• 03.09.2014 13:47

Alonso im Interview: Ich will meinen Vertrag verlängern

Fernando Alonso bekennt sich klar zu Ferrari, spricht über die Schwierigkeiten in dieser Saison und erklärt, warum er noch lange Formel 1 fahren will

(Motorsport-Total.com) - In der Formel-1-Saison 2014 fahren Fernando Alonso und Ferrari einem Sieg noch hinterher. Doch trotz der sportlichen Krise hat der Spanier keine Wechselambitionen, sondern will seinen Vertrag bis Ende 2016 laufenden Vertrag bei Ferrari sogar vorzeitig verlängern, wie er im Interview erklärt. Darin spricht Alonso auch über die Schwierigkeiten in dieser Saison und erklärt, wie Ferrari den Rückstand auf Mercedes aufholen will. Außerdem blickt der Spanier voraus auf das Heimrennen von Ferrari in Monza.

Titel-Bild zur News: Fernando Alonso

Fernando Alonso denkt nicht daran, Ferrari zu verlassen Zoom

Frage: "Fernando, was hast du den Fans sagen, die wie üblich nach Monza strömen werden, um dich und Ferrari zu sehen. Und vielleicht noch wichtiger: Was kannst du für sie tun?"
Fernando Alonso: "Reden ist einfacher als Handeln. Wir müssen auf jeden Fall versuchen, vor unserem Heimpublikum das beste Rennen des Jahres abzuliefern. Wir wissen, wie großartig es ist, hier in Monza auf dem Podium zu stehen, mit den Menschenmassen auf der Zielgeraden unter einem."

"Ich hatte das Glück, in den vergangenen vier Jahren mit Ferrari vier Mal auf dem Podium zu stehen, daher wäre es fantastisch, die fünf voll zu machen. Das ist allerdings ein sehr optimistisches Ziel, denn leider waren wir in diesem Jahr noch nicht allzu oft auf dem Podium. Wir müssen realistisch sein. Das wird ein weiteres Rennen sein, bei dem wir in der Defensive sind. Aber es kann alles passieren."

Frage: "Ist es nicht ein wenig frustrierend, zu diesem Zeitpunkt der Saison nach Monza zu kommen, wo du so weit zurückliegst und dich fragst, ob du aufs Podium fahren kannst, während du in früheren Jahren vor deinen Fans um Siege und den Titel gekämpft hast."
Alonso: "Ja, natürlich. Das ist auf jeden Fall das schwierigste meiner fünf Jahre bei Ferrari. Wir kommen mit größeren Schwierigkeiten nach Monza und haben keine klare Vorstellung davon, was uns im Rennen erwarten wird."

"In früheren Jahren kämpften wir um den Titel, und das Podium oder sogar der Sieg waren in Reichweite. In diesem Jahr hängen die Trauben viel hoher, und wir sind uns nicht sicher, was wir erreichen können. Man kann natürlich sagen, dass diese Situation frustrierend oder traurig ist, oder aber einfach die Realität anerkennen. Wir kämpfen seit elf Rennen darum, unserer Probleme auszusortieren, um konkurrenzfähiger zu werden, und das ist uns meiner Meinung nach gelungen."

"Die Fortschritte sind sichtbar, in den letzten drei oder vier Rennen waren wir konkurrenzfähiger. In Ungarn standen wir auf dem Podium, in Spa waren wir dicht dran, und selbst in Hockenheim und Silverstone lief es recht gut. Wir haben uns in den vergangenen Rennen gefangen und fühlen uns besser. Das ist sicherlich nicht genug, denn alle anderen steigern sich auch. Vor allem Mercedes, die die Saison dominieren. Waren wir zu Beginn zwei Sekunden hinter ihnen, sind es jetzt immer noch 1,6 oder 1,4. Wir haben uns also noch nicht genug verbessert."

"Die Fortschritte sind sichtbar"

Frage: "Gegen dir die Verbesserungen mit Blick auf das nächste Jahr Anlass zum Optimismus, oder ist das immer noch zu wenig?"
Alonso: "Alles hilft, nicht nur uns Fahrern, sondern auch den Leuten in der Fabrik, die Tag und Nacht arbeiten. Wenn es Verbesserungen gibt, dann weil diese Leute jeden morgen um 8 Uhr mit einem anderen Gefühl ins Büro kommen. Deshalb helfen uns all diese Verbesserungen. Positiv ist, dass im Gegensatz zu anderen Jahren, die aerodynamischen Daten auf dem Windkanal mit denen auf der Rennstrecke übereinstimmen."

