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  • 02.12.2008 09:15

  • von Michael Noir Trawniczek

Bortolotti: "Die Formel 1 ist das Ziel"

Formel-3-Youngster Mirko Bortolotti im Interview über seine Fabelzeit im Ferrari und die Aussichten für das kommende Jahr

(Motorsport-Total.com) - Mirko Bortolotti kannten vor wenigen Tagen nur die wahren Insider - doch das änderte sich von einem Tag auf den anderen. Als Champion der Italienischen Formel 3 durfte der 18-jährige gemeinsam mit dem Zweit- und Drittplatzierten in Fiorano den Ferrari F2008 testen. Dabei gelang ihm eine Rekordrunde - schneller als Ferrari-Tester Andrea Bertolini und auch schneller als Kimi Räikkönen im Januar 2008. Im Interview sprach Mirko Bortolotti über sein Abenteuer in Fiorano.

Titel-Bild zur News:

Mirko Bortolotti stellte seine Formel-3-Mitstreiter klar in den Schatten

Frage: "Mirko, zunächst einmal gratuliere ich dir zu der schnellen Zeit im Ferrari F2008 - jetzt wissen wir ja, dass du noch zur Schule gehst: Wie war das am Tag danach, als du deine Klassenkollegen wieder gesehen hast?"
Mirko Bortolotti: "Meine Schulkollegen wissen natürlich, dass ich Rennfahrer bin und sie wussten auch Bescheid, dass ich diesen Test fahren werde - am Tag danach habe ich ihnen natürlich ausführlich darüber berichtet und die Lehrer und Kollegen haben mir ganz nett gratuliert. Das war also eine sehr schöne Erfahrung, zugleich war es schon auch ein bisschen traurig, quasi wieder in den Alltag der Schule zurückzukehren."#w1#

Bestzeit unter schwierigen Voraussetzungen

Frage: "Bislang bist du ja in der Italienischen Formel 3 gefahren und konntest dort in diesem Jahr die Meisterschaft gewinnen - der Sprung vom Formel 3 in den Formel 1 muss gewaltig gewesen sein..."
Bortolotti: "Ich bin die letzten zwei Jahre in der Italienischen Formel 3 gefahren - im Vorjahr wurde ich Gesamt-Vierter, wobei ich zwei Rennen vor Saisonende die Meisterschaft angeführt habe und dann aber aufgrund von Pech auf Platz vier zurück geworfen wurde. In dieser Saison gab es dann quasi die Revanche und ich konnte den Titel holen. Es ist aber so, dass ich eine Woche vor dem Formel-1-Test einen Testtag in der Formel 3000 Euroserie absolviert habe - dort konnte ich die Bestzeit markieren."

"Ein Formel-1-Auto ist einfach einzigartig, du musst deinen Fahrstil komplett ändern." Mirko Bortolotti

Frage: "Welcher Schritt erscheint dir als der größere - der von der Formel 3 in die Formel 3000 oder der von der Formel 3000 in die Formel 1?"
Bortolotti: "Eindeutig der von der Formel 3000 zur Formel 1. Denn ein Formel-1-Auto ist einfach einzigartig, du musst deinen Fahrstil komplett ändern. Die Bremsen waren auch sehr beeindruckend - da ist der Unterschied gewaltig, mit den Karbonscheiben kannst du viel später bremsen."

"Und obwohl ich auch die Strecke in Fiorano nicht gekannt habe, konnte ich mich recht schnell daran gewöhnen. Das Feeling für das Auto war von Anfang an da, ich habe das Auto gleich verstehen können. Nur hat es halt in der Nacht vor dem Test geregnet und ich kam als Erster an die Reihe, weshalb ich also zunächst bei nasser, beziehungsweise feuchter Strecke gefahren bin. "

Frage: "Das stelle ich mir gerade als Formel-1-Rookie ziemlich schwierig vor auf feuchter Strecke..."
Bortolotti: "Du, ich wäre auch bei Schnee und Glatteis gefahren - ein Formel-1-Test ist einfach so etwas tolles, da wäre ich bei allen nur möglichen Bedingungen gefahren. Die Situation war eben so, dass es feucht war und ich habe mich halt an die herrschenden Umstände angepasst."

"Bei den beiden anderen Piloten war die Strecke dann aufgetrocknet, weshalb sie naturgemäß schnellere Zeiten fahren konnten. Aus diesem Grund erhielt ich am Schluss noch eine Chance - ich konnte zwei Stints beziehungsweise elf Runden bei Trockenheit drehen."

Youngster macht Ferrari-Techniker glücklich

Frage: "Und in diesen elf Runden hast du die schnellste Zeit des Tages, ja sogar einen Rundenrekord für den F2008 herausfahren können - waren die Ferrari-Ingenieure eigentlich erstaunt über deine schnellen Rundenzeiten?"
Bortolotti: "Das kann ich dir nicht sagen, denn ich saß ja im Auto und habe die Ingenieure daher nicht beobachten können."

Frage: "Ich meinte nach deinen Stints - wie haben sie auf deine Bestzeit reagiert?"
Bortolotti: "Die Techniker waren sehr zufrieden und sagten, dass ich zwei tolle Turns gefahren bin. Obwohl ich auf meiner schnellsten Runde sogar ein paar Zehntel liegen gelassen habe. Aber was soll's - das war der Tag, von dem ich seit meiner Kindheit, seit meinen Karttagen geträumt habe. Und ich wollte diesen Test so gut wie nur möglich absolvieren und das ist mir, so scheint es, auch sehr gut gelungen."

