Whitmarsh: Warum 2011 ein schwieriges Jahr ist

McLaren-Teamchef Martin Whitmarsh zieht Halbzeit-Bilanz: Warum der Druck größer als bei der Konkurrenz ist, wieso man strauchelt und was Lewis Hamilton lernen muss

(Motorsport-Total.com) - Silverstone war für McLaren der Gipfel der aktuellen Krise. Beim Team von Martin Whitmarsh lief alles schief, was schief laufen konnte: die Neuentwicklungen funktionieren nicht, die Reifenwahl im Qualifying war falsch, ein Boxenstopp ging komplett daneben und sogar bei der Spritmenge verrechnete man sich.

Titel-Bild zur News: Martin Whitmarsh (Teamchef)

Martin Whitmarsh war zuletzt bei Interviews oft in der Defensive

Der Teamchef stellt nun gegenüber 'Formula1.com' klar, dass sein Rennstall jedes Jahr mit einer völlig anderen Ausgangssituation als die meisten Teams in die Saison geht und der Druck dadurch größer ist. "Bei Ferrari und McLaren ist es eine Tatsache, dass wir eine harte Zeit haben, wenn wir nicht gewinnen", spielt der Brite auf den Siegzwang seiner Mannschaft an.

Siegzwang auf Historie zurückzuführen

"McLaren ist seit 1967 in der Formel 1 und hat seitdem 25 Prozent aller Rennen gewonnen", beweist er Statistik-Kenntnisse. "Wir haben keine Entschuldigung, wenn wir nicht gewinnen - und Ferrari auch nicht." Bei Red Bull sah dies laut Whitmarsh zumindest in der Vergangenheit anders aus: "Vor zwei oder drei Jahren gewann Red Bull nicht und niemand kritisierte sie." Daher zieht er nach der ersten Saisonhälfte ein ganz klar negatives Fazit, auch wenn sein Rennstall die meisten Siege nach Red Bull auf dem Konto hat: "Zwei Siege sind schön, aber wir hätten gerne viel mehr."

Doch woran scheitert McLaren? Whitmarsh glaubt den Grund zu kennen: "Red Bull nutzt den abgasangeblasenen Auspuff aus und wir sind relativ neu auf diesem Gebiet. Wir verbessern uns zwar, aber das tun sie auch. Im Winter waren wir eine Katastrophe. Wir haben uns seitdem mehr verbessert als alle anderen und das müssen wir beibehalten."


Fotos: McLaren, Großer Preis von Großbritannien


Neben dem Team stand zuletzt auch Lewis Hamilton in der Kritik, doch Whitmarsh stellt sich hinter seinen Landsmann: "Ich kenne Lewis, seit er elf Jahre alt ist. Er ist sehr hart zu sich selbst, wenn er einen Fehler macht, und sehr leidenschaftlich - nicht nur beim Fahren." Da Hamilton ungern verliert, stieg zuletzt der Frustpegel immer weiter an - die Medien nützten daraufhin laut Whitmarsh die Situation aus.

Hamilton und die Medien

"Und dann kommen Niki Lauda und andere Leute mit ihren Meinungen und dann gibt es einen Schneeball-Effekt", sieht Whitmarsh seinen Piloten als Opfer. "Ich weiß, dass Lewis stark genug ist, um das durchzustehen und fokussiert zu bleiben, das Auto zu entwickeln und Rennen zu gewinnen. Dann werden die Leute vergessen."

Die Meinung, dass Teamkollege Jenson Button teils souveräner mit den Medien umgeht, lässt Whitmarsh nur bedingt gelten: "Wir dürfen nicht vergessen, dass Jenson älter ist, er hat mehr Erfahrung und hat schwierige Zeiten erlebt - das hat ihn reifen lassen. Lewis hat eine Situation wie diese nie zuvor erlebt, er ist aber klug und wird lernen. Er weiß, dass er Fehler gemacht hat und wird ständig geprüft. Er wird lernen, dass es manchmal besser ist, sich in die Zunge zu beißen und seine Meinung nicht zu sagen."

"Lewis wird lernen, dass es manchmal besser ist, sich in die Zunge zu beißen und seine Meinung nicht zu sagen." Martin Whitmarsh