Fernando Alonso

Auf den Siegerpodium war Fernando Alonso in diesem Jahr ein seltener Gast Zoom

"Alles, was wir ans Auto gebracht haben, hat die Erwartungen erfüllt. Ein Fragezeichen steht über der Antriebseinheit. Dort ist die Entwicklung eingefroren, was bedeutet, dass wir nichts daran machen können. Die Nachteile, die sich beim ersten Rennen herausgestellt haben, bestehen also nach wie vor. Bei allen Änderungen, die im nächsten Jahr möglich sind, bleibt weiter ein Fragezeichen. Was können wir machen und was tun die anderen? Wir müssen versuchen, etwas besser zu machen als die anderen."

Frage: "Was können wir deiner Meinung nach 2015 von Ferrari erwarten, wenn die Probleme mit der Antriebseinheit behoben sind? Kannst du um die Spitze kämpfen oder was erwartest du? Gehst du von einem Auto aus, mit dem du bei jedem Rennen aufs Podium fahren und um den Sieg kämpfen kannst? Wie ist dein Eindruck?"
Alonso: "Stand jetzt im September 2014 erwarten wir ein Auto, mit dem wir vorne fahren und um den Titel kämpfen können. Das wird von uns bei Ferrari erwartet."

"Es steht fest, dass wir im Winter eine größere Lücke denn je schließen müssen, denn unser Rückstand beträgt eineinhalb Sekunden. Ich weiß nicht, ob das innerhalb von sechs Monaten möglich ist. Das ist für das gesamte Team eine große Herausforderung. Ich glaube aber, dass wir über die dafür notwendigen Fähigkeiten und Strukturen verfügen, als liegt es nur an uns selbst, hart daran zu arbeiten."

Frage: "Auf Grundlage dessen, was du vom neuen Projekt gesehen hast, wie optimistisch bist du? Gibt es Elemente des neuen Autos, die dich zuversichtlich stimmen und die dir gefallen?"
Alonso: "Bei allen Projekten gibt es interessante Dinge. Zu diesem Zeitpunkt des Jahres kennen wir die Schwachstellen des aktuellen Autos. Wir wissen, was nicht funktioniert und welche Aspekte uns in dieser Saison in Schwierigkeiten gebracht haben. Daher müssen wir bis zum kommenden Jahr viele Probleme lösen."

"Durch die radikalen Regeländerungen vor der Saison 2014, sah man bei den drei Motorenherstellern unterschiedliche Entwicklungs-Philosophien. Genau so war es auch bei der Aerodynamik. In Nachhinein kann man sagen, dass diejenigen, die jetzt gewinnen, andere Entscheidungen als wir getroffen haben, die sich nun als besser herausstellen. Natürlich erwarten wir im nächsten Jahr eine gewaltige Steigerung."

Ständige Gerüchte stören Alonso

Frage: "Obwohl du einen Vertrag für das nächste Jahr hat, gab es viele Gespräche über deine Zukunft. Angeblich sind andere Top-Teams an die interessiert. Wie denkt du darüber?"
Alonso: "Seit dem vergangenen Sommer gab es ständig Gerüchte und Meldungen, das geht also schon ein Jahr so. Das ist nicht schön, denn es sorgt für Stress und lenkt mich, das Team und die Fans ab. Es macht mich allerdings stolz, dass einige andere Teams an mir interessiert sind, denn das zeigt, dass sie meine Arbeit schätzen."

"Zu diesem Thema erzähle ich allerdings schon seit einem Jahr, dass ich bei Ferrari bleiben und meinen Vertrag verlängern möchte. Das ist mein Wunsch, denn ich alle zwei Wochen, nach jedem Rennen wiederhole. Und obwohl ich es nie gesagt habe, wird tendenziell immer das Gegenteil behauptet. Ich habe nie über Gespräche mit anderen Teams gesprochen, im Gegenteil."

Frage: "Du möchtest den Vertrag verlängern, Ferrari ebenfalls. Warum ist es noch nicht passiert?
Alonso: "In der Tat, wir arbeiten daran."

Frage: "Ihr arbeitet also an einem neuen Vertrag. Und bis der aktuelle ausläuft, bist du Ferrari-Fahrer und wirst es bleiben?"
Alonso: "Mein Vertrag läuft noch zwei Jahre. Ich kann nur immer wieder betonen, dass ich so viele Jahre wie notwendig weitermachen will. Wir müssen abwarten, was passiert, aber in den nächsten beiden Jahren gibt es kein Problem."

Frage: "So viele Jahre wie notwendig wofür? Um zu gewinnen? Du willst also so lange bleiben, bis zu wieder an der Spitze bist?"
Alonso: "Das Wichtigste ist, zu gewinnen. Das ist bei allen Sportlern so. Es gibt allerdings auch noch andere Faktoren, die sich zufrieden machen und dafür sorgen, dass die Arbeit Spaß macht. Ferrari kann mir mehr bieten als 'nur' Siege. Wegen der Leidenschaft für dieses Team, bist du als Fahrer immer stolz, unabhängig von den Ergebnissen."


