Massa krönt sich zum "Street-Fighter" von Valencia

Mit einer weiteren Topleistung gewann Felipe Massa das erste Stadtrennen in Valencia vor Hamilton und Kubica - Ferrari wieder mit einigen Pannen

(Motorsport-Total.com) - Ein bisschen mehr Action hätte es schon sein dürfen, ein bisschen mehr Fans auch - etwa 10.000 Zuschauerplätze sollen leer geblieben sein -, doch alles in allem ist die Premiere des Stadtrennens im spanischen Valencia gelungen. Und mit Felipe Massa gab es einen Sieger, der sich den Titel "Street-Fighter" auch wirklich verdient.

Titel-Bild zur News: Podium in Europa 2008

Glückliche Gesichter: Lewis Hamilton, Felipe Massa und Robert Kubica

Vor drei Wochen war eine herausragende Leistung des Ferrari-Piloten am Hungaroring wegen eines Motorschadens noch unbelohnt geblieben, doch heute war er nicht einmal durch das Schicksal zu stoppen. Zwar agierte sein Team auch diesmal nicht fehlerfrei, aber am Ende reichte es für den dritten Saisonsieg nach Manama, Istanbul und Magny-Cours. WM-Leader Lewis Hamilton (McLaren-Mercedes) musste mit Platz zwei Vorlieb nehmen.#w1#

Keine spanische Fiesta um Alonso

Der Pechvogel des Tages war beim Grand Prix von Europa Kimi Räikkönen, denn nach Massas Motorschaden in Budapest hauchte diesmal sein Ferrari-V8 nach dem (verpatzten) zweiten Boxenstopp sein Leben aus. Ansonsten verlief das Rennen aber erstaunlich ruhig: 17 von 20 gestarteten Autos sahen nach 57 Runden die Zielflagge - unter den Ausgeschiedenen war sehr zur Enttäuschung der spanischen Fans Fernando Alonso (Renault).

Fernando Alonso

Fernando Alonso sah auch bei seinem zweiten Heimrennen nicht die Zielflagge Zoom

Ausgerechnet der Lokalmatador wurde nämlich zum einzigen Opfer der Positionskämpfe in der ersten Runde, als ihm Kazuki Nakajima (Williams-Toyota) von hinten auffuhr und den Heckflügel wegrasierte. Alonso schleppte seinen R28 noch zurück an die Box, musste dann aber aufgeben, als seine Mechaniker einen Schaden der Hinterradaufhängung feststellten. Für seine Landsleute war damit natürlich recht früh die Luft draußen.

Den Start gewann Polesetter Massa vor Hamilton, der in den ersten beiden Kurven eine Attacke von Robert Kubica (BMW Sauber F1 Team) abwehren musste. Heikki Kovalainen (McLaren-Mercedes) schob sich an Räikkönen vorbei auf Platz vier, dahinter folgten Sebastian Vettel (Toro-Rosso-Ferrari), Jarno Trulli (Toyota), Nico Rosberg (Williams-Toyota), Nick Heidfeld (BMW Sauber F1 Team) und Timo Glock (Toyota) in den Top 10.

Viel Disziplin, kaum Zwischenfälle

Abgesehen von einigen kleineren Rempeleien präsentierten sich die Formel-1-Haudegen auf dem von Betonmauern eingekesselten Stadtkurs wesentlich disziplinierter als etwa die GP2-Jungspunde, sodass sich das Feld relativ schnell sortierte. Überholmanöver waren Mangelware und fanden wenn überhaupt, dann nur auf den hinteren Rängen statt - etwa Coulthard gegen Nelson Piquet (Renault) in der fünften Runde um Platz 16.

Start in Europa 2008

Erstaunlich diszipliniert bog das Feld hinter Felipe Massa in die erste Kurve ein Zoom

Vorne setzten sich Massa und Hamilton relativ locker von den übrigen Verfolgern ab - nach neun Runden hatte Kubica bereits zehn Sekunden Rückstand auf den Führenden. Damit war auch schnell klar, dass sich die Entscheidung um den Sieg auf ein Duell zuspitzen würde, aber selbst zwischen Massa und Hamilton kam eigentlich nie wirklich Spannung auf. Generell fehlte es dem zwölften Saisonlauf ein wenig am Entertainmentfaktor.

Kurzer erster Stint von Massa

In der 15. Runde eröffnete Massa mit über vier Sekunden Vorsprung die Serie der ersten Boxenstopps. Hamilton konnte zwar zwei Runden länger fahren, kam aber trotz zweier Topzeiten recht deutlich hinter dem Ferrari-Piloten wieder auf die Strecke zurück. Bis zum zweiten Boxenstopp in Runde 37 baute Massa seinen Vorsprung weiter aus, sodass die Entscheidung im Grunde genommen längst gefallen war.

Felipe Massa

Felipe Massa baute sich vor dem ersten Boxenstopp einen Vorsprung auf Zoom

Doch die Crew des Brasilianers leistete sich einen Schnitzer, als ihm die Freigabe zum Losfahren zu früh erteilt wurde. Massa wäre so beinahe mit Adrian Sutil (Force-India-Ferrari) kollidiert, hatte aber Zentimeterglück. Trotzdem hieß es zittern: Die Rennleitung nahm den Zwischenfall sofort unter die Lupe, kündigte nach Bedenkzeit jedoch an, erst nach dem Rennen eine Entscheidung zu treffen. Somit darf Massa den Sieg wohl behalten.

