• 15.01.2015 13:13

  • von Jonathan Noble (Haymarket)

Die Kriegsschauplätze von Mercedes in der Saison 2015

Auf dem Weg zur Titelverteidigung sieht sich das Mercedes-Team in der neuen Formel-1-Saison verschiedenen Gefahren ausgesetzt

(Motorsport-Total.com) - Nach einer derart dominanten Vorstellung im vergangenen Jahr ist es keine Überraschung, dass Mercedes auch in der Formel-1-Saison 2015 der klare Favorit auf den WM-Titel ist. Doch die Formel 1 ist ein schnelllebiges Geschäft. Wie man bei Red Bull im vergangenen Jahr herausfand, ist es sehr einfach, von der Spitze verdrängt zu werden. Dabei spielt es keine Rolle, wie groß der Vorsprung war.

Titel-Bild zur News: Lewis Hamilton, Toto Wolff

Lewis Hamilton und Co. befinden sich in diesem Jahr in der Rolle des Gejagten Zoom

Mercedes war auf das Zeitalter der neuen V6-Turbomotoren wesentlich besser vorbereitet als die Gegner. Dies war letztlich ein Schlüsselfaktor im Hinblick auf den Vorsprung, den die Silberpfeile in der Saison 2014 hatten. Die Konkurrenz jedoch hat ihre Lehren gezogen und während der zurückliegenden Monate alles getan, um stärker zurückzukehren und Mercedes vom Thron zu stoßen.

In Brackley gibt man sich keiner Illusion hin, dass es in diesem Jahr schwieriger wird. Nachfolgend die entscheidenden Kriegsschauplätze, auf denen sich Mercedes bewähren muss, um die Pokalsammlung zu vergrößern:

Mit der Politik umgehen

Regelmäßige Siege in der Formel 1 führen wie nichts anderes dazu, dass jede einzelne Bewegung unter die Lupe genommen wird. Die Mercedes-Erfolge der Saison 2014 hatten zur Folge, dass man im Lager der Gegner alles versucht, jeden noch so kleinen Vorteil der Silberpfeile auszuradieren. Als Stichworte seien hier das Verbot des vernetzten Fahrwerks (FRIC) oder die Regeländerung hinsichtlich der Antriebshomologation genannt.

Die Bemühungen, der Mercedes-Dominanz einen Riegel vorzuschieben, werden sich häufen, sollte das Weltmeisterteam auch in der neuen Saison den Ton angeben. Toto Wolff gibt zu, dass die Silberpfeile in der Wahrnehmung von außen jenen Wandel durchgemacht haben, den auch Red Bull auf dem Weg an die Spitze durchmachte. "Ich glaube, es ist normal, dass die Leute ihre Meinung ändern, sobald man das dominierende Team ist. Sie sehen einen dann in einem anderen Licht. Das ist ganz normal", so der Mercedes-Motorsportchef.

"Man wird vom Jedi zum Darth Vader." Mercedes-Motorsportchef Toto Wolff

"Ich erinnere mich, wie Red Bull einst das supercoole Team war, das in Monaco mit Star-Wars-Kostümen auflief. Damals haben wir uns alle riesig über ihren Podestplatz gefreut. Inzwischen wird dieses Team als die dunkle Seite angesehen", bemerkt Wolff und fügt hinzu: "Man wird vom Jedi zum Darth Vader. Damals musste Christian (Red-Bull-Teamchef Horner; Anm. d. Red.) natürlich seine eigene Position und die Stärken von Red Bull verteidigen. Heute befinden wir uns in einer ganz ähnlichen Situation."

Zuverlässigkeit verbessern

16 Siege in der Saison 2014 machen deutlich, dass Mercedes mit seinen Bemühungen, ein schnelles Auto zu bauen, Erfolg hatte. Hinsichtlich der Zuverlässigkeit war das Team in der abgelaufenen Saison aber nicht absolute Spitze. Die technischen Defekte an den Autos von Lewis Hamilton und Nico Rosberg - angefangen beim Saisonauftakt in Australien bis hin zum Saisonfinale in Abu Dhabi - offenbarten Schwachstellen in der Mercedes-Rüstung.

