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  • 21.07.2014 07:04

  • von Rencken, Fischer, Sharaf & Ziegler

Posse um Safety-Car: Fahrer uneins, aber vor allem überrascht

Dass das Safety-Car beim Dreher von Adrian Sutil nicht auf die Strecke kam, löst geteiltes Echo in der Formel 1 aus, doch zumindest überrascht hat es fast alle

(Motorsport-Total.com) - Die Entscheidung um den Sieg von Hockenheim fiel gestern in Runde 50. Zwar hatte kein potenzieller Siegkandidat irgendeinen Einfluss, doch eine einzige Entscheidung hätte das Rennergebnis auf den Kopf stellen können. Hätte die Rennleitung nach dem Dreher von Adrian Sutil eingangs der Start- und Zielgerade das Safety-Car auf die Strecke geschickt, so hätte Lewis Hamilton auf frischen Supersoft-Reifen die besten Karten gehabt, doch der gestrandete Sauber wurde ohne Eingriff der Rennleitung geborgen und Nico Rosberg konnte seinen Vorsprung auf alten Soft-Reifen verwalten.

Titel-Bild zur News: Nico Rosberg, Adrian Sutil

Dass in dieser Szene kein Safety-Car kam, hat viele Fahrer verwundert Zoom

Während wohl niemand am verdienten Sieg des Wiesbadeners bei dessen Heimspiel zweifeln möchte, gibt es dennoch Kritik an der Entscheidung der Rennleitung. Einerseits sahen einige die Sicherheit der Streckenposten, die über die Piste liefen, gefährdet, zum anderen hat man Bernd Mayländer in der Vergangenheit schon für weniger den Motor starten lassen. "Manchmal schicken sie das Fahrzeug auf die Strecke, weil ein Teil vom Frontflügel herumliegt. Jetzt steht ein ganzes Auto dort und sie machen es nicht. Das ist schon überraschend", wundert sich beispielsweise Fernando Alonso.

Der Spanier sagt dies übrigens nicht aus Eigeninteresse, denn auch der Ferrari-Pilot hätte für sein eigenes Rennen ungern ein Safety-Car erlebt: "Wir hatten darauf gehofft, dass das Safety-Car nicht kommen würde. Wenn es 17 Runden vor dem Ende so gekommen wäre, dann hätten wir sofort auf die Supersofts wechseln müssen - aber 17 Runden auf den weicheren Reifen wären für uns extrem hart geworden", sagt er.

Völlig andere Entscheidung in der GP2

Doch auf Einzelschicksale kann die Rennleitung um Charlie Whiting im Normalfall keine Rücksicht nehmen. Sie darf sich nicht davon beeinflussen lassen, dass das Safety-Car womöglich die Chancen von Nico Rosberg beim Heimspiel zerstört hätte, auch wenn es einige Stimmen gab, die genau darin den Grund für das Fernbleiben des Fahrzeugs gesehen haben. Doch Mercedes-Aufsichtsratschef Niki Lauda winkt ab: "Das ist Bullshit."

Doch natürlich muss sich die Rennleitung nun Anschuldigungen gefallen lassen. Zwar möchte man nicht mehr so sehr in den Rennverlauf eingreifen, doch bislang war man stets sehr vorsichtig. "Wenn ein Auto mitten auf der Strecke steht, dann kam bis jetzt immer ein Safety-Car. Dass es heute nicht gekommen ist, war ein Wunder", grübelt Lauda. "Deswegen ist der Lewis Dritter geworden. Das ist relativ einfach zu erklären."

Streckenposten

Das Safety-Car wurde auch schon wegen kleinen Flügeln auf die Strecke geschickt Zoom

Zumal die Entscheidung durch ein Rahmenrennen noch einmal zusätzlich in fragwürdiges Licht gerückt wird. Beim Sprintrennen der GP2 am Sonntagmorgen schickte die Rennleitung in der Mitte des Rennens plötzlich das Safety-Car auf die Strecke, obwohl es keinen ersichtlichen Grund gab - zumindest keinen so offensichtlichen wie ein parkendes Auto auf der Strecke. Die Entscheidung beeinflusste das Rennen massiv, sodass Fahrer wie der spätere Rennsieger Stefano Coletti trotz gewagter Strategie wieder an das Feld herankamen und die Situation nutzen konnten.

