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Upgrades: Formel 1 eine "Geldausgebe-Maschine"

Das Entwicklungsrennen läuft auf Hochtouren - Parallel zum aktuellen Boliden in der eng umkämpften Saison wird auch schon für 2013 und 2014 geforscht

(Motorsport-Total.com) - In der Formel 1 kämpfen nicht nur Sebastian Vettel, Lewis Hamilton, Fernando Alonso und Co. gegeneinander, sondern auch abseits der Rennstrecke findet ein Entwicklungsrennen der Ingenieure statt. Sieben verschiedene Sieger in den ersten sieben Rennen verdeutlichen die engste und spannendste Saison aller Zeiten. Wie eng es zugeht, musste Alonso im Qualifying in Valencia zur Kenntnis nehmen. Um vier Tausendstelsekunden verpasste der Ferrari-Star den Einzug in Q3. Jedes Detail muss passen, um ganz vorne zu stehen. Deshalb entwickeln die Teams für jedes Rennen neue Teile.

Titel-Bild zur News: Sebastian Vettel

Zu jedem Rennen bringen die zwölf Formel-1-Teams neue Entwicklungen

Mit Ausnahme der zweiwöchigen Sommerpause stehen die Fabriken nie still. Doch das ist für die Ingenieure nicht die einzige Herausforderung. Parallel zum aktuellen Auto wird bereits der Bolide für die kommende Saison entworfen und entwickelt. Dazu kommt ab 2014 ein komplett neues Reglement. Auch darüber zerbrechen sich die "Superhirne" bereits ihre Köpfe. Die Belastung für die Menschen ist groß. Dazu kommt, dass diese Entwicklungen unter dem Ressourcen-Restriktions-Abkommen (kurz RRA) abgewickelt werden müssen.

Derzeit laufen also drei extrem teure und ressourcenfressende Programme gleichzeitig ab. Deshalb gab es im Rahmen des Grand Prix in Valencia auch ein Meeting der Teamverantwortlichen, wo über die Kosten diskutiert wurde. "Wir sind Geldausgabe-Maschinen", sagt McLaren-Teamchef Martin Whitmarsh. "Im Entwicklungsrennen wollen selbst diejenigen von uns gewinnen, die eigentlich mit dem Business dieses Sports zu tun haben."


Fotos: Großer Preis von Europa, Samstag


"Wenn du im Eifer des Gefechts Bedarf siehst, Geld auszugeben, um konkurrenzfähiger zu werden, dann tust du es. Erst danach überlegst du dir, wie du das zahlen kannst", beschreibt der Brite das Szenario in der Königsklasse. Während die Entwicklungen für 2013 und 2014 hinter verschlossenen Türen und unter strenger Geheimhaltung ablaufen, sieht man aktuell bei jedem Rennen Neuheiten an den Autos.

"Upgrades sind wichtig", streicht Williams-Chefingenieur Mark Gillan heraus. "Ganz entscheidend ist aber, die richtige Balance am Auto zu finden. Damit meine ich nicht nur die mechanische Balance, sondern vor allem, die Reifen über das Auto ins richtige Temperaturfenster zu bekommen. Ein Upgrade bringt vielleicht ein oder zwei Zehntel. Ob die Reifen funktionieren oder nicht, entscheidet auf einen Schlag über mehrere Zehntelsekunden."

"Wie man in Q2 wieder gesehen hat, geht es derzeit unglaublich eng zu", spricht er die engen Zeitabstände beim Qualifying in Valencia an. "Die Abstände sind verschwindend gering. Zwei Zehntelsekunden entscheiden über zehn Positionen. Da es derart eng zugeht, kommt auch der Entwicklung auf dem Aero-Sektor eine unglaubliche Bedeutung zu. Genauso wichtig ist es aber, die Reifen im richtigen Betriebsfenster nutzen zu können."

Entwicklung kostet viel Geld

Die Teams liegen in diesem Jahr so eng beisammen wie schon lange nicht. Findet man im Entwicklungsrennen eine Zehntelsekunde, dann ist das viel und kann den entscheidenden Unterschied ausmachen. Doch das ist "immer aggressiv und es ist immer teuer", sagt Whitmarsh. "Wir arbeiten hart an verschiedenen Dingen. Wir haben für jedes Rennen etwas - manchmal ein großes Paket, manchmal nur Details."

"Es ist immer aggressiv und es ist immer teuer." Martin Whitmarsh

"Das ist die Natur dieser Saison. Sie ist so umkämpft, dass wir als Team den Jungs für jedes Rennen ein schnelleres Auto geben müssen. Das tun wir gern - und wir sind selbstkritisch, wenn wir meinen, nicht genug erreicht zu haben. Wir werden weiter Druck machen, um in diesem Entwicklungsrennen dranzubleiben. Es ist teuer, es ist aggressiv, aber es macht auch irgendwie Spaß."

