• 09.03.2013 10:23

Knochenjob Saisonvorbereitung: Fünf-Minuten-Terrine adé

Paul Seaby, Rennteam-Manager bei Lotus, über die Belastung der Mechaniker beim Saisonauftakt und bei der ersten Europa-Station des Formel-1-Jahres

(Motorsport-Total.com) - Formel 1 bedeutet nicht nur Glitzer, Glamour und ein sportliches Spektakel. Motorsport ist Knochenarbeit für die unzähligen Mechaniker in den Boxen und den Teamfabriken. Ganz besonders im Vorfeld einer Saison schuften die Angestellten mehr als die Freizeit haben. Für Lotus' Rennteam-Manager Paul Seaby ist es aber auch die aufregendste Phase des Jahres. Im Interview erklärt der Brite, wo die Fallstricke in der Vorbereitung lauern und warum perfektes Equipment unerlässlich ist.

Titel-Bild zur News: Romain Grosjean

Romain Grosjean kann auf seine Jungs bauen: Sie ackern unermüdlich Zoom

Frage: "Die Tests im Vorfeld der Saison sind der erste Gradmesser für die Teams. Wie ist es in Jerez und Barcelona gelaufen?"
Paul Seaby: "Es gab einige simple Probleme, die uns eine Menge Zeit gekostet haben. Die Mannschaft hat einen fantastischen Job gemacht, indem sie die in den Griff bekommen hat. Obwohl sie scheinbar einfach zu lösen waren, können solche Unwegbarkeiten eine Weile dauern. Da muss jeder seinen Stiefel durchziehen, um das Auto zurück auf die Strecke zu bringen. Außerdem mussten wir zwischen den Setups dreier verschiedener Fahrer an einem Tag in Barcelona springen."

Mehr Zeit in Übersee

"Mit Kimi (Räikkönen, Anm. d. Red.) am Samstag im Auto, mussten wir erst alles für Davide (Valsecchi, Anm. d. Red.) vorbereiten und dann - nach nur wenigen Stunden - alles wieder auf die Bedürfnisse Romains (Grosjean, Anm. d. Red.) ausrichten. Das hat nichts mehr mit dem Fünf-Minuten-Job zu tun, der es noch vor einigen Jahren war, da mittlerweile jedes Auto maßgeschneidert für seinen Fahrer ist. Dass wir nur minimal an Zeit eingebüßt haben, ist ein Verdienst jedes Einzelnen."

Frage: "Ist es möglich, das Team mittels Winterprogramm auf ein Rennwochenende vorzubereiten?"
Seaby: "Begrenzt ja, aber es gibt immer zwei Phasen einer Saison, die ein Schock sind: Erstens der Auftakt in Melbourne, zweitens das erste Europa-Rennen. Die Übersee-Stationen erlauben es uns, einen zusätzlichen Tag an der Strecke zu verbringen. Das hilft, den Druck langsam abzubauen. In Europa dagegen kommen wir am Donnerstagmorgen an, um sofort die Autos für das Freie Training zusammenzuschrauben."

"Natürlich legt in der Fabrik am ersten Auto jeder Mechaniker Hand an, ob er nun an der Front- oder an der Heckpartie des Autos eingesetzt wird. Sie bekommen einen Vorgeschmack darauf, was passiert, wenn der Wagen erstmals auf die Strecke geht. Sogar wenn sie gewöhnlich nicht beim kompletten Aufbau dabei sind, wie es an einem Rennwochenende der Fall ist. Die ersten Aufbauten nehmen etwas mehr Zeit in Anspruch, aber sobald wir am Rennplatz ankommen, ist jeder auf Touren."

Jede Naht muss sitzen

Frage: "Abgesehen vom Testen: Welche Vorbereitungsmaßnahmen hat das Team getroffen?"
Seaby: "Zu Beginn der Woche waren wir in Silverstone für einen Filmtag mit Boxenstopps. Das hat unseren Partnern nicht nur gutes Material beschert, es war auch eine willkommen Gelegenheit etwas Praxis zu bekommen. Außerdem war es die Chance, unsere neue Ausrüstung - Overalls von Alpinestars und Helme von Bell - zu probieren."


Fotos: Lotus, Testfahrten in Barcelona


"Das Letzte, was man beim ersten Rennen braucht, sind Dinge, die einem nicht gefallen. Die Crew war fast den ganzen Tag in Aktion und hat sich kein einziges Mal beschwert. Das macht Mut. Es scheint selbstverständlich, aber Komfort, Bewegungsfreiheit und klare Sicht sind enorm wichtig, um sich voll auf den Job zu konzentrieren. Natürlich hatten wir bereits Hunderte Boxenstopps in der Fabrik geübt, um die Sinne der Truppe geschärft zu halten. Die Uhr tickt."

Frage: "Was steht als Nächstes auf der Agenda?"
Seaby: "Nach zwei sehr anstrengenden Tagen, in denen wir die Autos fertiggemacht haben und das Gros an Gepäck verschnürt haben, fliegen wir gruppenweise nach Melbourne. Das ist der anstrengendste, aber auch der spannendste Teil der Saison. Wir freuen uns alle. Mal sehen, was Australien bereit hält."