• 08.09.2012 20:55

  • von Dieter Rencken & Roman Wittemeier

Montezemolo fordert revolutionäre Ideen

Ferrari-Präsident Luca di Montezemolo überrascht im Rahmen des Monza-Rennwochenendes mit neuen Ideen: Formel-1-Rennen bald in zwei Teilen?

(Motorsport-Total.com) - Die Verantwortlichen der Formel 1 arbeiten derzeit unter Hochdruck an der Formulierung eines neuen Concorde-Agreements, das das Zusammenspiel zwischen FIA, Rechteinhaber FOM und den Teams regeln soll. Darin geht es um mehr als nur den Verteilungsschlüssel bezüglich der Vermarktungseinnahmen. Es geht um die Zielrichtung der Formel 1 in der Zukunft. "Aus meiner Sicht gibt es eine gute Zusammenarbeit in einem Dreieck inklusive der Teams", meint Ferrari-Präsident Luca di Montezemolo.

Titel-Bild zur News: Luca di Montezemolo (Ferrari-Präsident)

Luca di Montezemolo holte am Samstag in Monza zum Rundumschlag aus Zoom

"Es ist wichtig, dass man die Teams für viele Jahre bei der Stange hält. Die Inhaber der kommerziellen Rechte, die Teams und die FIA haben das gleiche Ziel: Verbesserung der Show, geringere Kosten und eine Formel 1, die weiter an Popularität gewinnt", sagt der Italiener. "So etwas kann nicht einer allein, auch nicht nur zwei der drei Parteien erreichen. Am Freitag in Maranello haben alle einem einem Tisch gesessen. Ich hoffe, dass es so weitergeht. 2014 ist sehr wichtig. Wir alle wollen, dass die Formel 1 kostengünstiger wird."

Am Freitag hatte der Ferrari-Boss Bernie Ecclestone und FIA-Präsident Jean Todt zu einem Gespräch geladen. Über die Details des Meetings wurde nur wenig bekannt. Sicher stand allerdings ein Herzenswunsch von Montezemolo auf dem Plan: Kostensenkung. "Es ist doch sinnlos, 24 Stunden mit einem kleinen Flap im Windkanal zu arbeiten, der in der Öffentlichkeit niemanden interessiert und der für Hersteller uninteressant ist, weil man so etwas niemals an einem Straßenauto verwenden wird."

"Unter den aktuellen wirtschaftlichen Bedingungen ist es doch sinnvoll, wenn man sagt, dass der Windkanal nur an zehn Tagen pro Monat verwendet wird. Die Besten werden dabei die Besten bleiben. Wer nicht der Beste ist, wird es dann auch nicht werden", meint Montezemolo. Die Formel 1 dürfe zwar nicht kaputtgespart werden, aber man müsse einen vernünftigen Weg finden, der Innovationen erlaube, ohne dabei ein teures Wettrüsten zu entfachen.

Wie viel Zeit im Windkanal muss sein?

"Wir sollten in Sachen Technologien vielleicht offener werden. Zumindest bei Dingen, die für Straßenfahrzeuge relevant sind. Auch bei Dingen, die gut für die Show sind. Man muss sich fragen, ob es klug ist, dass man die Rennen im Juli und August um 14 Uhr nachmittags starten, wenn alle im Urlaub am Strand liegen. Die Fußballspiele beginnen doch auch erst um sechs, sieben oder acht Uhr", nennt Montezemolo ein Beispiel für neue Herangehensweisen.

"Ferrari ist seit 1950 in der Formel 1, der Erfolg ist enorm wichtig. Ferrari wird solange in der Formel 1 bleiben, solange es die Formel 1 ist und nicht ein Rennen von Elektroautos oder irgendein Spiel. Wir wollen Innovation und neue Technologie. Dafür wollen wir Geld ausgeben und nicht für etwas, was nichts mit Wettbewerb zu tun hat. Wenn wir auf diesem Weg weitergehen, dann bin ich guter Dinge", schildert der Italiener seine Sicht.

Das grundsätzliche Anliegen von Ferrari würden vermutlich viele Teams blind unterschreiben. Allerdings treten derzeit die Teams eher wie Einzelkämpfer auf. Die Teamvereinigung FOTA liegt nahezu am Boden, man spricht nicht mehr mit einer Stimme. "Ich war selbst Vorsitzender der FOTA, aber die Zeit verlangt unterschiedliche Dinge. Zu jenem Zeitpunkt war die FOTA sehr wichtig, weil wir uns mit der FIA konfrontiert sahen. Wir wollten keinen Streit, sondern einen Dialog. Damals war es wichtig, die Prioritäten der Teams zu bündeln. Damals waren zum Beispiel BMW, Honda und Toyota dabei, es war eine andere Situation."


