• 06.05.2010 21:09

  • von Dieter Rencken

Kubica: "Michael ist auch nur ein Mensch"

Robert Kubica zeigt Verständnis für Michael Schumacher und spricht über den starken Saisonauftakt von Renault sowie seine Zukunftsperspektiven

(Motorsport-Total.com) - Frage: "Robert, denkst du, ihr könnt an diesem Wochenende so weitermachen, wie ihr angefangen habt?"
Robert Kubica: "Barcelona ist für die Teams, die zunächst zu schlecht abgeschnitten haben, immer so etwas wie ein zweiter Saisonstart. Deshalb müssen wir abwarten, welche Upgrades die Teams bringen, die nahe an uns dran sind. Leider haben wir hier keine großen Neuerungen, deshalb rechne ich damit, dass manche Teams, die knapp hinter uns waren, die Lücke schließen oder uns sogar überholen können. Wir hoffen natürlich, dass das nicht der Fall ist, aber wir wissen es nicht. Wir müssen abwarten und die Daumen drücken, dass wir es weiterhin in Q3 schaffen."

Titel-Bild zur News: Robert Kubica

Robert Kubica kann Michael Schumachers Probleme nachvollziehen

Frage: "Denkst du, dass Red Bull die erste Reihe stellen wird, wenn es trocken bleibt?"
Kubica: "Vielleicht, aber wie gesagt: Man weiß nicht, was die anderen Teams im Gepäck haben. Ich weiß noch aus meiner Zeit bei BMW, dass man sich darauf konzentriert hat, für Barcelona ein großes Upgrade zu bringen. In diesem Jahr bringen wir an jedem Wochenende kleinere Upgrades. Das ist eine andere Herangehensweise. Wir werden also keinen so großen Schritt machen und wir wissen nicht, wie es die anderen Teams machen."#w1#

"Aber es ist schwer zu sagen, ob es ein Team geben wird, das dominiert und vorne sein wird - und wenn ja welches. Wenn ein Team dominiert, dann denke ich, dass es Ferrari oder McLaren sein wird. Sie haben größere Upgrades und machen größere Schritte nach vorne und sie werden näher an Red Bull dran sein. Aber rein von der Pace her würde ich Red Bull an der Spitze sehen."

Potenzial gut ausgeschöpft

Frage: "Renault hat bisher das Maximum aus den Sonntagen gemacht und mehr Punkte geholt, als die reine Pace zulässt. Bei Red Bull war es genau das Gegenteil - sie haben wesentlich weniger Punkte geholt, als sie hätten sollen. Das spricht für euch, oder?"
Kubica: "Ich denke, dass niemand erwartet hätte, dass wir mit so vielen Punkten hierher kommen. Wir haben unsere Chancen so gut wie möglich genutzt. Bei manchen Gelegenheiten hatten wir vielleicht auch ein bisschen Glück, bei manchen aber auch Pech, wie in China mit dem Safety-Car. Das hat uns einen klaren Nachteil gebracht, weil ich denke, dass das Podium wirklich in greifbarer Nähe war."

"Aber ich denke trotzdem, dass wir mehr Punkte haben, als wir erwartet hatten. Das ist immer gut, aber wir müssen realistisch bleiben. Denn von der reinen Pace sind wir nicht so gut, wie unsere Punktezahl aussagt. Aber zum Glück geht es bei den Rennen nicht nur um die Pace, sondern um alles. Und wenn man Mischbedingungen hat und andere Rennen als bei völlig trockenen Bedingungen, dann kann man seine Chancen nutzen."

Frage: "Dein Teamchef Eric Boullier hat gesagt, dass er sich hier schon einen guten Schritt erwartet, der ein paar Zehntelsekunden ausmachen kann. Du sagst jetzt, dass das nicht der Fall ist?"
Kubica: "Ja, aber ein paar Zehntel sind kein großer Schritt nach vorne. Wir ich sagte, bringen wir bei allen Rennen kleine Schritte. Das ist auch in Barcelona der Fall. Man kann für Barcelona aber auch einen riesigen Schritt machen, doch unsere Herangehensweise ist anders. Das ist anders als das, was ich aus der Vergangenheit gewöhnt bin, und deshalb ist normal, dass wir hier kein Update haben, das uns sechs Zehntel nach vorne bringt."

¿pbvin|512|2690||0|1pb¿Frage: "Ihr entwickelt euch also während der gesamten Saison weiter?"
Kubica: "Wir hoffen es! Wir versuchen es, zu jeden Grand Prix Updates zu bringen, und deshalb werden wir sicher nie spektakuläre Sprünge von einer halben Sekunde machen. Für uns sind zwei Zehntel ein normaler Schritt, wie eigentlich für die meisten Teams. Aber manche Teams, die am Saisonanfang noch nicht ihre Leistung gezeigt haben, werden wohl signifikant Neues mitbringen. Ich denke, dass wir morgen, wenn die Autos aus den Garagen fahren, einige andere Frontflügel, Heckflügel, Diffusoren, vielleicht sogar komplett andere Autos sehen werden. Das ist bei uns aber nicht der Fall."