Alles dreht sich um die Reifen

Waren es 2010 der F-Schacht und im Vorjahr der vom Auspuff angeströmte Diffusor, so gibt es in dieser Saison keinen speziellen Bereich des Autos, wo Quantensprünge erzielt werden können. "Die Auspuffkonstruktion ist wichtig, aber nicht mehr ganz so entscheidend wie im vergangenen Jahr. Man findet heute viele verschiedene Lösungen, wenn man die Boxengasse entlang läuft", so Gillan. "Was uns betrifft, so haben auch wir uns verschiedene Lösungen angesehen. Ich würde aber sagen, dass dieses Thema derzeit eher sekundär ist."

"Wichtiger ist es, die Reifen ins richtige Betriebsfenster zu bekommen. Darum geht es bei diesem Spiel. Genau wie alle anderen Teams bauen wir gerade ein Wissen auf, wie man das Auto einstellen muss, um die Reifen ins richtige Temperaturfenster zu kriegen. An diesem Wochenende wird es wieder einmal sehr deutlich, wie schwierig das ist. Wenn es einem Team gelungen wäre, das Rätsel zu lösen, wäre dieses Team konstant vorn. Doch das ist nicht der Fall", spricht er das "Schwarze Gold" von Pirelli an.

Mercedes-Teamchef Ross Brawn stimmt Gillan zu: "Ich glaube, viel der Entwicklung konzentriert sich in diesem Jahr um den Umgang mit den Reifen, damit man sie bestmöglich nutzt. In Australien hatten wir ein katastrophales Rennen. Wir haben hart daran gearbeitet Entwicklungen zu bringen, die das Management der Reifen verbessern. Vielleicht haben wir in etwas anderen Bereichen gearbeitet - so wie alle Teams - damit man die Reifen im optimalen Temperaturfenster hält. Die Entwicklungsrichtung ist vielleicht etwas anders als in den vergangenen Jahren, in denen ich involviert war."

Red Bull in Valencia mit überarbeitetem Paket

Oft befinden sich neue Entwicklungsteile unter der Haube und Änderungen sind mit bloßem Auge kaum zu erkennen. In Valencia hat Red Bull eine interessante Lösung für den Luftstrom zum Heck vorgestellt, die eine überarbeitete Version der berühmten Löcher im Unterboden ist. 'BBC'-Experte Gary Anderson erklärt: "Bei diesem Rennen ist diese Lösung zurück, wurde aber überarbeitet. Jetzt besteht eine Verbindung mit dem Diffusor. Der Luftfluss strömt nun besser in den Bereich, der weniger Druck hat und kreiert dadurch Abtrieb."

Mark Webber

Red Bull hat in Valencia ein neues Aerodynamikpaket vorgestellt Zoom

"Ein wichtiges Element der Modifikation ist die heiße Abluft des Kühlers, die nun nicht mehr vor den Hinterrädern austritt sondern auf halber Strecke. Das kreiert eine Art Schacht, was gut ist, weil man nicht möchte, dass sich die langsame und heiße Luft mit der schnellen Unterdruckluft mischt, die Abtrieb kreiert", beschreibt Anderson. "Das ist nicht alles. Sie haben am Heckflügel auch eine neue Endplatte und kleine Windabweiser auf den Seitenkästen, wie sie McLaren vor ein paar Rennen eingeführt hat."

Die Konkurrenz beobachtet natürlich, was sich die Weltmeistertruppe einfallen hat lassen. Mit hochauflösenden Kameras werden die Autos fotografiert und anschließend genau unter die Lupe genommen. "Es ist ein ziemlich anderes Bodywork-Paket", findet Brawn über die neue Red-Bull-Lösung. "Ich weiß aber nicht, welche Performance es gebracht hat. Es ist schwierig das zu quantifizieren. Es ist aber der normale Kampf, dass Teams Upgrades bringen."

"Wir haben auch beträchtliche Neuerungen dabei, aber sie sind vielleicht nicht so offensichtlich. Die Änderungen bei Red Bull sind gut zu sehen, weil sie oben und an der Außenseite des Bodyworks zu finden sind. Ich schätze aber, dass alle Teams Upgrades entwickeln. Das ist die Natur der Formel 1. Ich glaube, wir müssen noch mehr sehen, bevor wir die echte Performance einschätzen können", meint Brawn über die neue Red-Bull-Lösung.