Fotos: Ferrari, Großer Preis von Italien


"Heutzutage sieht es in der FOTA ganz anders aus. Es sind jetzt viel mehr kleine Teams dabei", so der Ferrari-Präsident. "Ich persönlich bin der Erste, der die Kostensenkung an allererster Stelle sehen möchte. Aber es muss unter gleichen Bedingungen stattfinden. Wenn man im Fußball Manchester United und Fulham, oder in Spanien Real Madrid und den FC Sevilla vergleicht, dann kann man doch nicht verlangen, dass alle nur exakt die gleiche Summe ausgeben dürfen."

Kostensenkung, aber keine Ausgabendeckelung

Montezemolo ist seit jeher ein Gegner der Kostendeckelung. Er lehnte sie schon vor 2010 ab. "Ich möchte ein Regelwerk, in dem einfach festgeschrieben wird, dass man die Ausgaben senken muss. Über ein Limit geht so etwas nicht. Wie will man das kontrollieren? Ich bin der festen Überzeugung, dass bezüglich der Summen in der jüngeren Vergangenheit schon getrickst wurde. Ich wünsche mir einfach Regeln, die einen kostengünstigeren Betrieb erlauben. Vor allem in jenen Bereichen, die für Zuschauer und den Wettbewerb nicht wichtig sind."

"Aus Sicht von Ferrari ist es wichtig, dass ein Transfer von Technologie möglich ist - aus der Formel 1 in Richtung Straßenautos. Das ist heutzutage nicht der Fall", kritisiert der Italiener. Genau in jenem Bereich hat sich in den vergangenen Jahren der ACO mit seinem Topevent in Le Mans positioniert. Mit Erfolg: Auf der Langstrecke sind derzeit mehr Hersteller (Audi, Toyota, Nissan und Co.) engagiert als in der Königsklasse. Innovation sind eher an der Sarthe als in Monza zu finden.

Ron Dennis, Luca di Montezemolo (Ferrari-Präsident)

Topmanager: Ron Dennis (McLaren) und Luca di Montezemolo (Ferrari) Zoom

"Ich bin dafür, dass man wieder einige Testfahrten erlaubt. Früher war es unbegrenzt, heute finden sie gar nicht mehr statt. Wenn ich heutzutage einen jungen Fahrer ins Auto setzen möchte, dann geht das nicht. Ich würde jetzt niemals einen Nachwuchsmann in den Ferrari setzen, ohne dass der Junge einige Kilometer abspulen konnte", führt Montezemolo seinen Rundumschlag fort.

Frischer Wind: Kurze Rennen und Kundenautos?

Im Sinne einer Kostensenkung kommt das neue Motorenreglement ab 2014 aus Sicht des Ferrari-Chefs zu einem falschen Zeitpunkt. "Ich bin nicht grundsätzlich gegen ein solches Triebwerk, aber ich bin gegen das Timing", sagt er. "Dieser Umbruch wird eine Menge Geld kosten. Meine Überzeugung ist aber, dass wir mit voller Entschlossenheit Kosten sparen müssen. Sonst werden wir in zwei oder drei Jahren nicht mehr genügend Teams haben."

Aus eben dieser Befürchtung heraus habe man schon vor einigen Jahren immer wieder den Vorschlag von Kundenautos unterbreitet. Eine Idee von Montezemolo war es, dass ein drittes Auto der Topteams in Händen von Privatteams zum Einsatz kommen könnte. "Jetzt muss jedes Team ein eigenes Auto entwerfen und bauen. Das ist für uns nicht leicht. Wie schwierig es dann erst für ein kleines Team ist, kann man sich kaum vorstellen." Man könnte bei einem solchen Szenario bessere Konkurrenzfähigkeit versprechen und jungen Talenten aus dem eigenen Stall eine Perspektive bieten.

"Vielleicht liege ich falsch, aber ich bin der Meinung, dass wir die Formel 1 mit neuen Ideen noch besser machen müssen. Ich nenne ein Beispiel: Eineinhalb Stunden sind für junge Menschen eine lange Zeit. Vielleicht wäre es besser, ein Rennen in zwei Teilen auszutragen. Vielleicht ist das falsch. Aber wir müssen etwas tun", appelliert der charismatische Italiener. "Wir müssen die Formel 1 verändern, ohne an den grundsätzlichen Dingen wie Technologie und Innovation zu rütteln."

"Wenn du heute zehn Runden vor Schluss in Führung liegst, dann musst du deine Reifen und deinen Motor schonen, um heil ins Ziel zu kommen. Das hat doch nichts mehr mit einer extremen Sportart wie Formel 1 zu tun. Da muss man sich fragen, ob wir etwas ändern wollen, oder ob das so bleiben soll", sagt Montezemolo. "Wir brauchen frischen Wind. Wir dürfen nicht nur die naheliegenden Dinge angehen. Wir brauchen für die Zukunft der Formel 1 neue Ideen."

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