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  • 26.05.2005 12:16

Prost: Die Kosten sind das Hauptproblem der Formel 1

Der vierfache F1-Weltmeister im Interview mit dem 'emagazine' von Sauber-Sponsor 'Credit Suisse' über die Formel 1 und seine Karriere

(Motorsport-Total.com) - Alain Prost hat in der Formel 1 außerordentlich viel erlebt: Vier Weltmeistertitel sicherte sich der Franzose, nach seiner aktiven Karriere hinter dem Lenkrad kaufte er den Ligier-Rennstall, nannte ihn in Prost um und suchte auch als Teamchef den Erfolg in der "Königklasse". Mit unseren Kollegen vom 'emagazine' des Sauber-Sponsors 'Credit Suisse' sprach der heute 50-Jährige über die heutige Formel 1, aber auch über seine Duelle mit Ayrton Senna.

Titel-Bild zur News: Alain Prost

Alain Prost erlebte in der Formel 1 Erfolge und Niederlagen gleichermaßen

Frage: "In der aktuellen Formel 1 kämpfen drei Privatteams gegen sieben große Werkteams. Ein ungleiches Duell?"
Alain Prost: "Ich denke schon. Im besten Fall schafft es ein kleines Team, während einer Saison ein konkurrenzfähiges Auto zu stellen. Doch über mehrere Saisons hinweg vorne mitzumischen, liegt nicht mehr drin. Da sind die potenten Werkteams eindeutig im Vorteil: Die können sich viel schneller den Regeländerungen anpassen, weil sie spezielle Equipen haben, die sich nur mit solchen Fragen befassen. Mit Sponsoringgeldern allein kommt man heute in der Formel 1 nicht mehr ganz nach oben."

Frage: "Die großen Teams haben heute Budgets von rund 500 Millionen Franken (knapp 320 Millionen Euro). Wie kann man die Kostenexplosion stoppen?"
Prost: "Zuallererst müssen alle Verantwortlichen wirklich daran interessiert sein, die Kosten zu reduzieren. Hier liegt das Hauptproblem."#w1#

Prost fordert Einschränkung der Testfahrten

Frage: "Mal angenommen, es gäbe Einigkeit. Was müsste konkret geschehen?"
Prost: "Um wirklich etwas zu verändern, müsste man die Anzahl der Tests massiv reduzieren. Dabei darf man nicht vergessen, dass auch viele Arbeitsplätze verloren gingen. Gewisse Teams beschäftigen heute zwischen 800 und 1.000 Mitarbeiter. Will man mit den Kosten runter, so geht das nur, wenn man Leute entlässt."

Frage: "Was halten Sie von Einheitsreifen?"
Prost: "Davon halte ich nicht viel. Wenn man Einheitsreifen einführt, warum nicht auch Einheitsmotoren? Von da ist es nur noch ein kleiner Schritt zu Einheitsautos. Die Formel 1 war immer ein doppelter Wettkampf zwischen Fahrern und Technologien. Diesen Grundgedanken würde ich nicht in Frage stellen."

Frage: "Wie schätzen Sie die Chancen von Sauber-Petronas in einer von Werkteams dominierten Formel 1 ein?"
Prost: "Für mich gibt es grundsätzlich drei Kategorien von Teams in der Formel 1: die großen Werkteams, die Privatteams und irgendwo dazwischen Sauber. Peter Sauber hat wirklich einen hervorragenden Job gemacht in den letzten Jahren. Zu Beginn der vergangenen Saison hat er sogar McLaren in Schach gehalten, und in der Endabrechnung lag er wiederum vor Toyota und Jaguar."

Auch Sauber brauche einen Automobilhersteller als Partner

Frage: "Also ist Sauber-Petronas die berühmte Ausnahme, welche die Regel bestätigt?"
Prost: "Wahrscheinlich. Peter Saubers großer Vorteil ist, dass er mit Petronas und der 'Credit Suisse' zwei große Sponsoren langfristig an sich binden konnte. Sie geben ihm die Stabilität, die es braucht, um erfolgreich zu sein. Ich bezweifle allerdings, ob die Schweizer jemals aus eigener Kraft ganz nach vorne kommen können. Dazu bräuchte es einen Deal mit einem Automobilhersteller."

