• 11.04.2013 16:26

  • von Dieter Rencken aufgezeichnet

Vettel: "Was passiert ist, ist passiert"

Sebastian Vettel schildert im ausführlichen Interview seine Sichtweise zur Stallorder-Affäre von Sepang und welche Schlüsse er daraus zieht

(Motorsport-Total.com) - Mit dem Ignorieren der Red-Bull-Teamorder sorgte Sebastian Vettel vor knapp drei Wochen beim Grand Prix von Malaysia in Sepang für reichlich Wirbel. Im Vorfeld des Grand Prix von China in Schanghai spricht Vettel im ausführlichen Interview über seine Sichtweise der Dinge in Malaysia, über die Autorität von Teamchef Christian Horner, über das Verhältnis zu Teamkollege Mark Webber, über den berühmten Tunnelblick im Auto, darüber, ob er künftig wieder so handeln würde wie in Sepang, über das Thema Stallorder allgemein und über die Reaktionen in der Red-Bull-Fabrik sowie von Dietrich Mateschitz.

Titel-Bild zur News: Sebastian Vettel

Sebastian Vettel steht zu seinem Verhalten im Grand Prix von Malaysia Zoom

Frage: "'Sebastian, um noch einmal auf Malaysia zurückzukommen: 'Multi21' war eine Anweisung, die auf dem Display kam oder war das ein Funkspruch?"
Sebastian Vettel: "Das ist ein Funkspruch."

Frage: "Wie betrachtest du die ganze Situation jetzt mit knapp drei Wochen Abstand?"
Vettel: "Ich denke, ich habe das nach dem Rennen versucht zu erklären. Ob man mir geglaubt hat oder nicht, da bin ich mir nicht sicher. Ich denke, ich habe bis jetzt bei allem, was passiert ist, immer die Wahrheit gesagt - zumindest versucht, die Wahrheit zu sagen und die Wahrheit so wiederzugeben, wie sie mir widerfahren ist. Ich denke, zum letzten Rennen habe ich vor drei Wochen schon viel gesagt."

"Um es zusammenzufassen: Ich habe einen Funkspruch bekommen. Ich habe ihn gehört, aber nicht direkt verstanden - ob man mir das nun glaubt oder nicht. Ich bin mein Rennen gefahren und habe mich darauf konzentriert, zu gewinnen. Ich habe also in dem Moment nicht begriffen, dass ich in den Augen von manchen Leuten etwas Böses getan habe. Ich habe das Rennen gewonnen und danach praktisch erst eingesehen, dass ich den Funkspruch falsch interpretiert beziehungsweise nicht verstanden habe. Ich habe mich dann schlecht gefühlt, denn als Teammitglied leide ich auch mit dem Team. Ich sehe mich nicht in irgendeiner Sonderrolle, sondern eben als Teammitglied - einer von vielen. Meine Absicht war es mit Sicherheit nicht, das Team zu hintergehen oder die Anweisung des Teams nicht zu befolgen."

"Ich denke, die Situation ist trotzdem ein bisschen komplizierter. Ich denke, hätte ich den Funkspruch verstanden, dann hätte ich wahrscheinlich darüber nachgedacht, was genau das bedeutet. In Anbetracht der Ereignisse der letzten Jahre glaube ich nicht, dass es der Mark verdient hätte, dass ich den zweiten Platz halte und praktisch ihn das Rennen gewinnen lasse."

Fehlentscheidung beim ersten Boxenstopp

Frage: "War der erste Boxenstopp in Sepang deine eigene Entscheidung?"
Vettel: "Das war meine Entscheidung. Zu Beginn der Runde sagte ich über Funk, dass die Piste recht trocken aussieht. Gegen Ende der Runde hatte ich das Gefühl, dass der Crossover-Punkt erreicht war. Ich ging daher das Risiko ein, hereinzukommen, denn ich war der Meinung, dass es trocken genug wäre. Leider stellte sich anschließend heraus, dass es nicht die perfekte Entscheidung war. Ich kam wohl eine Runde zu früh herein. Zudem hatte ich einen Vorsprung. Ich war also nicht in Eile, die Runde der Boxenstopps eröffnen zu müssen."

