• 08.09.2014 10:57

  • von Craig Scarborough (Haymarket)

Technik-Clous aus Monza: Wenig Abtrieb, viel Neues

Topspeed ist alles auf den langen Geraden in Monza: Was die Teams getan haben, um noch schneller zu werden, erfahren Sie hier in unserem Überblick

(Motorsport-Total.com) - Nur die Schikanen unterbrechen die langen Vollgas-Passagen. Hinzu kommen die anspruchsvollen Lesmo-Kurven sowie die Parabolica. Und all das macht Monza zur schnellsten Rennstrecke der Formel 1. Die meisten Teams haben daher das Paket für geringen Abtrieb und wenig Luftwiderstand eingesetzt, das bereits beim Großen Preis von Belgien verwendet worden war. Das bedeutet: Front- und Heckflügel sind in Monza so flach eingestellt wie nirgendwo sonst.

Titel-Bild zur News: Sebastian Vettel

Lange Geraden, flache Flügel: Die Formel 1 in Monza ist etwas Besonderes Zoom

Allerdings kommt es im Königlichen Park nicht alleine auf die Aerodynamik und geringen Luftwiderstand an. Denn weil die neuen Antriebsstränge der Formel 1 unterschiedlich stark sind, müssen manche Teams noch mehr an den Flügeln arbeiten, um einen besseren Topspeed zu erzielen. Was dabei den Rahmen vorgibt: die Stabilität des Autos auf der Bremse. Red-Bull-Teamchef Christian Horner erklärte in Monza scherzhaft, dass sein Team nur mit weniger Flügel fahren könnte, wenn es ganz ohne Flügel antreten würde.

Bei etwas kühleren Bedingungen hat der in Monza fehlende Abtrieb zur Folge, dass die Piloten Gefahr laufen, ihre Reifen nicht auf Betriebstemperatur zu bekommen - vor allem nicht die härtere Mischung von Pirelli. Es besteht in Monza also die Gefahr, dass die Reifen aus ihrem Arbeitsfenster herausfallen. Theoretisch heißt das: Wer aufgrund eines schlechteren Topspeeds keinen guten Startplatz herausgefahren hat, kann sich im Rennen mit einer besseren Reifennutzung nach vorn arbeiten.

Mercedes

Mercedes feilt weiter an Details, hatte in Monza aber auch streckenspezifische Bauteile am Start. Neu am Wochenende in Italien waren der Heckflügel und die Ecken des Unterbodens. Die gewölbte Oberkante des Heckflügels aus Spa-Francorchamps war erneut zu sehen, allerdings in einer Version für noch weniger Abtrieb. Das gesamte Flügelprofil war dort kleiner, sodass auch die Ansetzpunkte des Flügels nach hinten gewandert sind. Die drei Wölbungen am hinteren Ende des Flaps wurden angepasst, damit die Flügelkante an den Seiten gerade und nicht nach unten gewölbt ist.

Lewis Hamilton

Blick auf den Mercedes W05 von Lewis Hamilton beim Großen Preis von Italien Zoom

Am Unterboden hat Mercedes nun eine Öffnung vor den Hinterrädern, ganz im Stil von Red Bull. Zuvor hat das Team einen breiten Schlitz in einem Metalleinsatz verwendet, der neben dem Rad am Unterboden angebracht war. Die neue Öffnung weist eine L-Form auf. Auch McLaren und Red Bull haben dieses Design bereits übernommen.

Red Bull

Red Bull hat sich in Monza, wie schon in Spa-Francorchamps, für sehr wenig Abtrieb entschieden. Der kleine Heckflügel kam erneut zum Einsatz. Auch am Frontflügel wurden die zahlreichen kleinen Flaps entfernt, um den Luftwiderstand zu reduzieren. So sehr fehlt es dem Renault-Antriebsstrang im Vergleich zum Paket von Mercedes an Leistung. Offenbar hat das Team mit dieser Konfiguration im Freien Training gute Erfahrungen gemacht, denn sie gingen mit diesen Einstellungen auch in die Qualifikation.