Frage: "Inzwischen scheint das Team immerhin so attraktiv, dass auch ein ehemaliger Weltmeister wie Jacques Villeneuve verpflichtet werden konnte. Was trauen Sie ihm zu?"
Prost: "Jacques ist ein hervorragender Fahrer mit viel Charisma. Er war der Letzte, der sich auf Augenhöhe mit Michael Schumacher schlug. Allerdings habe ich seinen Wechsel zu BAR nie verstanden. Ein Fahrer von seinem Talent hätte immer in einem Team fahren müssen, mit dem er um den Weltmeistertitel hätte kämpfen können. Bei Sauber-Petronas wird ihm das wohl auch nicht vergönnt sein. Für eine erfolgreiche Saison mit ein paar Podestplätzen könnte es allemal reichen."

Frage: "Villeneuves Comeback weckt Erinnerungen an die Saison 1993, als Sie ebenfalls nach einem Jahr Pause wieder ins Cockpit stiegen und schließlich Ihren vierten und letzten WM-Titel holten. Wie schwer ist es, nach einer Pause wieder in den Rennrhythmus zu finden?"
Prost: "Eine Unterbrechung ist immer ein Risiko. Man kommt schnell aus dem Tritt, sowohl körperlich als auch mental, und man verliert auch etwas den Anschluss an die technische Entwicklung. In meinem Fall dauerte der Unterbruch zum Glück nur neun Monate, und ich wechselte ins damals beste Team, WilliamsF1 Renault."

Frage: "Piquet, Lauda, Senna: Diese drei Fahrer waren auch Ihre größten Rivalen im Laufe Ihrer Formel-1-Karriere. Welcher hat Sie am meisten beeindruckt?"
Prost: "Am Anfang war bestimmt Piquet das Maß aller Dinge - ein sehr harter Kämpfer. Bei Niki beeindruckte mich die Konstanz. Als er 1984 vor mir Weltmeister wurde, war ich eigentlich meist schneller gewesen in den Rennen, aber er hatte seine Kräfte besser eingeteilt. Das war eine wichtige Lektion für meine Zukunft. Doch wenn es einen Fahrer gibt, der aus der Masse ragte - sowohl fahrerisch als auch mental -, dann war es Ayrton Senna."

Prost und die großartigen Duelle mit Ayrton Senna

Frage: "Die Duelle zwischen Ihnen und Ayrton Senna sind längst Teil der Formel-1-Geschichte. Hier der kühle 'Professeur', dort der impulsive Brasilianer. Wie viel ist dran an diesem Klischee?"
Prost: "Wie bei allen Klischees ist immer ein Körnchen Wahrheit dabei. Tatsache ist aber, dass sich Senna während seiner Karriere immer mehr meinem Fahrstil annäherte."

Frage: "Und wie groß war die von den Medien geschürte Rivalität tatsächlich?"
Prost: "Natürlich waren wir Rivalen. Während zwei Saisons fuhren wir ja sogar im gleichen Team, also mit dem gleichen Material. Und in der Formel 1 gilt: Dein Teamkollege ist immer auch dein größter Gegner. Denn nur Fahrer eines gleichen Teams kann man direkt miteinander vergleichen."

Frage: "außer, es gibt eine Stallorder."
Prost: "Ja, doch die gab es damals bei McLaren nicht. Das Team setzte bewusst auf die Konkurrenzsituation. Und die Fans waren entzückt. Dank unserer Rivalität begannen sich viele Leute erst für die Formel 1 zu interessieren. Natürlich haben die Medien und die Sponsoren tüchtig nachgeholfen. Trotz aller Rivalität verloren wir jedoch nie den gegenseitigen Respekt."

Frage: "Warum wechselten Sie trotzdem auf die Saison 1990 hin zu Ferrari?"
Prost: "Um ehrlich zu sein, hatte ich etwas die Nase voll, die ganze Arbeit für Ayrton zu machen. Während er im Winter für drei Monate auf Urlaub ging, spulte ich Hunderte von Testkilometern ab. Also teilte ich dem Team Mitte der Saison mit, dass ich den Vertrag nicht verlängern wolle. Damals wusste ich noch überhaupt nicht, wo ich landen würde."