"Ich hatte aber das Gefühl, dass es der richtige Zeitpunkt wäre und habe deshalb so entschieden. Wie sich dann herausstellte, war die Strecke doch noch ein wenig feucht. Zudem geriet ich in Verkehr. Die ersten drei Kurven waren noch nicht ganz trocken. So konnten mich die anderen auf Intermediates sofort überholen. Als wir dann in den trockenen Teil der Strecke kamen, lag ich hinter ihnen und konnte meinen Vorteil nicht ausspielen. Unterm Strich habe ich zu diesem Zeitpunkt zu viel Zeit verloren."

Frage: "Dein Verhalten war dann also deine Art, die Dinge wieder zurechtzurücken?"
Vettel: "Nun, ich fuhr ein Rennen, das ich gewinnen wollte. Unter diesem Gesichtspunkt betrachtet war ich erfolgreich."

Frage: "Durch Webbers Tempo kamen die Mercedes näher an dich heran. Ärgerte dich das?"
Vettel: "Ich würde nicht sagen, dass es mich ärgerte. Ich sagte über Funk, dass ich schneller bin. Das wurde wohl ein wenig missverstanden. Was ich sagte, kam wahrscheinlich ein bisschen arrogant rüber. Was ich eigentlich meinte, war, dass ich Druck von hinten bekam. Mercedes legte ein starkes Renntempo an den Tag und musste zu unserem Glück dann Sprit sparen. So konnten sie ihr Tempo nicht bis zum Schluss aufrechterhalten. Sobald ich zu Mark aufgeschlossen hatte, wurde er schneller. Um ehrlich zu sein war er gegen Ende des Stints sogar ein bisschen schneller als ich."

Funkspruch gehört, aber nicht verstanden

Frage: "Welchen Teil von 'Multi21' hast du nicht verstanden?"
Vettel: "Das ist ein Code. Ich kann nur wiedergeben, was wirklich passiert ist - ob mir das geglaubt wird oder nicht. Ich schaute auf das Lenkrad und wurde... nicht durcheinandergebracht, aber ich konnte die Änderung der Einstellung nicht finden. Wir haben diesen Code im Team seit einer ganzen Weile und ich hätte ihn verstehen sollen. Punkt. Doch das war nicht der Fall."

"Es ist ja nicht so, als würde man in einem stillen Raum sitzen und hätte alle Zeit der Welt." Sebastian Vettel

Frage: "Wenn du es nicht verstanden hast: Warum hast du nicht gefragt?"
Vettel: "Gute Frage. Es kommt im Rennen ja ständig vor, dass Änderungen - was Mapping angeht - per Funk durchgegeben werden. Das wird normalerweise öfter als einmal gesagt. Der Spruch kam einmal. Da er dann nicht wieder kam, dachte ich, es hätte sich erledigt... beziehungsweise danach kaum auch was anderes. Es ist ja nicht so, als würde man in einem stillen Raum sitzen und hätte alle Zeit der Welt und alle Ruhe, um sich Gedanken zu machen, was genau jetzt von einem verlangt wird. Man fährt ja nebenbei auch noch Auto und soll das auch noch relativ schnell machen, muss nach den Reifen schauen, was auch immer. Ich will mich nicht beschweren. Ich bin zufrieden mit meinem Job. Nur um zu erklären, dass es nicht immer so einfach ist, wie es vielleicht von außen ausschaut."

Die Frage nach der Autorität von Teamchef Horner

Frage: "Stimmt es, dass sich anschließend auch Christian Horner über Funk bei dir gemeldet hat?"
Vettel: "Um das vielleicht ein wenig zu erklären: Wir haben mehrere Funksprüche im Rennen. Manche davon tauchen wieder auf, weil sich wichtig sind. Andere ergeben sich von selbst. Manche Funksprüche sind vielleicht an Orten platziert... Normalerweis spricht nur der Ingenieur zu mir. Ich erwartete auch nicht, dass jemand anderer zu mir spricht, eine andere Stimme kommt. An manchen Stellen ist es sehr einfach, den Ingenieur zu verstehen, an anderen Stellen weniger - vor allem wenn man ausgangs der Kurve aufs Gas tritt, der Motor aufheult und so weiter."

