• 26.01.2002 09:28

BMW: P82 heißt die Geheimwaffe gegen die Konkurrenz

Auf dem neuen Triebwerk ruhen dieses Jahr große Hoffnungen; was alles am Zehnzylinder verändert wurde, erfahren Sie hier

(Motorsport-Total.com) - Die Formel 1 hat sich bei BMW in München eingelebt. 2002 tritt bereits der dritte BMW Formel-1-Motor seit dem Wiedereinstieg in der Weltmeisterschaft an. Der P82 ist wiederum eine Neukonstruktion. ?Er basiert auf unserem letztjährigen Motor, dem P80", erklärt BMW Motorsport Direktor Mario Theissen, ?ist aber in jedem Teil neu." Der P82 setzt sich aus insgesamt fast 5.000 Einzelteilen und rund 1.000 verschiedenen zusammen.

Titel-Bild zur News: Keep your distance

Mithilfe des P82 will man 2002 die Konkurrenz auf Abstand halten

Alle Kernteile werden bei BMW entwickelt und gefertigt - ob Zylinderkopf, Kurbelgehäuse, Kurbel- oder Nockenwelle oder elektronische Steuerung. Theissen: "Der Know-how-Fluss zwischen Motorsport und Serie war bei unserem Formel-1-Projekt von Beginn an Auftrag und Bedingung." Deshalb entstand die BMW Formel-1-Fabrik nur einen Steinwurf entfernt vom Forschungs- und Innovationszentrum, und deshalb hat BMW eine eigene Gießerei für die F1-Triebwerke und ebenso eine eigene Teilefertigung gebaut. "Wir nutzen und verbessern unser hauseigenes Spezialwissen und können es so in die Serie transferieren", so Theissen.

Beispiele gibt es genug. Schon der F1-Motor der Saison 2000 verfügte über eine eigene Motorsteuerung. BMW hat einen Ruf als Elektronikpionier zu verteidigen - auch in der Formel 1 als einstiger Erfinder der Telemetrie im Motorsport. "Wir haben erstklassige Fachleute", betont Theissen, "unser F1-Motormanagement macht das selbe Team, das auch für die Elektronik der Modelle M3 und M5 verantwortlich zeichnet."

Die Wiederzulassung von Traktionskontrolle und Startautomatik stellte 2001 besondere Ansprüche an die Elektroniker, beim BMW WilliamsF1 Team gab es damit keine Probleme. Im BMW Serienbau davon profitiert hat vor allem der neue BMW 7er. In diesem Topmodell stecken Hochleistungsprozessoren, die zuvor für das F1-Projekt entwickelt und erprobt wurden.

Eigene Formel-1-Gießerei und -Teilefertigung

Für Qualität bürgt auch die Gießerei in Landshut. In direkter Nachbarschaft zur Seriengießerei und unter deren Regie werden dort die Zylinderköpfe und Kurbelgehäuse des Zehnzylinders in kunstvoll gefertigten Sandmodellen gegossen. "Keiner gießt so gut wie die Landshuter", davon ist Theissen überzeugt. Die Qualitätskontrolle erfolgt unter anderem mittels Computer-Tomographie; 20 Stunden dauert die Prüfung eines Zylinderkopfes in der CT-Röhre.

Die Formel 1 fungiert auch in diesem Bereich als Labor für zukunftsweisende und in die Serie übertragbare Technologien. Mit dem Sandgussverfahren werden Ölwannen für die Modelle M3, M5 und Z8 sowie die Sauganlage für den Achtzylinder-Dieselmotor gegossen.

Die Fabrik für die F1-Teilefertigung wird ebenfalls von einem Team betrieben, das Serienteile bearbeitet. Und auch beim Modellbau fruchtet die interdisziplinäre Zusammenarbeit zwischen Sport und Serie: Die Formel-1-Mannschaft profitiert von der Unternehmenserfahrung im Rapid-Prototyping/Tooling-Verfahren, bei dem computergesteuerte Maschinen mittels Laserstrahlen oder dreidimensionaler Drucktechnik maßgetreue Modelle aus Harz, Kunststoffpulver, Stärke oder Wachs produzieren. Die Verfahren sind schnell, preiswert und präzise. Die Qualität dieser Muster reicht vom Präsentationsmodell bis zur Prüfstandstauglichkeit.

Es geht BMW um die simultane Vernetzung von Konstruktion und Fertigung, um Schnelligkeit und Flexibilität beim F1-Projekt sowie im Serienbereich, um maximale Qualität, Vermeidung von Teiletourismus und Know-how-Abfluss an Wettbewerber. Und trotz aller technisch nüchterner Betrachtung geht es auch um Emotionen. "Im ganzen Unternehmen wird mitgefiebert, gebebt und gefeiert", erzählt Mario Theissen. ?Die Belegschaft steht hinter uns, und ich denke, sie wird das auch bei Durststrecken tun." Erfolg erzeugt Stolz. "Das funktioniert bei uns nur deshalb so außerordentlich, weil wir eben alles an unserem Kernstandort in München mit eigenen Leuten machen", so Theissen weiter. ?Mit dem Wissen um die eigene Leistungsfähigkeit entsteht ein ganz starkes Wir-Gefühl, das motiviert."