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"Das Wichtigste ist, dass wir die Dinge, die am Auto nicht funktionieren, in Ordnung bringen und das Team alles macht, was nötig ist. Mattiacci (Marco, Teamchef; Anm. d. Red.) teilt diese Leidenschaft, Dinge zu verändern und einen aggressiveren Ansatz zu wählen. Diese Neuerungen machen es noch verlockender, bei Ferrari zu bleiben."

Frage: "Hast du dir eine Altersgrenze für deine Karriere gesetzt?"
Alonso: "Nein, das habe ich nicht. Ich bin viel älter, als es aussehen mag. Ich bin erst 33, aber bis vor fünf Jahren hat man erst mit 26 oder 27 in der Formel 1 angefangen. Da ich schon mit 19 begonnen habe, sieht es so aus, als wäre ich schon sehr alt. Beim Blick in den Pass stelle ich aber fest, dass noch viele gute Jahre vor mir liegen. Ich könnte noch zehn Jahre fahren."

"Da ich schon mit 19 begonnen habe, sieht es so aus, als wäre ich schon sehr alt." Fernando Alonso

"Michael Schumacher hat mit 43 aufgehört, Pedro de la Rosa sitzt jeden Tag im Simulator und ist 43 Jahre alt. Es ist also keine Frage des Alters, sondern vielmehr die Frage, ob du an dem, was du machst, noch Spaß hast. Möchte ich morgens früh aufstehen, um zu trainieren, möchte ich nach Australien oder Malaysia fliegen, möchte ich in einem Spitzenauto fahren und dabei ein gutes Gefühl haben?"

"So lange ich dafür die Leidenschaft habe, setze ich mir keine Altersgrenze. Sicher, in diesem Jahr macht es etwas weniger Spaß, weil die Autos langsamer sind. Wir brauchen Adrenalin und hoffen, dass sich der Sport wieder mehr in Richtung extremer Performance entwickelt, damit die Formel 1 wirklich wieder der Gipfel ist."

Monza: Fünf Kurven und viel Vollgas

Frage: "Die Strecke von Monza sieht unkompliziert aus. Ist sie das auch?"
Alonso: "Nein, nicht wirklich, denn du fährst hier mit sehr wenig Abtrieb. Daher fühlt es sich fast so an, wie auf anderen Strecken im Nassen. Außerdem sind die Geschwindigkeiten höher, weshalb es schwerer fällt, präzise zu fahren. Wenn man mit 340 km/h auf die erste oder mit 330 km/h auf die zweite Schikane zufährt, ist es alles andere als einfach, den richtigen Bremspunkt zu finden."

Ferrari, Flagge

Am Wochenende steht das Heimspiel von Ferrari auf dem Programm Zoom

"Einzigartig ist an Monza, dass es im Grunde nur fünf Kurven gibt: Die erste Schikane, die zweite Schikane, die beiden Lesmos und die Parabolica. Die Ascari (-Schikane; Anm. d. Red.) wird mit Ausnahme des ersten Linksknicks voll gefahren. Bei nur fünf Kurven, kannst du im Qualifying auch mit neuen Reifen pro Kurve nur ein halbes Zehntel gewinnen. Unter dem Strich sind die neuen Reifen also nur für zwei oder drei Zehntel gut."

"Du kannst also eine perfekte Runde fahren und bist trotzdem nur eine Zehntelsekunde schneller als in einer Runde, in der du nicht alles gegeben hast. Das ist der große Unterschied zu Spa. Wenn du dort eine perfekte Runde fährst, bist du im Vergleich zu einer normalen eine Sekunde schneller. Das sorgt für einen Adrenalin-Schub, denn die erkennst, dass du am Limit bist."

Frage: "Wo ist der Bremspunkt vor der ersten Schikane in Monza?"
Alonso: "Bei der ersten, ungefähr 130 Meter vor der Kurve im Qualifying und 150 im Rennen, denn mit vollem Tank muss man etwas früher bremsen."

Frage: "Alonso gewinn in Monza, wenn..."
Alonso: "Ich weiß es nicht, das ist nicht einfach. Es müsste etwas Ungewöhnliches passieren, vielleicht mit ein bisschen Hilfe der Fahrer in den Top-Teams. Wir müssen uns auf uns selbst konzentrieren und wie im Qualifying von Spa und Ungarn alles geben. In Monza können wir uns keine Fehler leisten."