Verwunderung über "Tauwetter" bei den Motoren

Einigen Herstellern soll trotz Homologierung erlaubt werden, an ihren Motoren zu arbeiten, was die Konkurrenten natürlich nicht verstehen

(Motorsport-Total.com) - "Tauwetter" in der Formel 1: In einer Nacht- und Nebelaktion hat die FIA diese Woche einigen Motorenherstellern erlaubt, die über eine Homologierung bis Ende 2012 an und für sich "eingefrorenen" Motoren weiterzuentwickeln, um Leistungsdefizite wettzumachen. Diese Homologierungslockerung gilt jedoch nicht für alle.

Titel-Bild zur News: Renault-Motor

Der Renault V8 zählt zu den Motoren, die "aufgetaut" werden dürfen

Bestätigt ist bisher, dass Honda dem aktuellen V8-Aggregat mehr Leistung einimpfen darf, vermutet wird dies auch von Renault und Toyota. Das schmeckt den übrigen Herstellern natürlich überhaupt nicht. "Wir sind ein bisschen verwundert", ließ beispielsweise McLaren-Mercedes-Teamchef Ron Dennis via 'autosport.com' ausrichten. Denn dass für die einen andere Spielregeln gelten als für die anderen, das wäre selbst für die oft schwer zu durchschauende Formel 1 ein Novum.#w1#

Die Gründe für die Homologierung

Zur Vorgeschichte: Um Kosten einzusparen, hat die FIA zwischen 2008 und 2012 einen totalen Entwicklungsstopp im Motorenbereich festgelegt. Weiterhin erlaubt sind Arbeiten an der Zuverlässigkeit (jede Modifikation muss allerdings von der FIA abgesegnet werden), strikt verboten ist hingegen alles, was mehr Performance bringt. Offenbar haben jedoch manche Hersteller den Graubereich besser genutzt als andere, bis noch strengere Restriktionen eingeführt wurden.

Plötzlich standen Renault und Co. vor der Situation, deutlich weniger PS als BMW, Ferrari und Mercedes zu haben, doch aufgrund der Homologierung hätte man bis Ende 2012 damit leben müssen. Also zettelten die Betroffenen - allen voran Renault-Teamchef Flavio Briatore, wie man hört - einen Proteststurm an, der nun Wirkung gezeigt hat. Nur: Dass die Hersteller, die ihre Motoren nicht "auftauen" dürfen, stinksauer sind, versteht sich von selbst.

"Wenn wir etwas öffnen, dann muss es für alle geöffnet werden." Mario Theissen

Für BMW Motorsport Direktor Mario Theissen gibt die FIA-Verlautbarung nicht vor, was nun passieren wird, "sondern sie öffnet eine Tür. Es gibt da mehrere Aspekte zu bedenken. Erstens: Es ist ein Wettbewerbsthema, weil das Kräfteverhältnis verändert wird. Zweitens: Wenn wir etwas öffnen, dann muss es für alle geöffnet werden. Und drittens: Wenn es nicht sorgfältig gemacht wird, dann initiieren wir auf diese Weise ein weiteres Kosten- und Technologierennen."

Genau das soll die Homologierung aber eigentlich vermeiden. Dennis: "Die Regel mit der fünfjährigen Stabilität war kostengetrieben. Diese Kostenreduktion haben wir erreicht." Jetzt wieder aufzulockern - noch dazu nicht für alle Hersteller und angesichts der Tatsache, dass die meisten Formel-1-Motorenabteilungen personell massiv verkleinert wurden, weil der Bedarf für Spezialisten nicht mehr vorhanden war -, macht für den McLaren-Mercedes-Teamchef keinen Sinn.

Gleiches Spiel dann auch bei KERS?

Außerdem befürchtet er, dass die FIA mit der Hybridtechnologie KERS, die ab 2009 erlaubt sein wird, ähnlich inkonsequent umgehen könnte: "Meine Angst ist folgende: Wenn wir die angestrebte Stabilität schon bei den Motoren nicht einhalten können, wie hoch ist dann die Wahrscheinlichkeit, dass wir die Stabilität bewahren, falls sich herausstellen sollte, dass die einzelnen Teams KERS unterschiedlich gut implementiert haben?"

Die Silberpfeile haben kein Problem damit, allen Gelegenheit zu geben, an den Motoren zu arbeiten, aber dass es nur für einige wenige Ausnahmen geben soll, kommt in Brixworth nicht gut an. Und: "Wir wollen nicht negativ sein, aber wir sind verwirrt über die sich ständig verändernde Botschaft", so Dennis. "Sparen wir Geld? Haben wir doch wieder ein technologisches Rennen? Wir öffnen Motoren, die für fünf Jahre versiegelt waren. Das ist verwirrend. Jede Änderung kostet Geld."

"Wir wollen nicht negativ sein, aber wir sind verwirrt über die sich ständig verändernde Botschaft." Ron Dennis

Naturgemäß wird die FIA-Initiative von den Herstellern, die profitieren, begrüßt. Deren Argument lautet, dass die FIA alle Leistungsdaten vorliegen hat und demnach fundiert entscheiden kann, welche Motoren ein Leistungsdefizit haben und welche nicht. Es sei nämlich unfair, Teams dazu zu verdonnern, über einen Zeitraum von fünf Jahren mit einem Nachteil leben zu müssen, gegen den man wegen der Homologierung nicht einmal etwas unternehmen kann.

"Auch wenn es nie so beabsichtigt war, gibt es eindeutig eine Ungleichheit bei den Motoren", argumentierte Honda-Geschäftsführer Nick Fry. "Daher bin ich froh darüber, dass etwas unternommen wird, um diese Ungleichheit aufzuheben. Ich weiß nicht genau, was die FIA alles ablesen kann, aber ich bin mir sicher, dass sie gute Informationen über die Leistungseigenschaften vorliegen haben. Die Leistungseigenschaften anzugleichen, ist also etwas, was getan werden kann."