Frage: "Die zwei Jahre bei Ferrari waren längst nicht so glorios wie die sechs Jahre davor bei McLaren. Bereuen Sie heute den damaligen Entscheid?"
Prost: "Überhaupt nicht. Das erste Jahr war fantastisch, vielleicht das schönste in meiner Karriere. Das Team hat toll gearbeitet, und die Stimmung war einzigartig. Mit einem weitsichtigeren Management wäre ich auch Weltmeister geworden. Dafür wurde die folgende Saison zum Desaster - wir holten keinen einzigen Sieg und ich landete abgeschlagen auf Rang drei. Entsprechend schlug die Stimmung um. Somit habe ich beide Seiten von Ferrari erlebt: das Feuer und das Eis."

Prost-Grand-Prix: "Stand finanziell mit dem Rücken zur Wand"

Frage: "In einem Desaster endete auch Ihr Abenteuer als Chef eines eigenen Rennstalls. Was lief schief bei Prost-Grand-Prix?"
Prost: "Zuerst einmal waren die Erwartungen überrissen. Wir fingen praktisch bei Null an, und wir verfügten nach Minardi über das kleinste Budget in der Formel 1. In solch einem Fall dauert es Jahre, bis man zur Spitze gefunden hat. Und es braucht solide Partner, die wir nicht hatten. Vor allem beim Motorenlieferanten Peugeot fehlte von Anfang an die Motivation, sich längerfristig in der Formel 1 zu etablieren. Zudem machte die Wirtschaftskrise die Sponsorensuche immer schwieriger. Als wir beispielsweise einen Deal mit dem südamerikanischen TV-Netzwerk 'PSN' abgeschlossen hatten, ging die Firma wenig später Konkurs. Auch mit 'Yahoo' hatten wir ein Abkommen, dann folgte die Internetkrise. Die Abwärtsspirale war nicht mehr aufzuhalten."

Frage: "Was würden Sie heute im Rückblick anders machen?"
Prost: "Es gibt eigentlich nur eine Sache, die ich anders machen würde: Ich würde gar nicht erst damit beginnen. Bei allen Entscheidungen, die danach folgten, hatte ich oft gar keine Wahl. Ich stand finanziell mit dem Rücken zur Wand."

Frage: "Gibt es eine Wesensverwandtschaft zwischen dem bisherigen Dominator Michael Schumacher und dem vierfachen Champion Alain Prost?"
Prost: "Natürlich gibt es immer Parallelen zwischen Champions. Doch ich denke, sein Fahrstil ist ziemlich anders, als es meiner war, auch sein Karriereverlauf. Zudem ist er die Nummer eins bei Ferrari - ich war nie die Nummer eins in einem Team, mehrere Male war ich sogar nur die Nummer zwei."

Frage: "Und trotzdem: Genau wie Sie damals gilt Schumi als guter Taktiker, der im Rennen alle Optionen kühl abwägt..."
Prost: "Heute wird die Taktik weniger vom Fahrer als vom Team bestimmt. Auch sind die heutigen Autos viel zuverlässiger, da muss ein Pilot weniger abwägen, wie stark er die Reifen, das Getriebe oder den Motor schont. Das macht es so schwierig, Fahrer verschiedener Generationen zu vergleichen."

Frage: "Im Februar sind Sie fünfzig geworden. Dennoch fahren Sie wieder regelmäßig Rennen - im Rahmen der Eis-Rallye 'Trophée Andros' am Steuer eines Toyota Corolla. Ist der Rennsport eine Droge?"
Prost: "Nun, wenn einem etwas gefällt, warum sollte man damit aufhören? Als ich Teamchef war, dachte ich nicht im Traum daran, wieder in ein Cockpit zu steigen. Doch dann ist die alte Leidenschaft wieder aufgeflammt. Eisrennen sind etwas völlig Neues für mich, das macht die Sache reizvoll. Zudem sind sie absolut ungefährlich. In meinem Alter gehe ich doch keine Risiken mehr ein..."