• 19.09.2012 11:43

  • von Christian Nimmervoll & Dieter Rencken

Concorde-Agreement: Die Zeit drängt...

Neben Mercedes gibt es auch mit der FIA noch keine Einigung über ein neues Concorde-Agreement - HRT und Marussia auf Formel-1-Einnahmen angewiesen

(Motorsport-Total.com) - Am Jahresende läuft das aktuelle Concorde-Agreement, insgesamt schon die sechste Version seit der Urfassung von 1981, aus. Doch auch wenn Bernie Ecclestone schon im Mai verlautbart hat, dass das Thema erledigt sei ("Alle haben zugestimmt"), gibt es bis heute keinen neuen Grundlagenvertrag: "Es gibt momentan kein Concorde-Agreement", bestätigt McLaren-Teamchef Martin Whitmarsh gegenüber 'Motorsport-Total.com'.

Titel-Bild zur News: Titelseite des Concorde-Agreements

Für 1981 wurde erstmals ein sogenanntes Concorde-Agreement ausgehandelt

Auf dem Tisch liegen vielmehr lauter Einzelvereinbarungen zwischen dem Inhaber der kommerziellen Rechte und den Teams: Ferrari wurde mit Sonderzahlungen und einem Sitz im Vorstand der geplanten Formel-1-AG zur Unterschrift des Vorvertrags bewogen, ähnlich wie Red Bull. Wenig später hatte Ecclestone mit McLaren auch das dritte Topteam an Bord, wobei bis heute nicht detailliert durchgesickert ist, was er Whitmarsh dafür anbieten musste.

Hinter vorgehaltener Hand wird sogar gemunkelt, Ecclestone könnte über den Bahrain-Grand-Prix Druck auf McLaren ausgeübt haben - nach dem Motto: Entweder unterschreibt ihr oder ich nehme euch das Rennen in Manama weg. Hintergrund: Mit 50 Prozent der Anteile ist die Bahrain Mumtalakat Holding Company des Königshauses größter Shareholder der McLaren-Gruppe. Ron Dennis und Mansour Ojjeh kontrollieren nur je 25 Prozent.

Sonderkonditionen für Ferrari und Co.

Tatsache ist, dass inzwischen mindestens zehn Teams Ecclestones Bedingungen zugestimmt haben, allerdings auf individueller Basis. Sprich: Der Formel-1-Geschäftsführer hat den Teamchefs jeweils eine Art Basisvertrag hingelegt, der für alle gleiche Konditionen enthält - und dann noch jeweils einen weiteren Umschlag mit einzelnen Sondervereinbarungen wie etwa den Sitzen im Vorstand der Formel-1-AG oder Bonuszahlungen.

"Es wäre gut, von einer Reihe bilateraler Abkommen zu einem Concorde-Agreement zu kommen", unterstreicht Whitmarsh. Doch langsam läuft die Zeit davon, denn für 2013 gibt es noch kein gemeinsames Concorde-Agreement - und mit drei Teams (Mercedes, HRT und Marussia) sowie die FIA gibt es dem Vernehmen nach noch gar keine Einigung. Was den "großen Fisch" Mercedes angeht, passierten auch in Monza keine Fortschritte.

Entscheiden muss letztendlich der Daimler-Vorstand, doch ob und wann Konzernchef Dieter Zetsche dieses Jahr noch einen Grand Prix besuchen wird, ist unklar: "Er hat einen ziemlich vollen Terminkalender", sagt Sportchef Norbert Haug gegenüber 'Motorsport-Total.com', betont aber: "Ich bin mit dem Vorstand immer in Kontakt - die bestens informiert und auf dem Laufenden. Wir kriegen da große Unterstützung und großes Vertrauen und werden das jetzt auch sukzessive umsetzen."

Auch laut Teamchef Ross Brawn besteht "kein Zweifel" daran, dass es zu einer Einigung kommen wird, und man sei "sehr nahe" dran: "Wir hatten harte Diskussionen. Ich bin aber optimistisch, dass wir diese Diskussionen bald abschließen können. Bernies neuer Deal läuft bis Ende 2020, also fordert er vom Team ein Engagement für acht Jahre. Wie auch immer sich das neue Concorde also entwickelt, geht es um einen langen Zeitraum."

