• 10.02.2009 17:32

  • von Roman Wittemeier

Mosley: Reifenbreite egalisiert KERS-Probleme

FIA-Chef Max Mosley über die Formel-1-Hybridtechnolgie der Zukunft und die Probleme großer Piloten: Vorderreifen schmaler oder Hinterreifen breiter

(Motorsport-Total.com) - Max Mosley ist ein Fan der Hybridtechnologie und wird im Falle eines Falles alle erdenklichen geschütze auffahren, um KERS in der Königsklasse zu verteidigen. Das machte der Brite bei einem Meeting mit Journalisten mehr als deutlich. Es sei geradezu ein Armutszeugnis der hoch bezahlten Techniker in der Formel 1, sollten sie KERS im Verlauf der kommenden Saison nicht zur Rennreife bringen. "Aber trotzdem wäre es okay für mich. Es zeigt dann eben deutlich, dass es eine Herausforderung ist."

Titel-Bild zur News: Max Mosley (FIA-Präsident)

Ein Fan von Hybridtechnik: Max Mosley will keinesfalls von KERS ablassen

Ihm fehle bei der Suche nach technischen Raffinessen in der Formel 1 der Pioniergeist früherer Techniker. "Die Topteams schauen sich doch immer nur alle Komponenten einzeln an, und dann versuchen sie immer wieder, diese zu verbessern. Vielleicht gäbe es einige Ingenieure, die gern mal einen ganz neuen Weg beschreiten würden, aber sie scheitern an den Teamchefs. Die wissen nämlich, dass wenn man ein Bauteil um ein Tausendstelmillimeter dünner macht, man einen Hauch schneller wird."#w1#

Es sei in der modernen Formel 1 einfach zu wenig Platz für Innovationen. "Mutige und innovative Lösungen sind fast komplett aus der Königsklasse verschwunden. Leute wie Colin Chapman, John Cooper oder Keith Duckworth (allesamt legendäre Formel-1-Konstrukteure; Anm. d. Red.) wären in der heutigen Formel 1 verraten und verkauft." Nun habe man die Techniker mit KERS vor eine große Aufgabe gestellt: "Und was passiert? Sie mögen es nicht. Abgesehen von einigen wenigen Leuten."

KERS ist ein alter Hut

Aus Sicht von KERS-Fan Mosley droht der Formel 1 in den ersten Läufen der Saison 2009 ein wahres Horrorszenario. Wenn überhaupt, dann werden nur sehr wenige Teams in Melbourne mit der neuen Technologie an den Start gehen. Noch schlimmer wird es, wenn ausgerechnet diese Teams nach wenigen Rennen zurückrudern und ihr KERS wieder ausbauen. "Gewissermaßen könnte sich die Formel 1 damit lächerlich machen", gab Mosley zu.

Achtung: KERS bringt ganz neue Spannung in die Formel 1 Zoom

Der Brite erklärte jedoch weiter: "Sollte dies passieren, dann läge das wohl eher an einem Fehler im Regelwerk, den wir zu verantworten hätten. Als wir die Hinterreifen schmaler machten, haben wir die Vorderreifen nicht entsprechend angepasst. Das Verhältnis zwischen Reifenauflagefläche und Gewichtsverteilung stimmte nicht mehr, weil der Motor nun einmal hinten ist. Daher enstand der Trend, immer mehr Ballast nach vorne schieben zu wollen."

"Wir müssen wirklich entweder die Vorderräder schmaler oder die Hinterreifen breiter machen. Damit würde das Problem der Gewichtsverteilung verschwinden. Es geht wirklich nur um das Thema Gewichtsverteilung. Da liegt tatsächlich ein Fehler im Reglement zugrunde", sagte Mosley. Der FIA-Chef überraschte mit erstaunlich offenen Worten. Allerdings hatten alle Aussagen ein Ziel: Die Verteidigung der Technologie KERS.

Kurios an der ganzen Geschichte: Als McLaren 1998 ein ähnliches System entwickelt hatte, welches über ein zusätzliches Pedal im Cockpit aktiviert wurde, war die FIA schnell mit einem Verbot zur Stelle. "Ich fand, es war eine faszinierende Technologie", so Mosley. "Dann habe ich mit Charlie Whiting und einigen anderen Leuten darüber gesprochen und wir kamen zu der Erkenntnis, dass man im Bereich der Speicherung die Sicherheit nicht gewährleisten konnte."

Reifenbreite macht Probleme zunichte?

"Damals haben drei Teams an solchen Systemen gearbeitet. McLaren hatte sich mit Ilmor zusammengetan und ein hydraulisches System entwickelt. Das Problem war, dass dieses System explosiv war. Es speicherte zwar nur 400 Kilojoule, was gerade einmal zum Aufkochen von 120 Gramm Wasser reicht. Aber wenn so etwas innerhalb kürzester Zeit freigesetzt wird, kann es einen heftigen Knall geben. Man hätte es über zwei oder drei Sekunden lang langsam entweichen lassen müssen, aber diese Technologie gab es damals nicht."