Frage: "Kannst du nach vier recht positiven Rennen einmal ein Saisonziel definieren? Glaubst du, dass ihr dieses Jahr ein Rennen gewinnen könnt?"
Kubica: "In der Formel 1 ist alles möglich, aber derzeit ist das nicht realistisch. Wir sind nicht einmal in der Position, um das Podium zu kämpfen. 2008 war ich vor allem am Saisonbeginn dazu in der Lage, auf das Podium zu fahren, aber selbst damals war es bis zum Siegen noch ein recht großer Schritt. Momentan sind wir nicht dazu in der Lage, es mit Red Bull, Ferrari und McLaren aufzunehmen, nicht einmal mit Mercedes - auch wenn wir in den vergangenen zwei Rennen recht nahe an Mercedes dran waren."

"Aber ich halte Mercedes für eines der Teams, die hier einen großen Schritt machen könnten. Wir müssen mal abwarten, wie sich die Hackordnung hier darstellt. Unsere Ziele sind sicherlich hoch, aber wir müssen auch realistisch bleiben. Realistisch ist, hart zu arbeiten und zu pushen und zu hoffen, dass unsere Entwicklungen gut genug sind, um ein bisschen näher heranzukommen. Dann können wir eines Tages vielleicht auch um das Podium kämpfen."

Formel 1 ist komplexer als gedacht

Frage: "Michael Schumacher hat jetzt in vier Rennen nicht richtig überzeugt. Als er als siebenfacher Weltmeister abgetreten ist, haben manche geglaubt, dass er auch in einem Minardi gewinnen würde, aber jetzt zeigt sich, dass das nicht der Fall ist. Bewertest du ihn als Rennfahrer trotzdem noch genau wie früher?"
Kubica: "Als Fahrer weiß ich vielleicht ein bisschen besser, wie komplex die Formel 1 wirklich ist. Ich habe nie geglaubt, dass Schumacher mit einem Minardi Rennen gewonnen hätte."

"Ich weiß, wie schwierig die Formel 1 ist und wie sehr man von anderen Faktoren wie dem Auto und dem Team abhängt. Natürlich sind wir überrascht, dass er dermaßen strauchelt, aber das zeigt, dass er auch nur ein Mensch ist. Ich bin zwar kein siebenfacher Weltmeister, aber ich weiß aus eigener Erfahrung, dass plötzlich alles sehr schwierig wird, wenn es nicht läuft. Kann schon sein, dass es auf einmal wieder klappt, wenn die Puzzleteile einmal zusammenpassen."

"Jeder hat damit gerechnet, dass er von Anfang an vorne ist, aber das war nicht der Fall. Es ist eben nicht so einfach, wie viele glauben, und das ist ein gutes Beispiel dafür, dass Formel-1-Fahrer nicht einfach ins Auto springen und am Sonntag gut fahren können. Das sind komplexe Rennautos."


Fotos: Großer Preis von Spanien, Pre-Events


Frage: "Hast du nun eine andere Meinung von Nico Rosberg als vorher?"
Kubica: "Schwer zu sagen, denn ich fahre keinen Mercedes und bin nicht im gleichen Team. Einige Fahrer lieben das, andere etwas anderes. Wir haben heute nur noch einen Reifenhersteller und es ist nicht mehr so wie damals, als ich angefangen habe, dass sich jeder den Reifen aussuchen konnte, der am besten zu ihm gepasst hat. Da sind wir heute sehr limitiert. Ich war auch einer der Fahrer, die sich komplett umstellen mussten, um mit diesen Reifen zurechtzukommen. Ich musste auch mein Setup umbauen, um das Maximum aus dem Auto und diesen Reifen herauszuholen. Vielleicht ist das Michaels Problem. Es ist einfach anders als früher."

Frage: "Wie lange hast du gebraucht, um dich darauf einzustellen, und wie schwer ist dir das gefallen?"
Kubica: "Schwer zu sagen. Vom Gefühl her brauchst du nicht lange, aber vielleicht musst du nicht nur deinen Fahrstil umstellen, sondern auch das Setup. Dann musst du alles über den Haufen werfen - und das braucht Zeit. Sie scheinen inzwischen zu verstehen, woran es liegt, aber ich kann das von außen nicht gut einschätzen."

"Über das Vertrauen ins Auto hast du ja keine Kontrolle. Entweder du hast Vertrauen oder nicht, aber das kann man mit Worten nicht erklären. Das Fahren eines Formel-1-Autos muss man spüren, um das zu verstehen. Bei den Motorrädern ist dieses Vertrauen noch wichtiger - die Fahrer haben noch größere Schwierigkeiten, wenn ihnen das Vertrauen abgeht. In der Formel 1 ist das wohl ähnlich, aber nicht ganz so stark ausgeprägt."