• 09.06.2005 13:56

Fokus Getriebe: Sauber-Petronas gewährt Einblicke

Dominik Stockmann, Getriebechef bei Sauber-Petronas, über diverse Gratwanderungen beim Bau eines modernen Formel-1-Getriebes

(Motorsport-Total.com) - Getriebechef Dominik Stockmann ist nicht zu beneiden: In nur sieben Monaten muss sein Team aus rund 400 Einzelteilen ein neues Formel-1-Getriebe konstruieren. Jahr für Jahr. Titan, Keramik, Aluminium, hochfester Stahl und diverse Kunststoffe heißen die Zutaten beim diesjährigen Sauber-Getriebe. Unsere Kollegen vom 'emagazine' der 'Credit Suisse' schauten ihm einmal über die Finger.

Titel-Bild zur News: Formel-1-Getriebe

Hinter einem Formel-1-Getriebe steckt jede Menge Arbeit und Innovation

Für Stockmann brachen letztes Jahr schwere Zeiten an. Schuld daran war Ferrari, besser gesagt deren Siebenganggetriebe mit Baujahr 2003. Dieses Teil war letzte Saison dafür zuständig, die geballte Kraft des 850-PS-Motors auf die Räder des C23 zu übertragen. Eine Ausnahme, denn in den Jahren davor war das Getriebe immer Marke Eigenbau. Das ist auch in der neuen Saison wieder der Fall, was den erhöhten Stress von Getriebechef Stockmann erklärt. Denn mit dem letztjährigen Ferrari-Modell lag die Messlatte ziemlich hoch: "Das Ferrari-Getriebe ist wohl das kompakteste in der Formel 1", so Stockmanns Lob an seine Kollegen aus Maranello.#w1#

Marschroute: "Je kompakter, desto besser!"

Je kompakter, desto besser, lautet das Leitmotiv für die Getriebebauer, denn so lassen sie der Aerodynamik möglichst viele Freiheiten. Möglichst leicht sollte es ebenfalls sein, gleichzeitig aber auch möglichst steif, schließlich ist das Getriebegehäuse ein tragender Teil des Autos, an dem die ganze Hinterachse festgemacht ist. Und natürlich sollte der Wirkungsgrad möglichst hoch sein, die Kraft des Motors also so wenig wie möglich verpuffen.

Unter dem Diktat der Vorgaben haben die Ingenieure die Grenzen der Physik, der Mechanik und Elektronik in den letzten Jahren immer weiter hinausgeschoben. Bis zu 2.500 Mal schaltet ein Pilot pro Rennen. Um den Schaltvorgang auszulösen, zieht der Pilot mit seiner Hand an der Wippe des Steuerrads - 30 Millisekunden später ist der Gang gewechselt.

Wie gut das Getriebe diese Strapazen übersteht, wird nach jedem Rennen kontrolliert: Das ganze Getriebe wird komplett zerlegt, gereinigt, auf Risse geprüft und gegebenenfalls erneuert. Jedes der rund 400 Einzelteile hat eine klar definierte Lebensdauer, von einem Rennwochenende bis zu einer ganzen Saison.

Nur möglichst leichte Materialien werden verwendet

Bei der Wahl der Materialien ist nur das Beste gut genug: Das Gehäuse des Sauber-Getriebes ist seit dieser Saison aus Titan, genau wie das Vorbild von Ferrari. Die Kugeln der Lager sind aus Keramik, die Zahnräder aus hochfestem Stahl, wie man ihn aus der Rüstungsindustrie kennt. Daneben kommen - wegen ihres geringen Gewichts - Aluminium und diverse Kunststoffe zum Einsatz. Praktisch jedes Einzelteil ist eine Spezialanfertigung, bis hinunter zu den Lagern und Dichtungen.

Unter dem Strich bringt dieses extrem hochgezüchtete und extrem abgespeckte Konstrukt ein Gewicht auf die Waage, das irgendwo zwischen 30 und 40 Kilogramm liegt. Das exakte Gewicht ist streng geheim. "Allein in den letzten fünf Jahren sind die Getriebe damit um 20 Kilogramm leichter geworden", bringt es Stockmann auf den Punkt.

Sieben Monate von der ersten Skizze zum fertigen Getriebe

Formel-1-würdig ist auch das Tempo, mit dem das Getriebe zusammengebaut wird: Zwischen den ersten Entwürfen am Computer und dem Aufbau verstreichen sieben Monate. Davon entfallen auf die effektive Fertigung bloß gut drei Monate. Ende Dezember kommen die einzelnen Komponenten, die allesamt von Drittfirmen aus Deutschland, Frankreich, England und Italien hergestellt werden, in Hinwil an.

Knapp zwei Wochen später fährt das neue Auto bereits über die Teststrecken - für einen Check auf dem Prüfstand oder dergleichen bleibt keine Zeit: "Wir machen sozusagen einen Prototypen, der am Tag X fertig sein muss und auch gleich noch hundertprozentig zu funktionieren hat." Was auch dieses Jahr einmal mehr klappte: Am Abend des 14. Januars, nach den ersten 64 störungsfreien Runden auf der Teststrecke von Valencia, wusste Stockmann: "Mission: impossible" erfüllt.

Bald schon wird der Startschuss für das neue Getriebe fallen. Doch zuerst müssen Stockmanns Leute wissen, was für ein Motor in der kommenden Saison das Getriebe in Schwung bringen wird: Wie bis anhin ein Ferrari-Aggregat - oder doch, wie es in den Medien bereits als beschlossen gilt, die Power von BMW?