• 27.10.2011 14:10

"Luftdompteur" Newey im Porträt

Red-Bull-Designer Adrian Newey und der Erfolg auf der Rennstrecke: Ein Porträt über den Briten mit dem Händchen für schnelle Formel-1-Fahrzeuge

(Motorsport-Total.com/SID) - Superhin, Guru, Genie: Es gibt kaum einen Ehrentitel, der Adrian Newey noch nicht zuteil wurde. Kein Wunder, der scheue Brite hat Sebastian Vettel nun schon zweimal hintereinander ein Weltmeister-Auto gebaut. Newey-Kreationen gewannen in dieser Saison schon jeweils zum achten Mal den Fahrer- und den Konstrukteurstitel. Nur er schaffte es, drei unterschiedliche Formel-1-Teams - Williams, McLaren und Red Bull - zum Weltmeister zu machen. Newey ist eben der "Luftdompteur" ('FAZ'), der "Wind-Professor" ('Bild') und "die beherrschende Einzelfigur der Formel 1" ('Focus').

Titel-Bild zur News: Adrian Newey (Technischer Direktor)

Adrian Newey hochkonzentriert in der Startaufstellung vor einem Grand Prix

Eine Traumkarriere für jemanden, der mit 16 von der Schule flog, weil von ihm bediente Megaboxen die Bleiverglasungen des Schulgebäudes zerbersten ließen. Und dessen Laufbahn im Motorsport mit einem vernichtenden Urteil begann. "Christian Danner hat mich nach dem ersten Rennen in der Formel 2 direkt gefeuert", erzählt Newey der 'Bild am Sonntag'. "Er hatte keine Ahnung", rechtfertigt sich der heutige 'RTL'-Experte. Und stößt auf Verständnis. "Ich hätte das an seiner Stelle auch getan", sagt Newey heute selbst.

Das war 1982 und es scheint in einem anderen Leben passiert zu sein. Als Red Bull 2006 Newey verpflichtete, stellte Teamchef Christian Horner klar: "Müsste ich mich zwischen Michael Schumacher und Adrian Newey entscheiden, würde ich jederzeit Adrian wählen." Der Rekord-Weltmeister - er gewann im Gegensatz zu Alain Prost, Ayrton Senna oder Nigel Mansell keinen seiner sieben Titel in einem Newey-Auto - galt als Titelgarant. Doch ehe er ein unterlegenes Auto zum Titel fahren würde, würde Newey ein Hinterbänkler-Team auf den WM-Thron hieven.

Eine Rechnung, die aufging. Newey und nicht etwa Vettel bezeichnet Horner als seine wichtigste Verpflichtung. Bevor Vettel im vergangenen Winter seinen Vertrag bis 2014 verlängerte, sicherte sich das Team erst einmal die weiteren Dienste des Technikchefs für den gleichen Zeitraum.

Sebastian Vettel, Mark Webber, Adrian Newey (Technischer Direktor)

Bei Red Bull durfte Adrian Newey seit 2009 schon viele Rennsiege bejubeln Zoom

Rund acht Millionen Euro verdient er angeblich, nicht viel weniger als Vettel. Doch außer seiner Leidenschaft für alte Sportautos, die er bei zahlreichen Unfällen auch schon mal "verschrottet", macht er sich wenig aus Statussymbolen. Und wenn Newey Vettel als "sehr bodenständigen, harten Arbeiter" lobt, dann ist das gute Verhältnis zwischen beiden schon erklärt.

Geld gebe ihm nur die Freiheit, nicht mehr arbeiten zu müssen, sagt er. Doch mit 52 hat er noch viel zu viel Spaß am Tüfteln. Auch privat erscheint er nach zwei gescheiterten Ehen glücklich. Seine Freundin Nina wirkt wie ein Jungbrunnen. Wenn er mit ihr zusammen ist, wirkt der manchmal kauzig erscheinende Brite ausgelassen wie selten.¿pbvin|512|3695|newey|0|1pb¿

Seine Antworten in Interviews sind dagegen meist kurz und oft so leise, dass man sich anstrengen muss, sie zu verstehen. Das genaue Hinhören lohnt sich aber. Dabei ist Newey trotz seiner Begeisterung für die alten Autos kein klassischer Motorsportfreak. Bei den Autos, die er konstruiert, findet der Sohn eines Tierarztes nämlich einen gänzlich anderen Ansatz.

Christian Horner und Adrian Newey

Teamchef Christian Horner (li.) weiß, was er an seinem Red-Bull-Chefdesigner hat... Zoom

"Mir ist relativ schnell aufgegangen, dass Rennwagen mehr mit Flugzeugen verwandt sind als mit Straßenautos", erklärt er. Dies beziehe sich auf die Aerodynamik, die Elektronik sowie die Art der Konstruktion und des Zusammenbaus. Und genau dies sind die Bereiche, in denen der einstige Student der Aeronautik und Astronautik seine Stärken hat. Dabei arbeitet er heute am liebsten noch ganz ursprünglich, mit Lineal und Bleistift am Reißbrett.

Mit seinem Job beschäftigt er sich rund um die Uhr, bei jeder Gelegenheit kommen ihm Gedanken und Ideen, oft liegt er nachts stundenlang wach. Richtig schlimm war dies aber nur 1994, als Ayrton Senna in einer Newey-Konstruktion in den Tod fuhr. Das sensible Genie war am Boden zerstört und war kurz davor, alles hinzuschmeißen.

"Ich war verantwortlich für dieses Auto, und Ayrton ist darin verunglückt", sagte er: "Natürlich habe ich mich gefragt: Will ich Teil einer Sportart sein, in der Menschen sterben können?" Newey blieb, und nicht nur Vettel ist glücklich darüber. Genies gibt es schließlich nicht all zu viele.