"Der Funkspruch kam nicht am perfekten Ort. Christian ist da, glaube ich, nicht in der Praxis. Er redet nicht immer mit dem Fahrer, sondern nur sehr, sehr selten. Gut, nach dem Rennen vielleicht, aber da ist man vom Gas und es ist eh alles vorbei. Es war aber praktisch auf der Geraden und ich habe es nicht verstanden. Ich habe gehört, dass jemand am Radio spricht. Ich wusste gar nicht, dass der Christian etwas sagt, denn ich habe die Stimme gar nicht erkennen können - einfach weil es zu laut war. Normalerweise muss es der Ingenieur genau so abpassen, dass der Funkspruch kommt, wenn man am Ende vom Runterbremsen ist, am Ende vom Runterschalten. In der Kurve hat man ein kurzes Zeitfenster, bevor es wieder aufs Gas geht."

Christian Horner

Vettel gibt vor, nicht erkannt zu haben, dass Horner am Funk sprache Zoom

Frage: "Wurde Christian Horners Position durch dein Verhalten geschwächt?"
Vettel: "Das könnte man so sehen, aber wie schon gesagt: Ich habe sofort im Anschluss an das Rennen allen erklärt, was passierte. Meine Absicht war es nicht, die Entscheidung des Teamchefs zu untergraben."

Frage: "Horner sagte, es stand nicht zur Debatte, dass du zum Schluss die Führung wieder abgeben sollst. Kann man daraus schließen, dass Horner nicht mehr die volle Kontrolle besitzt?"
Vettel: "Ich denke nicht, dass man das so sagen kann. Die Umstände sind andere. Er ist der Teamchef, der die Kontrolle über alle Mitarbeiter hat und der das Team führt. Ich glaube nicht, dass ich in einer anderen Position bin, als ich bin. Ich bin der Fahrer."

Frage: "Wenn Christian dich gegeben hätte, Platz eins wieder herzugeben, hättest du es dann getan?"
Vettel: "Ich habe die Anweisung des Teams nicht bewusst ignoriert, denn ich habe sie nicht verstanden. Ich habe sie gehört, aber nicht in der Form aufgefasst, wie ich es hätte tun sollen. Ich habe mich entschuldigt, denn durch mein Verhalten habe ich die Anweisung des Teams nicht befolgt und mich selbst über das Team gestellt. Wenn ich die Anweisung richtig verstanden und darüber nachgedacht hätte, dass das Team Mark auf Platz eins und mich auf Platz zwei ins Ziel kommen lassen wollte, dann hätte ich wahrscheinlich genauso gehandelt. Er hat es nicht verdient. Ich bin der Meinung, es ist immer das Beste, ehrlich zu sein. Ich war immer ehrlich und habe auch nach dem Rennen die Wahrheit gesagt."

Retourkutsche an Webber

Frage: "Wie würdest du dein Verhältnis zu Mark Webber beschreiben und glaubst du, dass du auf seine Unterstützung zählen kannst?"
Vettel: "Um ganz ehrlich zu sein, bekam ich von ihm nie Unterstützung. Ich bekomme jede Menge Unterstützung vom Team, das uns beide in gleichem Maße unterstützt. Was das Verhältnis zu Mark angeht: Als Rennfahrer respektiere ich ihn sehr, aber ich glaube in der Vergangenheit gab es mehr als eine Situation, in der er dem Team hätte helfen können, es aber nicht getan hat."

Frage: "War das der Grund für dein Verhalten in Sepang?"
Vettel: "Ich habe erklärt, warum ich so gehandelt habe. Ob mir das geglaubt wird oder nicht, steht auf einem anderen Blatt."

Mark Webber, Sebastian Vettel

In den Augen von Vettel hatte Webber den Sieg in Sepang nicht verdient Zoom

Frage: "Du sagst, Mark hätte dir nie geholfen. Hast du es ihm damit also zurückgezahlt?"
Vettel: "Indirekt könnte man das so sagen. Doch wie ich schon im Anschluss an den Rennen versucht habe zu erklären, ist es meiner Meinung nach immer das Beste, ehrlich zu sein. Manchmal ist die Wahrheit aber nicht das, was die Leute hören wollen. Es ist bekannt, dass ein Streit zugkräftiger ist als die Wahrheit. Ich habe nach dem Rennen erklärt, was vorgefallen ist. Ich fuhr ein Rennen und war als Rennfahrer einzig und allein darauf konzentriert, das Rennen zu gewinnen. Ich bekam einen Funkspruch, den ich gehört, zu diesem Zeitpunkt aber nicht verstanden habe. Ich hätte ihn verstehen sollen. Deshalb habe ich mich beim Team entschuldigt, denn mit meinem Verhalten stellte ich mich selbst über das Team. Ob mir das geglaubt wird oder nicht, liegt nicht in meinen Händen."

