• 05.11.2010 23:24

  • von Christian Nimmervoll & Dieter Rencken

Aus Renault wird Lotus: Weitere Details

Wir erklären, wie der Formel-1-Einstieg der Lotus-Gruppe über die Bühne gehen könnte und warum es künftig nur noch ein Lotus geben wird

(Motorsport-Total.com) - Der exklusiv von 'Motorsport-Total.com' enthüllte Formel-1-Einstieg der Lotus-Gruppe war heute eines der bestimmenden Themen im Fahrerlager in São Paulo. Denn der britische Sportwagenhersteller wird nicht nur das Renault-Werksteam (das eigentlich ohnehin keines mehr ist) aus der Formel 1 verdrängen, sondern auch dem bisherigen Team Lotus den Namen wegnehmen.

Titel-Bild zur News: Takuma Sato

Schon jetzt tritt die Lotus-Gruppe zum Beispiel in der IndyCar-Serie an

Entgegen anderslautenden Informationen ist letzteres übrigens längst beschlossene Sache. Hintergrund: Die malaysische Regierung hat nicht nur Team-Lotus-Boss Tony Fernandes in die Königsklasse verholfen, sondern kontrolliert über das Automobilunternehmen Proton de facto auch die Lotus-Gruppe. Die ist nämlich eine 100-Prozent-Tochter von Proton - und Proton wiederum gehört zu 42 Prozent der staatlichen Firma Khazanah Nasional Berhad aus Malaysia.

Als klar wurde, dass die Lotus-Gruppe als neuer Namensgeber für das bisherige Renault-Team einsteigen könnte, sprang die malaysische Regierung als Vermittler zwischen Lotus und Lotus ein. Ergebnis: Das Team Lotus verzichtet ab 2011 auf den Namen und geht unter neuer Bezeichnung, wahrscheinlich 1Malaysia, an den Start, während sich das bisherige Renault-Team Lotus-Renault nennen darf. Denn Renault bleibt definitiv als Motorenhersteller in der Formel 1.

Fernandes verzichtet auf die Marke Lotus

Dass das jetzige Lotus-Team nächstes Jahr nicht mehr Lotus heißen wird, steht bereits fest, auch wenn Mike Gascoyne noch versucht, das Geheimnis zu wahren: "Es hat Gespräche in Malaysia gegeben", bestätigt er die 'Motorsport-Total.com'-Recherchen, "aber die sind meines Wissens nach vertraulich. Trotzdem machen heute ein paar Storys die Runden." Inzwischen wurde die Nachricht nämlich auch von anderen Medien aufgegriffen.

Gascoyne scheint sich mit dem Verlust des Namens Lotus schon anzufreunden: "Ich bin ein Ingenieur. Für mich ändert sich der Job am Montag nicht, wenn wir einen neuen Namen bekommen. Fragt nur Ross Brawn, der hat das in den letzten Jahren auch ein paar Mal durchgemacht! Mit Tony, Nasa und Din haben wir drei fantastische Anteilseigner, für die ich sehr gerne und mit Stolz arbeite. Sie sind fest entschlossen, langfristig in der Formel 1 zu bleiben."

Dany Bahar

Ein Traum wird wahr: Dany Bahar will Lotus zum neuen Ferrari machen Zoom

Doch wie steigt die Lotus-Gruppe eigentlich im Detail in die Formel 1 ein? Zum Hintergrund: Das aktuelle Renault-Team gehört nur noch zu 25 Prozent dem gleichnamigen Automobilhersteller, aber zu 75 Prozent der luxemburgischen Investmentfirma Genii Capital von Gerard López. Lotus übernimmt je 25 Prozent von Renault und Genii. Weitere 30 Millionen Euro für fünf Jahre sollen angeblich überwiesen werden, um den Teamnamen bestimmen zu dürfen - ähnlich wie beim Virgin-Modell.

Unklar ist noch, ob der Teamname Lotus-Renault nur auf den Pressemitteilungen des Teams geführt wird (wie früher BMW-Williams statt Williams-BMW) oder auch in der offiziellen Nennliste der FIA. Dafür müsste Genii eine Namensänderung beantragen, die wohl dank des Zusammenhalts innerhalb der FOTA die erforderliche Zustimmung aller anderen Teams erhalten würde. Formel-1-Geschäftsführer Bernie Ecclestone hingegen soll noch Vorbehalte haben, wie man hört.

Die Renault-Belegschaft in Enstone muss sich jedenfalls keine Sorgen machen, denn auch wenn das Team einen neuen Namen bekommen wird, ändert sich am Management nur wenig - zumindest bis Ende 2012 wird wohl Genii mit Teamchef Eric Boullier das operative Geschäft leiten. Nach Ablauf des aktuellen Concorde-Agreements könnte die Lotus-Gruppe dann auch die alleinige Mehrheit der Anteile am Lotus-Renault-Team übernehmen, wie uns zugetragen wird.

Endlich nur noch ein Lotus!

Zumindest eines ist mit dem durchaus verwirrenden Deal, der wahrscheinlich erst nach Saisonende offiziell kommuniziert wird, beendet: das Wirrwarr um das malaysische Lotus-Team und die britische Lotus-Gruppe, die wegen der Namensrechte nach wie vor einen Rechtsstreit gegeneinander führen. Doch dass künftig nur noch die Lotus-Gruppe unter dem Namen Lotus antreten darf, haben Fernandes und seine Partner schon jetzt akzeptiert - vor dem Urteilsspruch in London.

Claudio Berro

Ex-Ferrari-Pressesprecher Claudio Berro ist heute Sportchef bei Lotus Zoom

Für Dany Bahar, den Geschäftsführer der Lotus-Gruppe, geht damit ein Traum in Erfüllung. Der Österreicher etablierte sich einst als rechte Hand von Dietrich Mateschitz im Business, wechselte dann als Markenmanager zu Ferrari und schließlich zu Lotus. Dort hat er der Traditionsmarke neues Leben eingehaucht und ein breites Motorsportprogramm auf die Beine gestellt - unter anderem mit Ex-Ferrari-Kollegen wie zum Beispiel Claudio Berro oder Gino Rosato.

Übrigens wird sich die Lotus-Renault-Partnerschaft voraussichtlich nicht auf die Formel 1 beschränken, sondern es sollen auch auf dem Automobilmarkt weitere Anknüpfungspunkte geschaffen werden. Derzeit geht jeder Lotus-Sportwagen für die Serie mit Toyota-Motor vom Band - vielleicht nicht für immer? Und auch zwischen Lotus-Mutterkonzern Proton und der Renault/Nissan-Allianz könnte es künftig strategische Kooperationen geben.

Die Lotus-Gruppe wird 2011 jedenfalls nicht nur in der Formel 1, sondern auch weiterhin in der amerikanischen IndyCar- und in der GP2-Serie vertreten sein. Zum Duell mit Fernandes kommt es dabei nicht nur in der Königsklasse (Lotus-Renault vs. 1Malaysia), sondern auch in der GP2 (Lotus-ART vs. AirAsia). Was bleibt, ist Erleichterung bei den Fans: Endlich sind wieder alle Lotus-Operationen im Motorsport unter einem Dach...