Persönlichkeiten erschweren die Verhandlungen

Und, im Fall von Mercedes, um die Anerkennung historischer Erfolge. Denn das Werksteam in seiner heutigen Form ist zwar aus Tyrrell (später BAR, Honda und Brawn) hervorgegangen, für die Verteilung der Einnahmen will Ecclestone aber nur den Zeitraum ab 2010 in Betracht ziehen. In Stuttgart wiederum ärgert man sich über diese Betrachtungsweise, schließlich ist man auch als Motorenhersteller schon seit fast 20 Jahren dabei - von den legendären Ur-Silberpfeilen ganz zu schweigen.

Erschwerend kommt hinzu, dass die Verhandlungen zwischen Ecclestone und den Teams in Einzelfällen durch persönliche Animositäten getrübt wurden und werden. So sagt man dem 81-Jährigen nach, Differenzen mit Brawn zu haben, und dass Williams erst nach der Trennung von Adam Parr an Bord geholt wurde, ist sicher auch kein Zufall. Als Parr dann weg war, gab es nach der Unterschrift eine Einmalzahlung für das britische Team - dokumentiert in der Williams-Bilanz.

HRT und Marussia haben aufgrund ihrer derzeitigen sportlichen Wertigkeit ohnehin kaum Argumente, Ecclestone einen lukrativen Deal abzuringen. Marussia-Teamchef John Booth wirkt im Gespräch mit 'Motorsport-Total.com' aber gelassen, wenn er sagt: "Die Verhandlungen gehen weiter, noch ist nichts besiegelt. Wir haben aber erst Halbzeit im Jahr - da ist noch genug Zeit." Und auch HRT scheint über eine erste Annäherung noch nicht hinausgekommen zu sein.

Adam Parr und Bernie Ecclestone

Adam Parr musste geopfert werden, um Bernie Ecclestone einen Deal abzuringen Zoom

"Wir kommen hin", sagt Teamchef Luis Perez-Sala gegenüber 'Motorsport-Total.com'. "Bernie hilft uns, den bestmöglichen Deal zu machen, und ich sehe da kein Problem auf uns zukommen." Es liege bereits "ein Entwurf" auf dem Tisch, gleichzeitig ist dem Spanier jedoch klar: "Er braucht uns nicht so sehr wie Mercedes, aber wir sind in einer anderen Situation. Wir pushen vermutlich auch nicht so sehr wie Mercedes. Bei uns ist es anders - wir sind viel offener als die reichen Teams."

HRT ist auf Ecclestones Geld angewiesen

Ohne Concorde-Agreement auch 2013 an den Start zu gehen, wie von Branchenkennern als durchaus mögliche Option kolportiert, schließt Perez-Sala aus: "Das ergibt für uns keinen Sinn. Wir sind bei Bernie, das ist klar. Wir haben nicht das Geld, um es uns leisten zu können, ohne Concorde-Agreement hier zu sein. Das ist nicht unser Plan." Gleichzeitig bekräftigt er jedoch die Absicht, auch 2013 die komplette Saison zu bestreiten.

Ein weiteres Problem ist, dass die FIA im Gegensatz zu allen bisherigen Concorde-Agreements noch nicht als unterschreibende Partei an Bord ist - und man Ecclestone unterstellt, zur Not auch ohne den Weltverband auskommen zu wollen. Zwischen dem Formel-1-Geschäftsführer und FIA-Präsident Jean Todt tobt seit Monaten ein Kampf um Geld und Macht, der bisher zu keinem Ergebnis geführt hat. Dabei wollen die Teams unbedingt weiterhin mit der FIA zusammenarbeiten.

Bernie Ecclestone und Jean Todt

Der Schein trügt: Zwischen Ecclestone und Todt tobt seit Monaten ein Machtkampf Zoom

Das derzeitige Concorde-Vakuum stärkt die FIA-Position aber paradoxerweise in den Verhandlungen: "Solange es kein Concorde gibt, können sie in Kraft setzen, was sie wollen, denn die Regeln, unter denen wir fahren, sind FIA-Regeln", erklärt Whitmarsh. "Ohne Concorde sind sie ironischerweise stärker und können tun und lassen, was sie wollen. Aber ich halte es für wahrscheinlich, dass es ein Concorde geben wird, hoffentlich mit Harmonie und guter Zusammenarbeit."

Bereits absehbar ist, dass die Teams mit ihrem Wunsch gescheitert sind, künftig 75 statt rund 50 Prozent der Formel-1-Einnahmen zu erhalten. Ecclestone ist es wieder einmal gelungen, die starke Front der Teamvereinigung FOTA zu seinen Gunsten zu zerschlagen - und hat Ferrari, Red Bull und Co. mit individuellen Deals auf seine Seite gezogen. Ob dies auch zu einem großen Concorde-Agreement führen wird? Fortsetzung folgt.