Frage: "War dein Verhalten eine Retourkutsche für Brasilien 2012?"
Vettel: "Ich glaube, es gibt mehr als Brasilien, was passiert ist, aber wenn man es so nennen will, dann kann man es so nennen."

Frage: "Wie würdest du die vergangenen zwei Jahre von Mark charakterisieren?"
Vettel: "Ich bin nicht jemand, der viel redet über die Dinge, die intern passieren. Das hilft vielleicht nicht immer dem Verständnis nach außen, aber es ist nicht meine Art, schlecht über andere Leute zu reden. Ich glaube, jeder kann sich sein eigenes Bild machen. Was passiert ist, ist passiert und sollte klar genug sein."

Frage: "Mark sagte hier, dass ihr zwar schon miteinander geredet habt aber noch viel mehr bereden müsst. Wie siehst du das?"
Vettel: "Ich bin offen. Wenn er mit mir reden will, gerne. Bis jetzt kam er in der Hinsicht noch nie auf mich zu. Ich habe großen Respekt für ihn als Rennfahrer. Auf persönlicher Ebene ist es vielleicht ein bisschen anders - auch basierend auf der Tatsache, was bis jetzt alles passiert ist. Ich sage nie, dass ich immer im Recht bin, sondern bin offen, mit den Leuten zu reden. Wenn sich dabei etwas herausstellt, worüber man vorher noch nicht nachgedacht hat, dann bin ich offen dafür."

Der berühmte Tunnelblick im Auto

Frage: "Du sagtest, dass du lieber Taten als Worte sprechen lässt. Während des Rennens in Sepang hast du dich aber über Funk über Webber beschwert..."
Vettel: "Das wird als Beschweren ausgelegt. Mir ist klar, warum das so ist. Wenn man es Wort für Wort anhört, dann wird mir klar, wie es rübergekommen ist. Tatsache ist, dass ich zu diesem Zeitpunkt schneller war und von hinten unter Druck geriet."

"Man versucht, einen Zustand zu erreichen, wo man praktisch in einem Tunnel ist und der Autopilot übernimmt." Sebastian Vettel

Frage: "Warst du im Nachgang von dir selbst überrascht, dass du gewissermaßen in einem Tunnel unterwegs warst und so reagiert hast?"
Vettel: "Was den Tunnel angeht: Da kann ich, glaube ich, sehr stolz auf mich sein. Als Sportler allgemein versucht man genau so einen Zustand zu erreichen: Wo man praktisch in einem Tunnel ist und - blöd gesagt - der Autopilot übernimmt. Man ist natürlich schon Herr der Dinge, aber es sind natürlich gewisse Automatismen. Ich glaube, wenn man dieses Fenster erreicht, ist man dann auch den Tick schneller, als wenn bewusst versucht: 'Ich bremse hier, ich lenke hier ein, ich gebe jetzt Gas'. So etwas passiert einfach von ganz allein."

"Blöder Vergleich: Wenn sich jeder Mensch, der einen Führerschein hat, ins Auto setzt und fährt, dann denkt er nach dem hundertsten Mal auch nicht mehr darüber nach, wie er den Motor startet und wie er jetzt losfährt. Das passiert einfach. Ähnlich ist es bei uns. Um vielleicht da ein kleines Beispiel zu geben. Man kann sich darüber aufregen und sagen, was für ein Idiot, dass der Lewis (Mercedes-Neuzugang Hamilton in Sepang; Anm. d. Red.) bei McLaren an die Box fährt. Anders gesagt: Wenn du so in einem Tunnel drin bist, sieben Jahre lang an die gleiche Box fährst und praktisch der Autopilot übernimmt, dann denkst du in dem Moment nicht nach, sondern fährst einfach an die Box. Wie er dann gemerkt hat, war es falsch. Es wird vielleicht darüber gespottet, aber auf professioneller Ebene kann man einfach auch sagen, dass er vielleicht genau diesen Zustand in dem Moment hatte."

Frage: "Das heißt, du bist nicht zu blöd, um die Anweisung deines Teams zu verstehen?"
Vettel: "Ich hoffe nicht. Nein."