Lewis Hamilton

Der F1 W05 lief in der Saison 2014 nicht immer wie gewünscht Zoom

Dank ihres überragenden Tempos liefen die Silberpfeile trotz ihrer Unzuverlässigkeit nie Ernsthaft Gefahr, den WM-Titel aus der Hand zu geben. Wenn die Konkurrenz in diesem Jahr aber dichter dran ist, kann es sich Mercedes nicht leisten, WM-Punkte in einer solchen Regelmäßigkeit wegzuwerfen.

Mercedes-Motorenchef Andy Cowell gab in der Winterpause zu, dass man sich in Hinblick auf die Saison 2015 steigern muss: "Die zwei ERS-Defekte in Kanada haben uns wachgerüttelt. Nico hatte damals viel Glück, trotzdem noch Platz zwei ins Ziel zu bringen. In einem solchen Moment wird einem klar, dass man etwas tun muss und dass die Qualitätssicherung in einer so hart umkämpften Meisterschaft das A und O sein muss. 2015 wird das mit nur noch vier Antriebseinheiten pro Saison nicht unbedingt einfacher."

Verbesserungen erzielen

Der beste Weg, das Feld in der Formel 1 enger zusammenzuführen, ist ein stabiles Reglement. In einem solchen Fall hat das beste Team einfach weniger Spielraum, sich weiter von der Konkurrenz abzusetzen. Gleichzeitig gelingt es den anderen bei stabilen Regeln im Normalfall, den Rückstand früher oder später aufzuholen.

Start zum Grand Prix der USA 2014 in Austin

Können Williams, Ferrari, Red Bull und Co. die Lücke zur Mercedes schließen? Zoom

Da es für die Saison 2015 nur geringfügige Regeländerungen gibt, wird sich Mercedes nicht leicht tun, einen großen Schritt nach vorn zu machen. Genau darauf hofft man im Lager der Konkurrenz. "Das Reglement ist weitestgehend stabil geblieben, doch das bringt seine ganz eigenen Herausforderungen mit sich. Unter diesen Voraussetzungen ist es schwieriger, Verbesserungen zu erzielen", weiß Mercedes-Technologiechef Geoff Willis.

Mit der Gleichberechtigung der Fahrer klarkommen

Dank der Entscheidung von Mercedes, Hamilton und Rosberg das Titelduell 2014 unter sich ausmachen zu lassen, wurde den Fans bis zum Saisonfinale ein spannender Kampf geboten. Gleichzeitig wurde man sich bei Mercedes der Gefahren bewusst, die ein Verzicht auf Stallorder mit sich bringt. Die Dramen in Monaco, Ungarn und Belgien unterstrichen dies nachhaltig.

Lewis Hamilton, Nico Rosberg

Zwischen Hamilton und Rosberg dürfte es auch in diesem Jahr heiß hergehen Zoom

Da beide Fahrer wissen, wie eng es teamintern zugeht, werden sich beide noch mehr ins Zeug legen, dem Teamkollegen gegenüber einen Vorteil zu erreichen. Das kann eine Zweiteilung der Ressourcen nach sich ziehen. So sagte Mercedes-Chefdesigner John Owen Ende des vergangenen Jahres: "Der Druck, der auf uns lastete, um gleiches Material bereitzustellen, war von außen überhaupt nicht ersichtlich."

"Wir mussten jederzeit sicherstellen, dass die Motoren, die Chassis, die Gewichte, die Aerodynamik - einfach alles im Zusammenhang mit den Autos - für beide Fahrer absolut identisch waren. Mercedes war fest entschlossen, die Fahrer einen fairen Kampf ausfechten zu lassen. Da kam schon die Frage auf, ob es noch fair ist, wenn man an einem der beiden Autos ein beschädigtes Teil durch ein etwas schwereres Ersatzteil austauschen musste. In dieser Hinsicht gab und gibt es viele Dinge, die störend sind", so Owen.

Zusammenfassend lässt sich festhalten, dass keiner der Mercedes-Kriegsschauplätze 2015 unbezwingbar ist. Zu glauben, dass man sich in Brackley zurücklehnen und entspannt weitere Siege feiern kann, wäre aber der falsche Ansatz. Oder wie es Mercedes-Technologiechef Willis formulierte: "Man muss in diesem Geschäft bescheiden sein. Erfolg in einem Jahr garantiert nicht, dass man auch im darauffolgenden Jahr erfolgreich ist. Ich hoffe und glaube, dass wir stark auftreten werden - wie stark, das müssen wir abwarten."


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