• 27.06.2013 23:26

  • von Dieter Rencken & Roman Wittemeier

FIA-Tribunal-Urteil: Es bleibt ein Beigeschmack

Das milde Urteil im Verfahren gegen Pirelli und Mercedes gefällt nicht allen im Fahrerlager, aber es wird akzeptiert: Von Interpretationen und Politik

(Motorsport-Total.com) - Mercedes ist mit einem blauen Auge davongekommen, heißt es im Zusammenhang mit dem Urteil des FIA-Tribunals nach dem umstrittenen Reifentest von Mercedes immer wieder. Viele Mitglieder des Formel-1-Zirkus schütteln angesichts von einer Verwarnung, einer Sperre für den Young-Driver-Test und der Zahlung eines Drittels der Verfahrenskosten immer noch mit dem Kopf. "Bei vielen Urteilen in der Formel 1 und auch anderswo spielt die Politik eine große Rolle", sagt Nick Heidfeld im Interview mit 'Sportradio360.com' und 'Motorsport-Total.com' (jetzt anhören!).

Titel-Bild zur News: Lewis Hamilton

Nach dem Urteil muss Lewis Hamilton auf Fragen nach dem Test antworten Zoom

"Viele haben gedacht: Wenn das Urteil zu hart ausfällt, besteht das Risiko, dass sich Mercedes aus der Formel 1 verabschiedet. Und weil das niemand will, wird das Urteil wahrscheinlich nicht so drastisch ausfallen wie vor einigen Jahren, als gegen McLaren 100 Millionen Dollar Strafe verhängt wurden. Es war klar, dass das nicht mehr passieren würde, weil der Fall nicht so extrem war", so der Mönchengladbacher. "Aber ich fand die Strafe auch recht gering. Es ist eigentlich keine Strafe, sondern eher ein Tausch: drei Tage Test gegen drei Tage Test. Da sind sie wirklich glimpflich davongekommen."

Für viele gelten die hochrangigen Silberpfeil-Mitarbeiter als Buhmänner. Dabei ist bereits ein Schlussstrich gezogen. Das Urteil ist gesprochen und akzeptiert, der Fall abgeschlossen. Und die Strafe wird vom Werksteam alles andere als mild bewertet. "Mit Sicherheit wird uns das wehtun. Das ist die Strafe, die wir bekommen haben. So ist es, das müssen wir akzeptieren und das Beste daraus machen", sagt Nico Rosberg, der das Verbot zur Teilnahme am Young-Driver-Test als schmerzhaft empfindet. Dabei war es jenes Strafmaß, das Mercedes selbst vorgeschlagen hatte.

"Ich weiß nicht, was ich erwartet habe, weil ich die ganzen Details und Probleme nicht gekannt habe. Es ist, wie es ist", meint der Monaco-Sieger. "Der einzige Effekt, den es auf mich hatte, ist, dass ich ständig auf Fragen dazu antworten muss - und ich spreche lieber über andere Dinge. Aber es hat die Aufmerksamkeit von anderen Leuten im Team auf sich gezogen, die die Situation handlen mussten, und die sich lieber auf die Strecke konzentriert hätten. Wie Ross Brawn zum Beispiel, der in die Sache sehr verstrickt war. Es ist gut, dass das nun hinter uns liegt, und dass Ross sich auf unser Entwicklungsprogramm konzentrieren kann."

Urteil und Test bleiben ein Thema

"Wir werden immer noch ständig darauf angesprochen", klagt Teamkollege Lewis Hamilton. Der Brite sieht die vergangenen Wochen als Härteprobe für das gesamte Team, "die uns noch stärker gemacht hat. Es war toll zu sehen, wie alle zusammengehalten haben. Wir haben etwas Negatives in etwas Positives gewandelt. Wir machen weiter und sind noch hungriger. Das bringt uns zusätzliche Energie und wird uns dabei helfen, noch weiter voranzukommen." Die Kritik am Test von Mercedes reißt unterdessen nicht ab.

"Viel Umgang mit dem Team Mercedes habe ich nicht. Ich bin hier sehr eingespannt und laufe nicht bei denen in der Garage herum. In dieser Hinsicht kämpft jeder für sich selbst", sagt Sebastian Vettel. "Wenn man jetzt davon spricht - und ich weiß nicht, ob das so ist -, dass es die Buhmänner sind, dann spiegelt das vielleicht die Gefühlslage im Fahrerlager wider. Einigen gefällt das Urteil, anderen nicht. Das ist immer so, wenn ein Urteil gesprochen wird. Wir müssen uns auf uns konzentrieren, weitermachen und nicht ablenken lassen durch irgendetwas, was vergangen ist."

"Die Diskussionen hatten durch den Urteilsspruch erst einmal ein Ende gefunden. Es gab ein offizielles Ergebnis. Wenn du im Rennen auf Platz fünf kommst, dann kannst du dich in lange Analysen verstricken, warum du nicht gewonnen hast. Am Ende bleibst du aber Fünfter. Das Ergebnis muss man hinnehmen und es letztlich akzeptieren. Ob wir glücklich damit sind, oder nicht, ist eine ganz andere Frage", sagt der Weltmeister, dessen Team das Urteil bis heute nicht recht akzeptieren mag.

Auch bei Sauber ist man unzufrieden. "Aus meiner Sicht war der Test ein Bruch der Regeln", sagt Teamchefin Monisha Kaltenborn gegenüber 'Formula1.com'. Die Österreicherin fordert möglichst präzise Formulierungen im Regelwerk. "Es kann immer etwas anders interpretiert werden", meint sie. "Es wird immer Leute geben, die etwas anders auslegen. Man muss es also möglichst klar formulieren. Eigentlich sind die Regeln klar, aber wenn man es unbedingt will, kann man manche Dinge anders auslegen. Wir hätten - auf Grundlage der Fakten und unserer Interpretation - diesen Test jedenfalls nicht gemacht."