem Hause Fittipaldi: Christian ist aber nicht der Sohn des zweimaligen Champions Emerson, sondern der Nachwuchs von dessen Bruder Wilson. Der gebürtige Paulista war zwischen 1972 und 1975 ebenfalls in der Formel 1 aktiv, zum Schluss sogar als Teammitbesitzer. Als Manager und erfolgreicher Geschäftsmann förderte er die Karriere seines Filius, der es in den Diensten Minardis und Footworks immerhin auf 40 Starts und zwölf WM-Punkte brachte. Mehr Erfolg bescherte Christian die US-Szene.

Die Brabhams und die Nakajimas: Erfolge außerhalb der Formel 1

Noch ein Fall der Enttäuschten: David Brabham knüpfte als Pilot im Familienteam und bei Simtek nie an den Ruhm an, den sein Vater Jack der Sippe mit zwei WM-Titeln und dem Schieben seines Autos über die Ziellinie von Sebring brachte. Der begnadete Konstrukteur und Ingenieur, oft als Eigenbrötler und Technokrat verschrien, erlebte dennoch Erfolge des Filius mit, etwa beim Gesamtsieg bei den 24 Stunden von Le Mans 2009. Übrigens ist David nicht in Australien, sondern in London geboren, wohin der Vater einst mit dem Traum von der Karriere als Berufsrennfahrer ausgewandert war. Mittlerweile werkeln dort ein gewisser Sam und ein gewisser Matthew an ihrer Laufbahn.

Jack und David Brabham

Früh übt sich: Im Hause Brabham wurde der Erfolg nicht vererbt Zoom

Noch ein Sportwagen-Ass: Kazuki Nakajima ist als Toyota-Werkspilot in der Langstrecken-WM (WEC) mittlerweile eine etablierte Motorsport-Größe, blieb in seinen vollen Formel-1-Jahren 2008 und 2009 bei Williams jedoch hinter seinen Möglichkeiten zurück. Vater Satoru holte mehr WM-Punkte und drehte sogar einmal die schnellste Rennrunde. Heute ist er in Japan Teambesitzer und widmet sich der Karriere seines zweiten Sohnes Daisuke, der in der Super-GT-Serie und der Super Formula aktiv ist.

Bleiben zwei Geschichten, die es noch zu schreiben gilt: Die der Magnussens begann mit einem hochgradig begabten, aber letztlich zu undisziplinierten Vater. Jan, er als Teenager den legendären Britischen Formel-3-Rekord Ayrton Sennas brach und fortan als Supertalent galt, scheiterte am Erwartungsdruck und den Versuchungen des Partylebens. Auch Sohn Kevin hielt sich nach seinem McLaren-Jahr 2014 nicht im Stammcockpit, hat den Kampf um den Lebenstraum aber nicht aufgegeben - auch, weil es für ein zurückhaltendes Freizeitverhalten und sein Dasein als Nichtraucher einen alten Chevrolet Camaro als Belohnung von Papa gab.

Jan Magnussen

Jan Magnussen und sein Sohn Kevin: Der Däne ist noch ein heißer Formel-1-Tipp Zoom

Jos und Max Verstappen müssen nicht das letzte Duo bleiben, schließlich kurven in den Testcockpits und in den Nachwuchsserien längst gewisse Herren namens Palmer oder Cecotto.