Der lange Weg nach Melbourne

Ein Team von weniger als 20 Mitarbeitern begann im Januar/Februar 2001 mit der Konzeption des P82. Damals hatte der P80 noch nicht einmal sein Renndebüt absolviert. Nach der Konzeptphase folgte die Konstruktion in den Monaten März bis Juni. Die Teilebeschaffung für die ersten Motoren war im September abgeschlossen, ab August begann die Komponentenerprobung. Am 21. September lief der P82 erstmals auf dem Prüfstand, am 3. Oktober wurde er erstmals im Fahrbetrieb erprobt. Dabei wurde konstatiert, dass der P82 im Prinzip gesund ist und funktioniert.

"Der Grundstein für einen erfolgreichen Motor wird natürlich bereits bei der Konstruktion gelegt", erklärt Theissen. "Wenn man ein untaugliches Konzept erst im Dezember bemerkt, hat man keine Chance, dieses Problem bis zum Saisonstart noch zu lösen."

Während des Testverbots von Mitte Oktober bis Anfang Januar wurde an den dynamischen Prüfständen in München simuliert und weiterentwickelt. Es galt, Schwachstellen zu identifizieren, konstruktiv zu überarbeiten und im erneuten Versuch zu erforschen. Parallel dazu wurde an der Motorab-stimmung und der optimalen Leistungsentwicklung gearbeitet. Auch beim Entstehungsprozess des Getriebes für den FW24 konnte sich BMW einbringen. Verschiedene Entwicklungstools, Simulationsprogramme und Prüfstände sind BMW Ressourcen, von denen WilliamsF1 profitiert.

Die Entwicklungsziele für den Motor der Saison 2002 waren: mehr Leistung, weniger Gewicht und höhere Zuverlässigkeit. Beim Gewicht geht es um Reduzierung im oberen Bereich. Da das vom Reglement verlangte Fahrzeug-gesamtgewicht ohne Tariergewichte ohnehin längst unterboten wird, geht es auch beim Thema Motorgewicht ausschließlich um die Schwerpunktlage. Eine leichte Airbox und leichte Zylinderköpfe sind wertvoll, im unteren Bereich des Motors ist Gewichtseinsparung dagegen nutzlos.

"Die Verbesserung der Zuverlässigkeit", sagt Theissen über den nächsten Punkt, "hängt nicht nur von Konstruktion und Entwicklung des Motors ab, sondern mindestens ebenso von der Präzision aller Abläufe im Team - von der Fertigung über die Montage bis zum Einsatz der Motoren im Rennen. Und da haben wir in unserer dritten Saison noch einiges zu lernen, um den Erfahrungsvorsprung der etablierten Teams auszugleichen."

Neue und revidierte Motoren

Rund 200 Motoren per anno verlassen die Formel-1-Fabrik in München.
Sie sind allerdings nicht alle neu. Während im Rennen nur in allen Teilen neue Triebwerke zum Einsatz gelangen, werden in den Trainings und beim Testen revidierte Motoren verwendet. Bei den Revisionen werden die hochbelasteten Teile durch neue ersetzt, andere werden geprüft bzw. generalüberholt. Der BMW V10 ist kein Einwegprodukt. Zylinderköpfe etwa durchlaufen diesen Zyklus gleich mehrere Male.

Während der Saison wird kontinuierlich weiterentwickelt. Nahezu bei jedem Grand Prix haben die BMW Ingenieure kleine Verbesserungen im Gepäck. Die jüngsten Motorkonfigurationen werden stets im Qualifying eingesetzt und nach dieser Bewährungsprobe in München erneut geprüft. Dort können sie dann das Gütesiegel der Rennreife erhalten.

"Unser erster Motor, der E41 in der Saison 2000", blickt Theissen zurück, "war ein Sprung von null auf 90 Prozent. Der P80 brachte die Steigerung auf 98 Prozent. Dennoch werden wir nie 100 Prozent des technisch Machbaren erreichen. Diese Grenze verschiebt sich mit jedem gelungenen Innovationsschritt. Die Messlatte wandert während des Sprungs nach oben."

Dennoch sieht Mario Theissen die Bäume nicht in den Himmel wachsen. "Kolportierte Werte wie 19.000 U/min und 900 PS sind reine Spekulation." Bereits 18.000 U/min sind ein eindrucksvoller Wert: Binnen einer einzigen Sekunde erfolgen 300 Motorumdrehungen, 1500 Zündungen und 9.000 Drehzahlmessungen. Die Kolben legen 25 Meter zurück, es werden 450 Liter Luft angesaugt, 150.000 Motor- und Fahrzeugdaten erfasst und verarbeitet. Der Wagen hätte bei 360 km/h in dieser Sekunde 100 Meter zurückgelegt, die Räder hätten sich 50-mal gedreht.

Motordaten BMW P82

Bauart: 10-Zylinder-V-Saugmotor
Bankwinkel: 90 Grad
Hubraum: 2.998 ccm
Ventile: vier pro Zylinder
Ventiltrieb: pneumatisch
Motorblock: Aluminium
Zylinderkopf: Aluminium
Kurbelwelle: Stahl
Ölsystem: Trockensumpfschmierung
Motorsteuerung: BMW

Folgen Sie uns!

Formel-1-Newsletter

Abonnieren Sie jetzt den kostenlosen täglichen und/oder wöchentlichen Formel-1-Newsletter von Motorsport-Total.com!