BMW Mechaniker Jerez

Ein BMW Mechaniker hat beim Test von KERS einen Stromschlag bekommen Zoom

Außerdem machten den FIA-Beteiligten damals einige Versuche mit Schwungrädern Angst. "Es gab in den USA ein Labor, die haben solch ein Schwungrad auf fast vierfache Schallgeschwindigkeit gebracht. Sie haben es sogar geschafft, die gespeicherte Energie kontrolliert und langsam entweichen zu lassen", beschrieb Mosley weiter. Allerdings habe man die Technik verbannt, weil "es damals noch zu früh für solche Systeme gewesen wäre".

Viele Diskussionen gab es in den vergangenen Wochen um das Gewicht der Piloten. Aufgrund der Hybridsysteme haben die Techniker nur noch wenig Spielraum für die Platzierung von Ballast. Schlimmer noch: KERS wird mit seinen bis zu 50 Extrakilogramm zum Großteil im Heck verbaut, die Gewichtsverteilung leidet also noch mehr. Ein regelrechter Schlankheitswahn hat die Formel 1 ergriffen. Die FIA hätte genau dies mit einer Anhebung des Mindestgewichtes verhindern können.

"Es hat uns aber niemand darum gebeten", entschuldigte sich Mosley. Er erinnerte an alte Zeiten, als Piloten mit einer Körperlänge von 150 Zentimetern als Idealbild eines Rennfahrers galten. "Ich erinnere mich, dass ich mal mit Gerhard Berger zusammensaß. Er sagte: 'Wenn du nichts unternimmst, hast du bald nur noch Zwerge in den Autos'. Also haben wir die Regel so verfasst, sodass ein Formel-1-Auto einen Piloten von der Größe 190 Zentimeter aufnehmen können muss."

Die Anhebung des Mindestgewichtes könne außerdem keine probate Lösung darstellen, sagte der FIA-Präsident: "Das wäre nicht richtig, weil wir damit im Falle eines Unfalls noch höhere Energie absorbieren müssten. Auch bei diesem Thema liegt der Schlüssel in den Reifenbreiten." Wegen der Gewichtsverteilung kommen die Formel-1-Techniker auf die wildesten Ideen. Teilweise will man die KERS-Batterien in der Nase platzieren. "Wir schreiben da nichts vor. Hauptsache, es ist sicher."

Standard-KERS als Lösung?

Der Brite stellt sich eine schrittweise Erweiterung von KERS vor. Schon 2010 könnten die Richtwerte in den Bereichen maximale Speicherung und Extraschub erhöht werden. Mosley träumt von einem KERS der Zukunft, welches möglicherweise ein System als Kombination von Schwungrad und Batterien oder Hochleitungskondensatoren beinhaltet. "Die Formel 1 ist gut darin, Dinge leicht und klein zu machen. Ein Straßenauto bräuchte für die Batterien fast einen eigenen Anhänger. Wir müssen nach Alternativen schauen."

Sind Schwungräder die KERS-Lösung für die Zukunft? Zoom

"Williams ist mit dem Schwungrad vielleicht auf dem richtigen Weg", sagte Mosley weiter. "Wenn sie es schaffen, das System zuverlässig und leicht und klein hinzubekommen, dann wäre das für den Automobilbau absolut relevant." Außerdem könne KERS vielleicht schon bald zur Senkung des Benzinverbrauchs eingesetzt werden. Er könne sich außerdem gut vorstellen, dass sich die Teams bei der Entwicklung eines leistungsfähigen Systems zusammensetzen - nach dem Motto: Ein KERS für alle.

Mosley nutzte die Gelegenheit, um seinem Wunsch nach Einheitsbauteilen in der Formel 1 noch einmal Nachdruck zu verleihen. Mit einem entsprechenden Plan für Triebwerke war er gescheitert. "Ein Team hat zum Beispiel allein 13 Motoren in einem Jahr dafür verbraucht, um das Getriebe zu testen. Das ist komplett verrückt. Kein Zuschauer auf der Tribüne interessiert sich dafür, welches Getriebe im Auto steckt. Als 1970 außer Ferrari und BRM alle mit einem Hewland-Getriebe fuhren, hat das auch niemanden interessiert."

Gerade in der Entwicklung und beim Bau von Getrieben würden hohe Kosten anfallen. Mosley rechnete vor, dass eine entprechende Abteilung pro Jahr 20 bis 25 Millionen Euro verschlinge. "Hinzu kommen zehn bis zwölf Leute, jede Menge im Hintergrund und unendlich viele Tests. Jedes Jahr wird das Getriebe dadurch marginal besser. Wir könnten im Gegensatz dazu ein Standardbauteil haben, welches rund eine Million Euro kostet."

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