• 10.03.2008 15:37

  • von Nimmervoll/Wittemeier

Formel-1-Countdown 2008: BMW Sauber F1 Team

Mario Theissens Truppe brennt auf den ersten Sieg - Analyse: Warum der Start in den Winter missglückt ist und was die ungewöhnliche Frontpartie bewirkt

(Motorsport-Total.com) - Am 16. März beginnt mit dem Grand Prix von Australien in Melbourne die neue Formel-1-Saison. 'Motorsport-Total.com' veröffentlicht aus diesem Anlass jeden Tag einen Artikel aus der Countdown-Reihe - zu den fünf deutschen Stammfahrern und den elf Teams. Heute: das BMW Sauber F1 Team.

Titel-Bild zur News: Nick Heidfeld

Das Saisonziel 2008 des BMW Sauber F1 Teams ist klar: Ein Sieg muss her!

Die Truppe von BMW Motorsport Direktor Mario Theissen geht 2008 in ihr drittes Jahr als eigenständiges Grand-Prix-Team - und eigentlich sollte alles angerichtet sein: Das Team ist eingespielt, in Hinwil ist mit 430 Angestellten (in München sind es knapp 300) der volle Personalstand erreicht, der Ausbau der Fabrik ist weitgehend abgeschlossen und die Fahrer Nick Heidfeld und Robert Kubica gehören sicher zu den besseren Lenkraddrehern im 22 Mann starken Feld.#w1#

Revolution statt Evolution

Außerdem hatten Technikchef Willy Rampf und sein Ingenieursstab länger für das Ausfeilen des 2008er-Konzepts Zeit als die meisten direkten Konkurrenten, weil Platz zwei in der Konstrukteurs-WM bereits zu einem sehr frühen Zeitpunkt gesichert war und man sich somit auf das bevorstehende Jahr konzentrieren konnte. Angesichts dessen lag der Schluss nahe, einen etwas größeren Konzeptsprung zu riskieren, um den Abstand zu Ferrari und McLaren-Mercedes weiter zu verringern.

Präsentation des BMW Sauber F1.08

Präsentation in München: Da hatte der F1.08 noch kein "Hirschgeweih"... Zoom

Das Produkt dieser Überlegungen ist der F1.08, der optisch sehr elegant daherkommt und laut Nick Heidfeld das schönste Auto ist, das er je gefahren ist. Aber Schönheit gewinnt in der Formel 1 keine Rennen, und so war der Aufschrei in Hinwil und München groß, als das Rollout in Valencia erst einmal in die Hose ging. "Quick Nick" und Kubica klagten über eine unberechenbare Balance, Unter- und Übersteuern wechselten sich zum Teil innerhalb von einer einzigen Kurve ab.

Angesichts der drastischen Änderungen im Vergleich zum vorjährigen F1.07 kam dies aber nicht völlig unerwartet. Rampfs Mannschaft reagierte cool und routiniert, entwickelte für jeden der folgenden Wintertests neue Teile - zunächst ein mechanisches Update, dann irgendwann auch das "Hirschgeweih" auf der Nase, das das Fahrverhalten stabilisieren soll. In den letzten Testwochen schien man dann schon wieder auf Kurs zu sein.

Markante Frontpartie ein Risikofaktor?

Ein sehr auffälliges Merkmal des F1.08 ist der Frontflügel, der wie bei allen anderen Teams auch in der Mitte über eine Einbuchtung verfügt, die aber erstens recht groß ist und zweitens schnurgerade. 'Motorsport-Total.com'-Experte Marc Surer sieht darin eine mögliche Ursache für das teilweise unberechenbare Fahrverhalten des Boliden: "Dieser Frontflügel mit dem geraden Mittelteil ist sehr empfindlich", hat er von seinen Schweizer Landsleuten in Hinwil erfahren.