Ferrari

Ferrari hat in Monza einen einfachen Heckflügel eingesetzt und am Frontflügel die vielen kleinen Zusatzflügel entfernt. Insgesamt ging das Team damit weniger radikal vor als seine Hauptrivalen. Der geringere Luftwiderstand des Autos sorgt für eine bessere Leistung auf den Geraden. Vor allem, wo der Ferrari-Antriebsstrang im Vergleich zum Mercedes-Gegenstück doch weniger Leistung entfalten soll.

Ferrari-Frontflügel

Ferrari hat in Monza einen veränderten Frontflügel eingesetzt - mit weniger Flaps Zoom

Weil aufgrund des kleineren Heckflügels und einer veränderten Fahrwerkshöhe in Monza weniger Luft hinter dem Auto hochgewirbelt wird, hat Ferrari auch kleine Änderungen im Zentrum des Diffusors vorgenommen.

McLaren

Weil der McLaren MP4-29 unter zu hohem Luftwiderstand leidet und trotz des Mercedes-Antriebsstrangs keinen hohen Topspeed erzielt, galt McLaren in Monza nicht als Favorit auf vordere Positionen. Veränderungen am Rennbenzin von Mobil haben aber dafür gesorgt, dass das Auto doch konkurrenzfähig war.

Am Freitagmorgen hatte zudem das Aerodynamik-Messinstrument einen seiner seltenen Auftritte an einem Rennwochenende. Kevin Magnussen war mit der Vorrichtung unterwegs, die links an seinem Fahrzeug angebracht war. Er legte im ersten Freien Training zunächst eine fliegende Runde zurück. Der Frontflügel wurde danach durch den bisherigen Frontflügel ersetzt.

Kevin Magnussen

Bei Kevin Magnussen löste sich in Monza die Kopfstütze im Cockpit ab Zoom

Magnussens Wochenende wurde durch einen Zwischenfall gestört: Im Freien Training löste sich die Kopfstütze im Cockpit aus ihrer Verankerung. Dieses Bauteil aus Kohlefaser und Spezialschaum ist in die nach den Vorgaben des Reglements geformte Cockpitöffnung eingesetzt. Üblicherweise wird die Kopfstütze am hinteren Ende des Cockpits eingehakt und vorn, in der Nähe der Fahrerhände, am Cockpitrand befestigt. Bei Magnussen muss sich die Kopfstütze hinten gelöst haben. Der über dem Cockpit entstehende Unterdruck hat sie hochgesaugt, was einen Boxenstopp nötig machte, um die Kopfstütze wieder zu befestigen.

Force India

Wie die meisten Teams, so hatte auch Force India einen Heckflügel in Spa-Spezifikation dabei. Das Team setzte aber auch einen auf Monza zugeschnittenen Flügel ein. Dessen Hauptelement war insgesamt etwas kürzer gehalten, an den Seiten noch mehr als in der Mitte. Und weil der gesamte Flügel sehr flach war, wurden leicht veränderte Endplatten erforderlich. Das Team verzichtete auf die üblichen Lamellen im Vorderbereich der Endplatten, die sonst für eine Reduzierung des Luftwiderstands sorgen.

Force-India-Heckflügel

Das kleinere Flügelblatt von Force India in Monza anstelle des üblichen Designs Zoom

Weitere Flügel für geringen Abtrieb

Bei den meisten Teams lässt sich ein Flügeldesign für Monza von einer Saison auf das nächste Jahr übernehmen. Obwohl die Regeln einen "Beam Wing" seit 2014 verbieten, schienen sowohl Sauber als auch Williams auf einen Heckflügel aus dem vergangenen Jahr zurückzugreifen. Mit neuen Endplatten passten sie die Heckflügel an die neuen Autos an.

Marussia fuhr mit einem seltenen Upgrade. Normalerweise wird das Auto dort mit Flügeln entworfen, die die komplette Bandbreite einer Saison von Monaco bis Monza abdecken können. In diesem Jahr trat Jules Bianchi allerdings mit einem Heckflügel für geringen Abtrieb an, der einmalig in Monza zum Einsatz kam.


Fotostrecke: GP Italien, Highlights 2014

Bei Caterham, wo weiterhin auf die neue Frontpartie zurückgegriffen wurde, gab es am Frontflügel leicht modifizierte Flaps. Der verstellbare Bereich dieses Flaps wurde kleiner gehalten, um eine Balance mit dem reduzierten Abtrieb am Heck des Autos zu erzielen.