Startreihe drei: Was ist los bei Red Bull?

Bei Red Bull ist es in Melbourne bisher nicht nach Plan gelaufen - Die Weltmeister verfallen trotz des Rückstands nicht in Panik und wollen konzentriert weiterarbeiten

(Motorsport-Total.com) - So hatten sich die Weltmeister den Saisonauftakt sicher nicht vorgestellt: Als im Qualifying zum Grand Prix von Australien erstmals mit leichten Autos gefahren wurde, zeigte sich, dass der neue Red Bull RB8 nicht der Klassenprimus ist. Stattdessen legte McLaren das Tempo vor. Mark Webber und Sebastian Vettel fehlten sieben Zehntelsekunden auf die Spitze. Unter dem Strich bedeutete das die Startplätze fünf und sechs. Überraschenderweise hatte diesmal der Australier die Nase vorne. Diese Ergebnis muss aber noch nicht der Weisheit letzter Schluss sein, denn zum einen ist Melbourne eine atypische Strecke, die den Charakter eines Stop-&-Go-Kurses hat. Die Strecke in Sepang am kommenden Wochenende ist da schon eher ein Gradmesser.

Titel-Bild zur News: Sebastian Vettel

Sebastian Vettel hat mit seiner Abbey noch keine Höhepunkte gezeigt

Außerdem verlief das Qualifying bei beiden Red-Bull-Piloten nicht optimal. Bei Webber versagte das KERS und Vettel hatte keine perfekte Runde. Deshalb ist der Tenor im Team auch, dass man derzeit zwar nicht das schnellste Auto habe, man aber nicht in Panik verfallen und konzentriert am Paket weiterarbeiten will, denn grundsätzlich ist am RB8 nichts falsch. "Es war okay. Wahrscheinlich nicht mehr als das, aber es war okay", lautet das Fazit von Teamchef Christian Horner.

"Ich würde sagen, dass der Regen am Freitag unsere normale Vorbereitung etwas gestört hat. Trotz Sebastians Dreher am Samstagvormittag war alles normal. Wie ich aber vorausgesagt habe, geht es in dieser Saison viel enger zu als 2011. Wir werden bestimmt eine Antwort auf diese Herausforderung finden." Der Regen am Freitag war aber für alle Teams gleich. Der Ausrutscher des Weltmeisters im dritten Freien Training fällt in die Kategorie "kann passieren". Dabei ging auch nichts kaputt. Vettel verpasste nur einen Versuch mit der weichen Reifenmischung.

Interessant war, dass Red Bull ausgerechnet nicht in der Qualifikation glänzen konnte, denn schließlich zeigte vor allem Vettel in den vergangenen drei Jahren auf eine schnelle Runde starke Leistungen. Oft war der Red Bull in der Qualifikation auch deutlich schneller und vor der Konkurrenz als dann im Rennen. "Am Sonntag und am kommenden Sonntag werden wir herausfinden, wie es um unsere Form im Rennen bestellt ist", meint Webber.


Fotos: Red Bull, Großer Preis von Australien, Samstag


"Im Augenblick sind die Samstage aber vielleicht nicht unbedingt eine Stärke von uns. Schauen wir einmal, wie es am Sonntag und wie es auf einer komplett anderen Strecke in Malaysia läuft. Wie verhalten sich die Reifen und dergleichen? Dann werden wir sehen, wie wir unsere Prioritäten im besten Interesse des Teams setzen müssen." 2011 eroberte Red Bull 18 von 19 Pole-Position. In Melbourne schaffte es kein Auto in die ersten beiden Startreihen.

Ein mittlerweile ungewöhnliches Bild. "Man ist nie komplett zufrieden. Heute ist keine Ausnahme davon. Ich erzähle dir kein Geheimnis, wenn ich sage, dass wir überrascht davon sind, von der untypischen dritten Reihe zu starten", gibt Horner zu. "So ist der Motorsport. Manchmal geht es rückwärts, bevor man wieder voll attackieren kann."

Christian Horner (Teamchef)

Teamchef Christian Horner standen auch schon weniger Sorgenfalten auf der Stirn Zoom

Auffällig war zu sehen, dass der RB8 deutlich unruhiger liegt als sein Vorgänger. Das hat auch mit dem Verbot des vom Auspuff angeströmten Diffusors zu tun, aber Vettel hat auch noch nicht die ideale Balance gefunden. "Ich glaube nicht, dass wir ein großes Problem im Auto haben. Es gibt keine Schwäche. Es geht eher darum, alles herauszuholen anstatt das ganze Auto zu ändern", meint der Weltmeister.

Kein Grund zur Panik

"Es gibt keinen Grund zur Panik. Gestern sind wir nicht viel gefahren und ich war nicht glücklich mit der Balance. Heute Vormittag sah es etwas besser aus. Mein Ausrutscher hat natürlich nicht geholfen. Man kann nicht Millionen Dinge ausprobieren. Im Qualifying kann man auch nicht viel ändern, abgesehen vom Frontflügel und vom Differential."