Sorgen um die Streckenposten

Doch nicht nur aus diesem Grund hätten einige ein Safety-Car beim Sutil-Zwischenfall bevorzugt: "Ich denke, da hätten wir ein Safety-Car gebraucht", urteilt Williams-Pilot Felipe Massa, der mit seinem Unfall in Kurve 1 für die erste Neutralisation des Tages sorgte. "Ich denke, Charlie achtet da nicht auf die Situation, sondern auf die Notwendigkeit. Ich glaube, dass es notwendig war, weil dort Leute mitten auf der Strecke gelaufen sind. Das sah nicht wirklich sicher aus", so der Brasilianer weiter.

Auch Lewis Hamilton machte sich Sorgen um die Stewards und musste zuerst an den Vorfall um Tom Pryce denken, der 1977 einen über die Strecke laufenden Marshall erfasste, was für beide tödlich endete. "Ich war wirklich besorgt um die Streckenposten, wirklich besorgt", betont er. "Man kommt mit Affenzahn um die Kurve, und dann stehen die Marshalls nicht weit von dir entfernt. Glücklicherweise wurde niemand verletzt." Der Brite sieht ein Safety-Car in dem Fall zwingend als notwendig an.

"Ich war wirklich besorgt um die Streckenposten, wirklich besorgt." Lewis Hamilton

Anders sieht es Sutil selbst, der die Fahrer lieber in die Pflicht nimmt: "Man muss nicht immer ein Safety-Car bringen. Die Fahrer können auch ein bisschen aufpassen, wenn sie vorbeifahren. Es ist schon alles sehr, sehr sicher in der Formel 1, da werden wir das auch überleben", sagt der Gräfelfinger gegenüber 'Motorsport-Total.com'. "Am Ende ist es nicht gut, wenn da ein Safety-Car kommt. Da ist Charlie Whiting so engagiert, dass es nur im Extremfall sein muss. Es ist so akzeptabel, wie es gewesen ist."

Sutil: So wenig Safety-Car wie möglich

Der Deutsche meint, hätte man für diese Situation Bernd Mayländer auf die Strecke lotsen müssen, dann hätte man auch bei diversen Szenen in der Haarnadelkurve neutralisieren müssen - etwa beim Brand von Daniil Kwjats Toro Rosso. "Wenn man sich da mit dem Bremspunkt verschätzt, kracht man auch in einen Lastwagen", so Sutil, der sich lieber noch weniger Safety-Car-Einsätze wünscht.

"Motorsport ist gefährlich und man muss mit dem Kopf fahren. Sonst enden wir wie in Amerika und haben ein Safety-Car nach jedem Dreher. Eines war genug heute und wir haben ein spannendes Rennen gesehen. Ob es richtig oder falsch war, weiß ich nicht. Ich habe den Vorfall nicht gesehen. Ich bin aber immer dafür, das Rennen reell zu halten und nicht durch Dinge, die nicht nötig sind, zu beeinflussen."

"Motorsport ist gefährlich und man muss mit dem Kopf fahren. Sonst enden wir wie in Amerika und haben ein Safety-Car nach jedem Dreher." Adrian Sutil

Mit der Meinung dürften sich auch viele andere angesprochen fühlen, doch dann müsste die Rennleitung in ihrer Denkweise auch konstant bleiben. "Dass es nicht herausgekommen ist, war okay, aber es war anders als sonst. Aber wenn man es immer tut, dann erwarten die Leute, dass es kommt", beschreibt Niki Lauda das Dilemma. Auch der Österreicher wünscht sich weniger Eingriff: "Jetzt müssen wir lernen, dass es nicht immer herauskommt. Es gab aber auch keinen Grund, dass es herauskommt."