Frage: "Im Nachhinein betrachtet: War der F2008 leichter oder schwieriger als erwartet zu fahren?"
Bortolotti: "Der F2008 ist sehr schwierig zu fahren - aber genau das habe ich auch erwartet, genau so habe ich es mir vorgestellt. Dass man so spät bremsen kann, wusste ich bereits im Vorfeld, denn das ist es, was einem jeder erzählt. Dass ich mit dem Auto so schnell zurechtkommen und ich eine so schnelle Zeit fahren würde, damit habe ich eigentlich nicht gerechnet, denn der Druck ist schon enorm, man erwartet sich ja auch etwas von einem solchen Test. Doch das habe ich jetzt geschafft."


Fotos: Formel-3-Youngster beim Ferrari-Test


Frage: "Gibt es weitere Formel-1-Pläne? Gab es von Ferrari eine Einladung für weitere Testfahrten oder ähnliches?"
Bortolotti: "Nein, in diese Richtung gibt es keine Einladungen oder dergleichen - ich gehe jetzt eben meinen Weg weiter, denn ich bin ja auch noch sehr jung und habe noch viel zu lernen. An dieser Stelle möchte ich mich auch bei der Scuderia Ferrari, bei den Verantwortlichen der Italienischen Formel 3 und allen anderen bedanken, die diesen Test ermöglicht haben."

Frage: "Du warst nicht nur der schnellste der eingeladenen Jungpiloten, sondern auch um sechs Zehntelsekunden schneller als Kimi Räikkönen, der allerdings im Januar zuletzt in Fiorano gefahren ist, als der F2008 noch am Beginn seiner Entwicklung stand..."
Bortolotti: "Unsere direkte Vergleichszeit kam von Ferrari-Testpilot Andrea Bertolini (fährt zum Teil für Ferrari in der FIA GT-Serie und absolviert Formel-1-Tests für die Scuderia; Anm. d. Red.). Und da konnte ich seine Zeit um drei Zehntelsekunden unterbieten. Im Vergleich zu Kimi Räikkönen waren es glaube ich sogar etwas mehr als die von dir erwähnten sechs Zehntelsekunden, die ich schneller war als er."

Frage: "Von dir wurden Hoffnungen erweckt, dass du vielleicht der nächste Österreicher in der Formel 1 sein könntest. Vielleicht sogar der neue Niki Lauda?"
Bortolotti: "Naja, wenn ich Namen wie Niki Lauda höre, kann ich mich nur vor diesen Namen verbeugen - denn diese Leute haben bereits gezeigt, wozu sie in der Lage sind und ich muss das erst noch beweisen. Natürlich ist die Formel 1 für mich das erklärte Ziel."

Zukunftspläne noch immer ungewiss

Frage: "Dass du schneller warst als deine Formel-3-Mitstreiter, ist natürlich erfreulich - aber wirklich erstaunlich ist eben, dass du gleich den Ferrari-Tester schlagen konntest. Und der Vergleich mit Räikkönen zeigt zumindest, dass du in etwa auf Formel-1-Niveau fahren konntest. Traust du dir zu, bei einem Gemeinschaftstest der Formel 1 im Feld mitzufahren?"
Bortolotti: "Ja, das traue ich mir schon zu - das wäre natürlich toll, einen Test zu fahren, bei dem auch alle anderen Formel-1-Piloten dabei sind. "

"Wenn ich Namen wie Niki Lauda höre, kann ich mich nur vor diesen Namen verbeugen." Mirko Bortolotti

Frage: "Wie geht es bei dir 2009 weiter?"
Bortolotti: "Da gibt es zwar viele Ideen, aber wirklich konkrete Pläne gibt es noch nicht. Das müssen wir uns noch anschauen und die verschiedenen Möglichkeiten ausloten."

Frage: "Könnte auch die GP2 in Frage kommen?"
Bortolotti: "Die GP2 wäre denkbar - aber wie gesagt, konkrete Pläne gibt es derzeit noch nicht für die kommende Saison."

Frage: "Andi Zuber fährt mit arabischer Lizenz, Andy Soucek mit spanischer Lizenz. Wie schaut das bei dir aus?"
Bortolotti: "Ich bin in Italien geboren aber in Wien aufgewachsen und zur Schule gegangen. Ich sehe mich daher zu 50 Prozent als Österreicher und zu 50 Prozent als Italiener. Ich fahre zwar mit italienischer Lizenz - aber das liegt auch daran, dass ich in meiner Motorsportkarriere den italienischen Weg gewählt habe und in Italien die verschiedenen Nachwuchsserien bestritten habe. Das kann sich aber auch wieder ändern - denn zuvor bin ich zum Beispiel im Kartsport auch schon mit österreichischer Lizenz gefahren."

Frage: "Deine Familie betreibt in Wien den Eissalon Bortolotti..."
Bortolotti: "Ja, den gibt es seit dreißig Jahren, im dritten Bezirk. Dort stehen auch schon ein paar meiner Pokale herum. Und ich bin ja auch immer wieder in Wien - am Wochenende beispielsweise war ich wieder dort."

Frage: "Wird man in eurem Eissalon bald ein 'Racing-Eis' oder einen essbaren Ferrari bestellen können?"
Bortolotti: "Naja, warum eigentlich nicht? So ein 'Racing-Eis' könnte es durchaus im nächsten Frühjahr geben..."