• 17.04.2006 10:43

  • von Inga Stracke

Inga on Tour: Buon giorno, Imola!

Von "Controllettis", Weingütern und Tragödien: 'F1Total.com'-Reporterin Inga Stracke über das andere Imola, welches im Fernsehen nicht gezeigt wird

(Motorsport-Total.com) - Hallo liebe Formel 1 Freunde, Buon giorno! Wir sind wieder in Europa! Nicht dass ich was dagegen hätte, in der wohlig warmen Sonne auf diversen Kontinenten arbeiten zu können, während daheim im schlimmsten Falle noch der Schnee vom Himmel rieselt, aber reisetechnisch ist es doch nach Rennen in der Wüste von Bahrain, dem Tropenklima von Kuala Lumpur und dem spätsommerlichen Melbourne etwas einfacher und finanziell günstiger, sich auf den Weg nach Imola zu machen. Wie? Bequem mit dem Auto - kurzer Abstecher nach Verona oder an den Gardasee inbegriffen.

Titel-Bild zur News: Tamburello-Kurve in Imola

Die 4,933 Kilometer lange Strecke ist eingebettet in eine schöne Landschaft

Die Pasta und Pizza dort liebe ich, und 5 Minuten von unserer "Albergo" entfernt liegt ein herrliches kleines Weingut (Tremonti). Von dem Roten nehme mir immer gerne eine Kiste mit! Das Rebenrevier liegt quasi auf dem Schleichweg von unserem Quartier in Riolo Therme zur Rennstrecke. Die Fahrt durch die Weinberge - einfach traumhaft. Da fällt es immer wieder schwer zu glauben, dass man zehn Minuten später im Getümmel an der Rennstrecke steht.#w1#

Italienisches Chaos macht vor dem Verkehr nicht Halt

Ach ja, stehen ist bei der Anfahrt eine der Hauptbeschäftigungen beim San-Marino-Grand-Prix, denn die Verkehrsführung ist nicht gerade genial gelöst - aber das ist sie ja schon seit zig Jahren nicht! Dafür bieten die Anwohner rund um das Autodromo ihre Wiesen, Garagen und Einfahrten für ordentlichen Obolus als Parkplätze. Hektisch und auch ein bisschen aggressiv mit ihren selbst gebastelten Fähnchen, wenn man sich "erdreistet" weiterzufahren - so wie wir, die Medienvertreter, die glückliche Besitzer eines Parkklebers für den Presseparkplatz im Inneren des Streckengeländes sind.

Weingut Tremonti

Das Weingut Tremonti ist ein Insidertipp für Besucher der Emilia Romagna Zoom

Zurück auf dem alten Kontinent bedeutet auch zurück in die Motorhomes der Teams. Ich bin ja jetzt schon gespannt, wer wieder wie viele Millionen für den mondänsten Glaspalast auf Rädern ausgegeben hat. In den vergangenen Jahren drängte sich der Eindruck auf, dass neben den Rivalen der Rennbahn auch im Fahrerlager ein heimlicher Wettbewerb ausgebrochen ist. Cool war, als vergangenes Jahr Red Bull Racing die Energystation präsentierte: ganz in der offenen, coolen Art der "Bullen" ist dort jeder willkommen. Oben auf der Terrasse gibt es Tischfußball, auch Kicker genannt, den vor allem Vitantonio Liuzzi ganz gerne gegen sein Cockpit einzutauschen scheint. Italiener und Fußball, so ist das halt...

Ein buchstäbliches Schmankerl hielt immer das einstige Sauber-Vorzelt bereit. Dort habe ich immer am liebsten zu morgendlicher Stunde mein erstes Mahl eingenommen: selbstgemachtes Müsli mit frischen Früchten. Einfach fantastisch, und zum perfekten Start in den Tag gab es dort auch meinen heiß geliebten Kombucha. Ich bin ja mal gespannt, ob es beim BMW Sauber F1 Team jetzt Müsli mit Weißwurst gibt? Denn neben dem Müsli-Frühstück ist uns Sonntagmorgens das Weißwurstfrühstück bei BMW schon zur lieb gewonnen Tradition geworden - man glaubt gar nicht, wie viele verschiedene Arten es gibt, sich der bajuwarischen Zuzzelwurst anzunehmen. Eine Philosophie für sich!