BMW Sauber F1.08

Revolutionär: Die markante Frontpartie des F1.08 soll sehr empfindlich sein Zoom

"Vom Abtrieb her ist das das Beste, was man machen kann, aber es ist extrem schwierig, damit die Balance zu finden", erläutert Surer. "Wenn man mit der Nase nur ein paar Millimeter tiefer kommt, hat dieser Flügel sofort eine ganz andere Wirkung. Ich denke, dass sie da ein Risiko eingegangen sind. Möglicherweise werden sie dadurch je nach Strecke ein Superauto haben, aber auch auf manchen Strecken ein Balanceproblem."

Natürlich wäre es unsinnig, die Fahreigenschaften des F1.08 einzig und allein auf den Frontflügel zu reduzieren, zumal das Gesamtkonzept über recht viel Potenzial zu verfügen scheint, das nur darauf wartet, entfaltet zu werden. Beunruhigend mögen nach außen hin trotzdem die eher durchschnittlichen Wintertestzeiten wirken, aber andererseits ist das BMW Sauber F1 Team bekannt für seine sehr konservative Vorgehensweise, solange es um nichts geht.

Ist der Fehlstart in den Winter schon überwunden?

"Bei der Präsentation", analysiert unser Experte Sven Heidfeld, Nicks Bruder, "waren alle sehr optimistisch, dass sie in diesem Jahr noch mal einen Schritt weiter nach vorne kommen. Das Auto sieht gut aus, aber die ersten Tests liefen dann nicht so wie erwartet. Ich würde sagen, wir müssen abwarten. Manchmal sind es nur zwei oder drei Kleinigkeiten, die geändert werden müssen, und schon kann man vorne mitfahren. Ich glaube, die werden das schnell in den Griff kriegen."

Nick Heidfeld

Nick Heidfeld war in diesem Jahr unter allen Fahrern der fleißigste Testpilot Zoom

"Das 'Hirschgeweih' finde ich schön. Aber aus Rennfahrersicht spielt das überhaupt keine Rolle, ob ein Auto schön ist oder nicht. Hauptsache, es ist schnell", so Heidfeld, der seinen Bruder noch selten so voller Tatendrang erlebt hat wie in diesem Winter, weiter. "Quick Nicks" Motivation lässt sich übrigens auch an Zahlen ablesen: Bis dato hat er seit 1. Januar über 6.000 Testkilometer zurückgelegt - mehr als jeder andere Fahrer.

Schneller war allerdings meistens sein Teamkollege Kubica, der schon lange als ungeschliffener Rohdiamant gilt und in seiner zweiten kompletten Saison in der Königsklasse natürlich seinen Anspruch auf die Nummer eins im Team anmelden möchte. Bisher hatte Heidfeld den 23-jährigen Polen sicher im Griff, aber einfacher wird es nicht, das auch so beizubehalten. Dennoch muss man vorsichtig sein: Der Deutsche ist schlau genug, im Winter nicht auf der letzten Rille zu fahren...

Kubica will Heidfeld noch mehr ärgern

"Ich tue mich schwer dabei, zwei Teamkollegen bei Testfahrten zu vergleichen. Das geht eigentlich nur, wenn beide ein Qualisetup fahren und auf eine richtig schnelle Runde gehen", winkt Sven Heidfeld ab. "Wegen der begrenzten Testkilometer wird die Arbeit meist unter den zwei Fahrern aufgeteilt, die fahren dann unterschiedliche Programme. Dann kann man die Zeiten nicht vergleichen. Insgesamt mache ich mir um meinen Bruder keine Sorgen."

Robert Kubica

Schluss mit lustig: Robert Kubica sagt Nick Heidfeld 2008 den Kampf an Zoom

Surer will ebenfalls nicht zu viel in die Testzeiten interpretieren: "Die Frage ist: Fährt Kubica einfach wie zum Beispiel auch Trulli bei Toyota über das Problem hinweg oder kommt er mit dem diesjährigen Auto einfach besser klar als Nick? Jeder hat ja seinen eigenen Fahrstil, und vielleicht liegt das neue Auto Kubica besser. Aber wie gesagt: Ich habe die Befürchtung, dass er nur über das Problem hinwegfährt, während Nick die Schwächen aufzeigt."