Hamilton erfüllte den von Mercedes-Sportchef Norbert Haug erteilten Auftrag und sammelte als Zweiter acht wertvolle WM-Punkte, durch die er sein Konto nun auf 70 Zähler aufstockt. Der heutige Sieger folgt mit 64 Punkten auf Rang zwei, dahinter liegen nur noch Räikkönen (57) und Kubica (55) in realistischer Schlagdistanz zum möglichen Titel. Theoretisch haben nach zwölf von 18 Rennen zwölf Fahrer Chancen auf die WM-Krone.

Peinliche Panne beim Räikkönen-Stopp

Der Kampf um Platz drei im Grand Prix entbehrte jeder Spannung, denn Kubica hatte mit Kovalainens Attacken im Finish keinerlei Mühe und brachte 2,3 Sekunden Puffer ins Ziel. Räikkönen spielte keine Rolle mehr: Weil er beim zweiten Stopp zu früh losfuhr, blieb der Tankschlauch stecken! Der amtierende Champion musste noch einmal anhalten, fuhr seinen Tankmann krankenhausreif über den Haufen und fiel auch noch hinter Trulli auf Platz fünf zurück.

Kimi Räikkönen

Bei Ferrari platzte drei Wochen nach Budapest der nächste V8-Motor Zoom

Drei Runden später, im 46. Umlauf, war sein Arbeitstag dann endgültig beendet, als der Motor kaputt ging. Ferraris Fehlerbilanz liest sich in Summe nicht gerade wie die eines Weltmeisterteams: zweimal beim Boxenstopp gepatzt, ein Auto mit Defekt verloren. Da konnte Berater Michael Schumacher, der das Rennen mit Headset am Kommandostand verfolgte, genau wie Ex-Teamchef Jean Todt nur frustriert den Kopf schütteln...

Trulli fuhr den fünften Platz sicher vor dem starken, aber unauffälligen Vettel, den er beim ersten Stopp überholt hatte, nach Hause. Toll war wieder Glock unterwegs: Der Zweite von Budapest erwischte einen Superstart und kam vom 13. auf den zehnten Platz nach vorne, setzte dann seine Einstoppstrategie perfekt um und schnupfte auf diese Weise seine Landsleute Heidfeld und Rosberg - Position sieben. Rosberg erbte als Achter durch den Räikkönen-Ausfall noch einen Zähler.

Farblose Vorstellung von Heidfeld

Heidfeld fehlten heute 10,7 Sekunden auf Rosberg, was angesichts des achten Startplatzes und seines langen ersten Stints als herbe Enttäuschung gewertet werden muss. "Quick Nick" kam nach seinem ersten Stopp knapp hinter Einstopper Glock auf die Strecke und konnte dadurch wohl nicht hundertprozentig pushen, setzte in der Folge dann aber auch keine großen Akzente, was die Rundenzeiten angeht.

Sebastian Vettel

Sebastian Vettel war genau wie gestern auch heute der beste Deutsche Zoom

Somit landeten vier Deutsche in den Top 9, während nur einer nicht ins Ziel kam: Sutil. Der Wahlschweizer überholte erst zu Beginn seinen Teamkollegen Giancarlo Fisichella, nachdem er sich am Funk lautstark darüber beschwert hatte, aufgehalten zu werden, fiel aber wieder zurück, als er früher an die Box kommen musste. In Runde 42 sorgte er für den einzigen Mauerkuss des gesamten Valencia-Wochenendes und ging k.o.

Zwei Autos aus der Boxengasse

Genau wie Rubens Barrichello (Honda) war Sutil übrigens aus der Boxengasse gestartet, weil das Team über Nacht an der Getriebeübersetzung gearbeitet hatte, was den Parc-Fermé-Regeln widerspricht. Barrichello beendete den Grand Prix als 16. und Vorletzter, wurde kurz vor Schluss sogar noch zur Beute von Nakajima, der sich ein Herz fasste und den Fans als Entschädigung für den Alonso-Abschuss eines der wenigen Überholmanöver zeigte.

Fuge in Valencia

Novum in der Formel 1: Die Brückenfuge bereitete im Rennen keine Probleme Zoom

Ebenfalls zu den Mutigen darf sich David Coulthard (Red-Bull-Renault) zählen, denn der Routinier wagte gegen Fisichella in der achten Runde ein Manöver, das nur bei einem von zehn Versuchen gut geht. Zwischen den Oldies kam es zu einer leichten Berührung, beide konnten aber weiterfahren. Coulthard wurde für seinen Übermut mit dem 17. und letzten Platz bestraft. Sein Teamkollege Mark Webber landete auf Rang zwölf - ebenfalls hinter beiden Toro-Rosso-Ferraris.

Bei der Analyse des Rennens kommt noch mindestens eine interessante Tatsache zutage: In der Höchstgeschwindigkeitswertung lagen mit Sébastien Bourdais (Toro-Rosso-Ferrari), Räikkönen (je 313 km/h), Vettel, Massa (je 312) und Sutil (311) fünf Ferrari-Triebwerke an der Spitze! Auch in der Konstrukteurs-WM haben die Italiener trotz der heutigen Fehler mit 121:113 Punkten gegen McLaren-Mercedes die Nase weiter vorne.