Formel-1-Stars schlafen oft im 'Olimpia' neben der Strecke

In Imola logieren die meisten Teams im 'Grand Hotel Donatello', im 'Hotel Olimpia' (liegt direkt neben dem Streckeneingang, von hier sind in den letzten Jahren 'Schumi' und Co. oft mit dem Scooter unerkannt morgens an die Strecke gefahren), im 'Hotel Molino Rosso' und im 'Cavallino'. Den italienischen Küchen-Köstlichkeiten kann man sich im 'Molino Rosso', 'San Domenico', 'Nettuno' oder in der 'Pizzeria Valerio' hingeben.

Noch etwas für Imola typisches: die "Controllettis". An jedem Eingang, jeder Straßenecke, Zufahrt und an jedem Parkplatz stehen ungefähr zehn Aufpasser, die ganz wichtig-italienisch mit Trällerpfeifen oder Flaggen herumwirbeln. Manchmal muss man echt aufpassen, denn die meisten wissen nicht so recht, was sie eigentlich tun sollen, wollen sich aber superwichtig vorkommen und springen einem dann leicht auch schon mal vor das Auto! Sie diskutierten miteinander und mit Fans, schauen zu fünft ins Auto, ob man auch ja den Pass um hatte und den richtigen Parkkleber, um einen dann endlich einzulassen, ins heilige Streckengelände des 'Autodromo Dino e Enzo Ferrari'.

Streckenpersonal in Imola

Zum Teil nervig: Die aufdringlichen "Controllettis" rund um das Autodrom... Zoom

Immer wieder Party bei den Fans gibt es in Imola auf dem so genannten 'Lambrusco-Hügel' hinter Start und Ziel. Dort sitzen sie, zum Teil auf Plastiktüten, im Gras, feiern und trinken begeistert bis in die späte Nacht - Lambrusco, oder anderes...

Eine weitere Besonderheit des ersten europäischen Grand Prix' sind die - aller Voraussicht nach - gegenüber den Überseerennen deutlich kühleren Temperaturen; in Imola ist von warmem Sonnenwetter über Schafskälte bis hin zu Regen jede Witterung denkbar. Vor ein paar Jahren lag auf den Weinbergen auf unserem Weg zur Strecke Schnee - nicht viel, aber sie waren weiß!

Bremsen und Traktion sind entscheidende Faktoren

Rund 100.000 Zuschauer, Ferrari-Flaggenmeere und Fliehkräfte bis zu 2,9 G, Spitzengeschwindigkeiten von 296 km/h eingangs der Rivazza-Kurve nach der Bergabpartie. Entscheidend sind ein erhöhter Benzinverbrauch, höherer Bremsverschleiß und die starke Motorbeanspruchung, außerdem die Standfestigkeit des Getriebes. Imola verlangt gute Traktion und Bremsstabilität - dieser Kurs beansprucht die Bremsen sogar noch mehr als Melbourne. Hier ist maximale Bremskühlung erforderlich, und die große Herausforderung ist, die richtige Bremsbalance und -temperatur sowohl für die Qualifikation als auch für das Rennen zu finden. Bremsbalance und -leistung sind für die Performance entscheidend.