Frage: "Wusstest du denn genau, was du da getan hast?"
Vettel: "Ich habe mich beim Team entschuldigt, denn das letzte was ich als ein Mitglied des Teams will, ist, dass ich wichtiger oder weniger wichtig wahrgenommen werde. Als ein Mitglied des Teams habe ich die Teamorder nicht befolgt. Das war wie gesagt nicht meine Absicht. Als Rennfahrer ist es mein Ziel, das Rennen zu gewinnen. Aus diesem Grund entschuldige ich mich nicht dafür, das Rennen gewonnen zu haben."

Frage: "Hattest du während des Rennens die Punkte im Kopf?"
Vettel: "Nein, den Sieg."

Vettel würde es wieder tun

Frage: "Angenommen, du hättest die Teamorder richtig verstanden. Hättest du sie dann befolgt?"
Vettel: "Ich denke, ich war am Schluss der Schnellere. Deshalb war ich in der Lage, zu überholen. Wir dürfen nicht vergessen, dass Überholen in der Formel 1 nicht einfach ist. Ich bin mir nicht sicher, ob ich auf diese Frage eine perfekte Antwort geben kann. Wenn ich die Anweisung verstanden hätte, dann hätte ich darüber nachgedacht. Gleichzeitig hätte ich wohl realisiert, dass es ein wenig komplizierter ist, denn einerseits bin ich jemand, der die Entscheidungen des Teams respektiert. Andererseits ist Mark wahrscheinlich nicht derjenige, der es zu diesem Zeitpunkt verdient hatte."

Frage: "Warum hat Mark den Sieg nicht verdient?"
Vettel: "Ich mag es nicht, über andere Leute zu sprechen. Das ist nicht meine Art. Ich habe genug gesagt. Unterm Strich bin ich ein Rennen gefahren, war schneller, habe ihn überholt und habe gewonnen."

Frage: "Du würdest also in der selben Situation wieder genauso handeln?"
Vettel: "Ich bin mir nicht sicher, ob ich eine richtige Antwort darauf geben kann, denn inzwischen mag die Situation eine andere sein. Ich würde aber wahrscheinlich genauso handeln."

Frage: "Wie wirst du ab sofort gegen Mark fahren?"
Vettel: "Es ist nicht das Ende der Welt. Unterm Strich komme ich jeden Morgen ins Fahrerlager, weil ich etwas tue, das ich liebe. Ich liebe den Rennsport und ich liebe es, hier zu sein. Ich genieße es sehr, mit dem Team und den Jungs zu arbeiten. Das gibt mir so viel Genugtuung, dass ich mir nichts anderes vorstellen könnte, was mir derart viel Vergnügen bereiten würde. Manchmal gibt es einfachere, manchmal schwierige Zeiten. Unterm Strich bin ich hier, weil ich es genieße."

Kein teaminterner Grabenkampf befürchtet

Frage: "Wird der Stallkrieg bei Red Bull einen Einfluss auf die Titelhoffnungen haben?"
Vettel: "Um ehrlich zu sein glaube ich nicht, dass wir einen Krieg haben."

Frage: "Hat Mark es dir denn geglaubt, dass du den Funkspruch nicht richtig verstanden hast?"
Vettel: "Weiß ich nicht. Letzten Endes muss er es für sich entscheiden, ob er mir glaubt oder nicht. Ich denke, bei allem, was in der Vergangenheit war zwischen uns, habe ich immer die Wahrheit gesagt. Ich wüsste nicht, warum er einen Grund haben sollte, mir nicht zu glauben."

"Ich denke, das Team arbeitet sehr, sehr hart und sehr, sehr fair für beide Fahrer." Sebastian Vettel

Frage: "Teaminterne Grabenkämpfe haben in der Vergangenheit nicht unbedingt dazu geführt, dass ein Team auch erfolgreich war. Befürchtest du nicht auch, dass solche Grabenkämpfe den Erfolg als Team in Frage stellen?"
Vettel: "Das glaube ich nicht. Ich glaube, so etwas passiert erst, wenn es wirklich anfängt, dass sich im Team ein gewisser Spalt bildet. Ich denke, das Team arbeitet sehr, sehr hart und sehr, sehr fair für beide Fahrer - nicht nur jetzt, sondern schon immer. Ich kann es nur beurteilen, seitdem ich beim Team bin. Ich glaube nicht, dass das ein Problem sein wird, weil dieser Spalt sich überhaupt nicht auftut."