"Wie gesagt, wir hätten vor diesem Wochenende gerne etwas mehr Streckenzeit gehabt. Wir müssen schauen, dass wir im Rennen viel lernen. Hoffentlich hilft uns das für die nächsten Rennen." Die Mechaniker müssen die Möglichkeiten des Boliden noch ausloten und besser nutzen. "Es ist eine Sache des Feintunings", sagt Webber. "Wie alle anderen Teams, so haben auch wir im Winter immer extrem wenig Zeit, um unsere Vorbereitungen zu treffen."

"Wir hatten zwar einen ziemlich guten Winter, hätten uns aber wahrscheinlich gewünscht, dass es noch etwas besser laufen würde. Wir hätten gerne noch mehr Zeit auf der Strecke verbracht und ein besseres Verständnis über das Auto aufgebaut. Die Basis stimmt aber, ohne Zweifel. Das Fahrzeug entstammt einer guten Familie. Das kennen wir ja von den anderen Autos, die Adrian (Newey; Anm. d. Red.) entworfen hat."

Vettel hat dem RB8 den Kosenamen "Abbey" verpasst: Horner vergleicht den Wagen mit den Vorgängerinnen: "Trotz dieses Nachmittags würde ich sagen, dass sie eine enge Beziehung zu Kinky Kylie hat. Abbey ist eine Evolution von Kinky. Jetzt müssen wir sehen, was wir aus dieser Verwandtschaft machen können."

Zuverlässigkeit noch nicht perfekt

Trotz der recht guten Wintertests, ist Vettel nicht ganz zufrieden. "Generell wären wir gerne mehr gefahren. Manchmal war die Zuverlässigkeit nicht bei 100 Prozent. In den letzten Jahren hatten wir vielleicht mehr Glück. Wir versuchen das Auto immer zu verbessern und hier und da neue Teile zu haben. Normalerweise haben wir nie viele Ersatzteile dabei. In diesem Jahr mussten wir wahrscheinlich etwas öfter anhalten und uns die Zuverlässigkeit ansehen."

"Das kostet Zeit und vor allem Streckenzeit. Das wirkt sich vielleicht jetzt aus. Das sind Fakten, die wir akzeptieren und darauf aufbauen müssen. Wir sind sicher nicht zufrieden mit dem Resultat heute." Am letzten Testtag in Barcelona verlor Vettel durch einen Getriebedefekt viel Streckenzeit. Nun machte im Qualifying das KERS in Webbers Wagen Probleme. Sind die alten Probleme mit der Zuverlässigkeit wieder beim Weltmeisterteam eingekehrt?

Reifenstrategie wird im Rennen interessant

Im Grand Prix am Sonntag wird sich zeigen, ob beide Autos die Distanz schaffen. Horner rechnet mit einem "hart umkämpften Rennen.Es könnte ein, zwei oder drei Boxenstopps geben. Man kann leicht den falschen Weg einschlagen. Das Qualifying war noch nicht das komplette Bild von Melbourne", warnt der Teamchef. Der Umgang mit den Reifen und die richtigen Crossoverpunkte für einen Wechsel zu finden, wird wieder über Sieg und Niederlage entscheiden.

"Die Reifen haben sich über den Winter leicht verändert", spricht Horner das Schwarze Gold an. "Ihre Bandbreite ist größer geworden. Ich glaube, alle Teams werden die Reifen richtig nutzen. Sebastian hat im Vorjahr sehr schnell verstanden, was die Reifen verlangten. Ich bin mir sicher, dass er sich auch diesmal schnell einstellen wird. Die Reifen richtig zu lesen, wird der Schlüssel für den Gewinn der Weltmeisterschaft - genau wie im letzten Jahr. Wir müssen ihm ein Auto geben, mit dem er gewinnen kann."

"Aufgrund der beschränkten Wintertestfahrten ist es unmöglich, einen Rückschluss beim ersten Rennwochenende zu treffen. Soweit waren wir recht zufrieden", meint Horner über das Zusammenspiel des RB8 mit der neuen Reifengeneration von Pirelli. "Eine Qualifikation macht keine Weltmeisterschaft aus."

Mark Webber

Mark Webber konnte im Qualifying nicht auf die KERS-Power vertrauen Zoom

Trotzdem wurde das "schwache" Abschneiden im Fahrerlager interessiert aufgenommen, denn Red Bull war schließlich der Gejagte. "In der Formel 1 ist es immer so: Du stehst gleich im Rampenlicht, wenn du einmal etwas weiter hinten oder weiter vorne liegst als erwartet", wiegelt Webber ab. "Wir standen oft vor unseren Rivalen, nun stehen wir dahinter. Das ist das Ergebnis. In den meisten Sportarten bekommst du, was du verdient hast. Heute gaben wir unser Bestes. Schauen wir einmal, wie es am Sonntag läuft. Noch wurden ja keine Pokale ausgegeben."

Horner ist auch nicht überrascht von den Teams, die in der Startaufstellung davor stehen: "Wir wussten, dass McLaren wahrscheinlich das Team ist, das es zu schlagen gilt. Mercedes und Lotus haben über den Winter große Fortschritte erzielt. Genau das haben wir heute gesehen. Ich schätze, dass man Ferrari auch noch nicht abschreiben darf. Sie hatten schon immer die Stärke, über die Saison gesehen zurückzuschlagen."

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