Ferrari-Fans

Nur in Monza sind die italienischen Ferraristi noch verrückter als in Imola Zoom

1952 wurde die Strecke eröffnet, es fanden vor allem Sportwagen- und Motorradrennen statt. Der erste Formel-1-Grand-Prix wurde 1979 ausgetragen. Imola war bis 1994 eine reine Hochgeschwindigkeitsstrecke, doch nach den tragischen Unfällen von Ayrton Senna in der Tamburello-Kurve und Roland Ratzenberger wurden an verschiedenen Stellen Schikanen eingebaut, so dass Jacques Villeneuve sie einige Jahre später als Micky-Maus-Kurs bezeichnete.

Die Berg- und Talbahn mit schnellen Geraden und lang gezogenen, schnellen Kurven galt unter den Piloten früher als echte Mutprobe. Doch auch Unfälle häuften sich: 1987 hatte Piquet einen schweren Abflug in der Tamburello, zwei Jahre später musste Gerhard Berger von Helfern aus seinem brennenden Ferrari geborgen werden, nachdem er in der gleichen Kurve an die Mauer gerast war.

Vor zwölf Jahren: Imola 1994 war das schwärzeste Wochenende des Motorsports. Im Freien Training am Freitag hatte Rubens Barrichello einen schweren Unfall, verbrachte die Nacht im Krankenhaus. In der Qualifikation am Samstag drehte sich der Österreicher Roland Ratzenberger und schlug mit seinem Simtek gegen die Mauer. Er starb noch an der Unfallstelle im Auto. Am Rennsonntag starb Ayrton Senna nach einem tragischen Unfall eingangs der Highspeed-Tamburello-Kurve.

Die Formel 1 war geschockt - und reagierte: Die Rennstrecken bekamen neue Sicherheitsauflagen verpasst und wurden teilweise drastisch umgebaut. Imola wurde entschärft und bildet jetzt eine Mischung aus schnellen und langsamen Kurven.

Triumph und Tragödie liegen in Imola eng beisammen

Noch heute legen alljährlich Fans Blumen, Kränze und Bilder nieder an der Stelle, an der ihr unvergessener Star sein tragisches Ende gefunden hatte!

Mauer in der Tamburello-Kurve

Die Tamburello-Kurve, in der Ayrton Senna starb, ist heute eine Pilgerstätte Zoom

2003 war ein tragisches Wochenende für die Schumacher-Brüder: In der Nacht zum Rennsonntag war ihre Mutter Elisabeth gestorben. Beide fuhren mit Trauerflor, Michael ließ die Champagnerdusche zum Sieg aus.

Imola liegt 33 Kilometer südöstlich von Bologna in der wunderschönen Emilia Romagna. Es ist der erste Heim-Grand-Prix der Ferraristi. Dieses Jahr findet der 27. Grand Prix in Imola statt, 26 Mal gab es bereits einen Grand Prix von San Marino - das erste Rennen war unter dem Titel Grand Prix von Italien gelaufen. Ursprünglich war geplant, den Italien-Grand-Prix im Zweijahresrhythmus zwischen Monza und Imola wechseln zu lassen. 1970 wurde der Kurs nach Enzo Ferraris Sohn Dino benannt, der 1956 im Alter von 24 gestorben war. Nachdem der erste Grand Prix in der Emilia Romagna jedoch ein großer Erfolg wurde, setzte sich Enzo Ferrari selbst dafür ein, dass das Rennen zum alljährlichen Event wurde - als Grand Prix der nahe gelegenen Republik San Marino. Den ersten Grand Prix von San Marino gewann 1981 Nelson Piquet.

Ex-Weltmeister Mika Häkkinen holte hier 1991 mit seinem fünften Platz für Lotus seine ersten WM-Punkte. Heinz-Harald Frentzen gewann 1997 seinen ersten Grand Prix, Giancarlo Fisichella wurde im gleichen Jahr Fünfter und kassierte seine ersten WM-Punkte beim Heimrennen - und auch Ralf Schumacher hat als Ort seines ersten Formel-1-Sieges (2001) Imola im Lebenslauf stehen. Michael Schumacher hat hier bereits sechsmal gewonnen!

Ciao, Eure Inga Stracke von der Strecke!