Frage: "Wie klärst du das Ganze jetzt mit Mark? Vertraut ihr euch gegenseitig?"
Vettel: "Um ehrlich zu sein würde ich es nicht Vertrauen nennen. Ich denke, wir haben ein professionelles Verhältnis. Wie schon gesagt, gab es in der Vergangenheit mehr als einen Fall, bei dem die Dinge nicht so gelaufen sind, wie sie hätten laufen sollen. Und wie schon gesagt, ich respektiere ihn als Fahrer sehr. Ich denke, er hat in seiner Formel-1-Karriere viel erreicht und auch davor. Das respektiere ich."

Frage: "Unmittelbar nach dem Rennen hast du dich bei Mark entschuldigt. Jetzt klingt das anders. Hast du deine Meinung geändert?"
Vettel: "Diese Dinge kläre ich mit ihm direkt, von Angesicht zu Angesicht. Bei allem, was in der Vergangenheit passiert ist, wurde manchmal mehr, manchmal weniger darüber geredet. Es ist nicht meine Art, zu den Medien zu rennen und mich selbst zu erklären. Wenn ich etwas zu sagen habe, dann ziehe ich es vor, das intern zu sagen."

Stallorder nicht zwingend zu verachten

Frage: "Wünschst du dir für das kommende Jahr einen anderen Teamkollegen?"
Vettel: "Die Entscheidung liegt nicht bei mir."

Frage: "Aber willst du einen anderen?"
Vettel: "Ich merke schon, in welche Richtung es hier geht... ich mag es aber nicht, schlecht über andere Leute zu reden. Es ist nicht meine Art, mich mit jedem über alles zu unterhalten. Wenn es etwas gibt, wofür ich mich entschuldigen muss, dann bringe ich es bei den Leuten an, die für die Entscheidung verantwortlich sind."

Frage: "Helmut Marko hat angekündigt, dass es bei Red Bull ab sofort keine Stallorder mehr gibt. Wird es dadurch schwieriger, den WM-Titel zu gewinnen?"
Vettel: "Ich weiß nicht, ich habe Helmut noch nicht gesehen. Für mich macht es aber keinen Unterschied."

Frage: "Für die Fahrer mag eine Stallorder die Sache einfacher machen. Von Seiten des Teams gibt es natürlich zuweilen andere Interessen wie in Malaysia gesehen. Wenn ihr beide zehn Sekunden vorn liegt, dann will das Team, dass ihr Motor und Getriebe schont. Kann daraus ein Nachteil entstehen, dass du beispielsweise im Zweikampf mit deinem Teamkollegen einen Motor verheizt, den du vielleicht im nächsten Rennen gegen Alonso brauchen könntest?"
Vettel: "Das ist eine berechtigte Frage. Ich denke, zusammenfassend lässt sich sagen: Wenn man von Teamorder oder von Teamarbeit spricht, dann gibt es meiner Meinung nach Situationen, wo es absolut Sinn macht. Ich glaube, bei uns ist das im Vergleich zu anderen Teams ein bisschen ein Sonderfall. Für mich in der Praxis ändert sich, glaube ich, nichts."

Sebastian Vettel

Vettel will nicht das schwarze Schaf im Red-Bull-Team sein Zoom

Frage: "Hast du dich vom guten zum bösen Buben gewandelt?"
Vettel: "Ich sehe mich selbst nicht als den bösen Buben. Ich glaube nicht, dass ich etwas getan habe, dass als solches schlimm gewesen wäre. Ich denke, ich habe nach dem Rennen alles gesagt, was ich zu sagen hatte. Ich habe mich beim Team entschuldigt. Es war mir wichtig, die Dinge zu klären. Ich habe die Gelegenheit, mit dem Team zu sprechen, sofort nach dem Rennen wahrgenommen und habe, genau wie gegenüber den Medien, meine Sichtweise der Vorkommnisse dargelegt. Das ist alles."

Frage: "In Deutschland sehen dich jetzt viele Fans auf den Spuren von Michael Schumacher, der in großen Maße respektiert, aber von vielen Leuten auch nicht wirklich geliebt wurde. Würde dir dieser Liebesentzug etwas ausmachen?"
Vettel: "Letzten Endes hat jeder Mensch die Möglichkeit, für sich selbst zu entscheiden, ob er das gut oder schlecht findet, ob er jemandem glaubt oder nicht. Das sind Entscheidungen, die wir im täglichen Leben für uns immer wieder treffen - aktiv und passiv. Ich glaube, man kann nicht mit der Einstellung herangehen, dass man es jedem versucht recht zu machen. Das ist unmöglich. Dafür gibt es verschiedene Geschmäcker und ich glaube, das ist auch gut so. Wenn jeder alles gut finden würde oder jeder alles schlecht, dann, glaube ich, wären wir nicht so weit wie wir heute sind."