In der Theorie müsste Heidfeld mit seinem sauberen Fahrstil ja vom Verbot der elektronischen Fahrhilfen profitieren, aber "ich glaube nicht, dass man es so vereinfachen kann", wiegelt Surer auch hier ab. "Die Frage ist: Wie kann es ein Fahrer umsetzen, wie geht ihm das neue Fahren in Fleisch und Blut über? Da wird man unter Renndruck zwischen den einzelnen Fahrern vielleicht noch größere Unterschiede sehen als beim Testen im Winter. Abwarten."

WM-Fünfter 2006, WM-Zweiter 2007 - und 2008?

Das BMW Sauber F1 Team wurde in der Premierensaison 2006 mit 36 Punkten WM-Fünfter, im Vorjahr war man mit 101 Punkten effektiv dritte Kraft - im Niemandsland zwischen den beiden Topteams und dem Rest des Mittelfeldes. Erklärtes Saisonziel für 2008 ist der erste Sieg, aber angesichts der starken Winterperformance von Ferrari und McLaren-Mercedes wird dies aus eigener Kraft wohl zumindest in den ersten Rennen nicht möglich sein.

Supercomputer Albert2

Supercomputer Albert2, seit Januar 2007 in Betrieb: Ein Geheimnis des Erfolgs? Zoom

Das Zauberwort in Hinwil heißt daher Entwicklungsgeschwindigkeit, denn Rampf und seine Mannen wollen und müssen es schaffen, schneller zu entwickeln als die Konkurrenz - Spielraum für Verbesserungen hat und man mit dem noch wenig erforschten Konzept des F1.08 ja genug und ist mit dem von Intel entwickelten Supercomputer Albert2 und einem der modernsten Windkanäle der Welt auch bestens aufgestellt. Dazu beitragen werden gelegentlich übrigens auch zwei neue Testfahrer, nämlich Christian Klien und der Este Marko Asmer, amtierender Meister der Britischen Formel 3.

Für Nick Heidfeld geht es 2008 in erster Linie darum, seinen Status als Nummer eins zu behaupten und - ähnlich wie im Vorjahr in Kanada - seine Chancen zu nutzen, wenn sich welche bieten. Dann könnte er mit ein bisschen Glück am Jahresende tatsächlich seinen Namen in der Liste der Grand-Prix-Sieger finden - rein vom Talent her wäre dies ja in seiner bereits neunten vollen Saison in der Formel 1 längst überfällig...

Saisonstatistik 2007:

Team:

Konstrukteurswertung: 2. (101 Punkte)
Siege: 0
Pole-Positions: 0
Schnellste Rennrunden: 0
Podestplätze: 2
Ausfallsrate: 13,889 Prozent (4.)
Durchschnittlicher Startplatz: 5,806 (3.)
Bisherige Testkilometer 2008 mit neuem Auto: 11.292 (4.)

Nick Heidfeld (Startnummer 3):

Fahrerwertung: 5. (61 Punkte)
Durchschnittlicher Startplatz: 5,412
Bestes Ergebnis Qualifying: 2.
Bestes Ergebnis Rennen: 2.
Ausfallsrate: 11,765 Prozent (6.)
Bisherige Testkilometer 2008: 6.082 (1.)

Robert Kubica (Startnummer 4):

Fahrerwertung: 6. (39 Punkte)
Durchschnittlicher Startplatz: 6,875
Bestes Ergebnis Qualifying: 4.
Bestes Ergebnis Rennen: 4.
Ausfallsrate: 18,750 Prozent (12.)
Bisherige Testkilometer 2008: 5.708 (6.)