Frage: "Du hast dich entschieden, dieses Rennen gewinnen zu wollen und dich danach dafür entschuldigt. Macht es das für die Zukunft nicht problematischer, wieder Rennen gewinnen zu wollen?"
Vettel: "Nein. Ich verstehe die Frage, aber meine Entschuldigung galt dem Team. Wie ich versucht habe zu erklären, fühle ich mich als Teammitglied. Nicht als etwas besseres oder schlechteres, sondern als einer von vielen. Das Team steckt so viel Arbeit in das Auto und damit indirekt in mich. Das Team hat ein gewisses Vertrauen und ich habe eine gewisse Verantwortung, indem ich das Auto fahre. Ich möchte dieses Vertrauen auch zurückgeben. Ich glaube, man hat mir angesehen, dass mich das nach dem Rennen sehr getroffen hat und ich mich gegenüber dem Team schlecht gefühlt habe."

Keine Strafe seitens des Teams

Frage: "Wurdest du vom Team bestraft?"
Vettel: "Es gibt jede Menge Kratzer auf meinem Rücken (lacht; Anm. d. Red.). Nein. Wie schon gesagt: Ich bevorzuge es, diese Dinge von Angesicht zu Angesicht zu klären. Ich war immer offen und ich denke, ich war immer ehrlich. Wenn ich etwas zugeben oder über ein fehlerhaftes Verhalten reden muss, dann habe ich kein Problem damit, das zuzugeben. Die Wahrheit zu sagen, ist vielleicht nicht immer einfach, aber das ist es, was ich sofort nach dem Rennen kundgetan habe, auch dem Team gegenüber. Meine Absicht war es nicht, meine eigenen Interessen über die des Teams zu stellen. Mir ist klar, in welcher Position ich mich befinde. Ich bin ein Mitglied des Teams und alle im Team investieren viel Arbeit, um mir ein gutes Auto und damit eine gute Chance auf den Sieg zu geben. Das Team vertraut mir. Dieses Vertrauen möchte ich zurückgeben, so gut ich kann."

Frage: "Du hast gegen die Teamorder verstoßen und trotzdem keine Sanktionen dafür erhalten?"
Vettel: "Ich habe mich entschuldigt. Sanktionen im Sinne von Bestrafung? Wahrscheinlich leben alle in einer Art Traumwelt. Was würde man denn erwarten? Wir haben uns intern darüber unterhalten. Wie schon gesagt, ich habe mich beim Team entschuldigt. Das war mir wichtig. So schnell es ging habe ich mich beim gesamten Team entschuldigt, nicht nur bei den Leuten, die an der Strecke arbeiten."


Fotos: Sebastian Vettel, Großer Preis von China, Pre-Events


Frage: "Wie haben die Leute in der Fabrik auf deine Entschuldigung reagiert?"
Vettel: "(Zögert lange; Anm. d. Red.). Ehrlich gesagt haben die Leute nicht verstanden, wofür ich mich entschuldige."

Frage: "Wie fiel die Reaktion von Dietrich Mateschitz aus?"
Vettel: "Fragen Sie doch ihn. Sie sind öfter in Österreich als ich (lacht; Anm. d. Red.)"

Frage: "Mit welchem Gefühl steigst du in Schanghai ins Auto?"
Vettel: "Eigentlich so wie immer. Ich freue mich auf das Training morgen. Es ist eine Strecke, die mir Spaß macht. Ich denke, es ist eine interessante Herausforderung hier. Was die Reifen angeht, wird es, glaube ich, wieder ein schwieriges Wochenende. Die Vorhersage von Pirelli, wie lange die Reifen halten sollen, ist nicht gerade berauschend. Wir werden versuchen, weiter an uns und am Auto zu arbeiten und versuchen, die Reifen so lange wie möglich am Leben zu halten. Ich glaube, das ist uns in Malaysia besser gelungen als in Australien. Ob wir alles verstanden haben, das sei jetzt mal dahingestellt. Wir hoffen auf jeden Fall, einen Schritt in die richtige Richtung gemacht zu haben."