• 30.04.2016 08:38

  • von Roman Wittemeier

Sauber in Nöten: "Ging uns schon mal besser"

Das Formel-1-Team Sauber und die finanzielle Gratwanderung: Teammanager gibt Probleme zu, Fahrer warten auf Updates - Gespräche mit Investoren laufen

(Motorsport-Total.com) - Das renommierte Formel-1-Team Sauber befindet sich derzeit in einem großen Dilemma. Die sportlichen Ergebnisse lassen arg zu wünschen übrig, die finanziellen Möglichkeiten beschränken gleichzeitig die weitere Entwicklung des Fahrzeuges. Wer keine Punkte holt, der bekommt am Jahresende weniger aus dem Einnahmentopf von Bernie Ecclestone - ein Kreislauf, der die Zukunft von Sauber mit einem großen Fragezeichen versieht.

Titel-Bild zur News: Marcus Ericsson

Der Sauber C35 hat nicht ohne Grund viele Ähnlichkeiten mit dem Vorgängermodell Zoom

"Es ging uns schon mal besser", gibt Teammanager Beat Zehnder die anhaltenden Sorgen der Schweizer offen zu. "Wir haben finanzielle Schwierigkeiten, das ist kein Geheimnis. Das Gute ist, dass wir immer noch dabei sind", erklärt der 50-Jährige. Sauber hatte zuletzt Gehälter teils verspätet gezahlt, bei Bernie Ecclestone um einen Vorschuss gebeten. "Sie hätten gern ein paar Dollar mehr, wenn möglich", so der Formel-1-Boss zum Thema Sauber.

"Wir zahlen den Teams das Geld aber am Jahresende aus. Es wird insgesamt eine Summe von fast einer Milliarde Dollar ausgeschüttet", so der Brite. Ecclestone lässt Sauber zappeln. "Wenn ich Veranstalter von Musikkonzerten wäre, dann würde ich mir eine erheblich bessere Performance der Künstler auf der Bühne wünschen. Mehr jedenfalls, als wir derzeit von denjenigen bekommen, denen wir eine Milliarde Dollar überweisen."

Wer die Stones holt, will Mick Jagger hören

Aus Sicht des Formel-1-Vermarkters böten einige Teams in der Königsklasse keine entsprechende Qualität. Ecclestone nennt den Namen Sauber nicht explizit, dürfte aber bei seinen Äußerungen auch an die Schweizer denken. "Es ist so, als würde man die Rolling Stones verpflichten und müsste dann feststellen, dass Mick Jagger überhaupt nicht singen kann", umschreibt der Brite. "Oder der Typ kann gar kein Banjo spielen, kassiert aber Unmengen Geld dafür."

Aus Sicht von Sauber-Teamchefin Monisha Kaltenborn und Teammanager Beat Zehnder sei es heutzutage nahezu unmöglich, ein adäquates Jahresbudget für die Formel 1 allein aus den Einnahmen von Ecclestone und Teamsponsoren aufzustellen. "Wir sind in Gesprächen mit potenziellen Partnern. Es gibt einige Optionen, denen wir nun nachgehen", so die Österreicherin. "Seit BMW weg ist, sind wir immer offen für Partner gewesen. Daran hat sich nichts geändert."

Beat Zehnder

Sind die Sorgen im Gesicht anzusehen: Sauber-Teammanager Beat Zehnder Zoom

Geändert hat sich allerdings der Umfang der finanziellen Sorgen bei Sauber. "Ein einfaches Beispiel: 2007 war ein Dollar 1,50 Schweizer Franken wert, jetzt ist das Verhältnis 1:1. Das heißt, unsere Einkünfte in Dollars sind nun 50 Prozent weniger wert. Der Standort Schweiz macht es nicht leicht für uns", sagt Zehnder. Zudem schlage sich der Standortnachteil auch bei der Suche nach Personal nieder. Es gebe die entsprechenden Fachkräfte in Großbritannien zuhauf, in der Schweiz allerdings nicht.

Audi mehr im Windkanal als Sauber selbst

Die aktuelle Schieflage in Hinwil hat in den vergangenen Monaten mehrere Mitarbeiter abwandern lassen. Technikchef Mark Smith, der leitende Ingenieur Giampaolo Dall'Ara und Ex-Renningenieur Marco Schüpbach kehrten dem Team ebenso den Rücken wie Ericsson-Renningenieur Erik Scheuvens, der sich dem Le-Mans-Team von Audi anschloss. Der Draht zwischen Ingolstadt und Hinwil ist ohnehin sehr eng. Audi entwickelt seinen R18 für die Langstrecken-Weltmeisterschaft (WEC) intensiv im Windkanal von Sauber.

Der LMP1-Wagen aus Deutschland steht häufiger in der Anlage in Hinwil als das Formel-1-Auto von Sauber - eine Krux, aber die Schweizer sind angewiesen auf die Einnahmen aus der Vermietung des Windkanals und des dazugehörigen Personals. Die Entwicklung des eigenen Fahrzeugs steht hintenan. Aus diesen Grund leiden Marcus Ericsson und Felipe Nasr auf den Rennstrecken. "Ein schwieriges Jahr", sagt der Brasilianer. "Wir haben Updates geplant, aber die kommen nur, wenn die Finanzen stimmen."

Marcus Ericsson

Bringt viel schwedisches Sponsorengeld ins Schweizer Team: Marcus Ericsson Zoom

"Es steht ein Konzept, das gesamte Jahr ist geplant. Es geht nur darum, wie viel wir davon umsetzen können", erklärt Nasr das Dilemma. Der aktuelle Sauber C35 weist erhebliche Ähnlichkeiten zum Vorgängermodell auf. Kein Wunder, übernahm man doch viele Konzepte aus dem Jahr 2015. Es heißt, der C35 sei gar "kein richtiges 2016er-Auto". Bei finanziellem Engpass und belegtem Windkanal lässt sich an dieser Situation so schnell nichts ändern.

Hohe Hürden auf dem Weg in Richtung 2017

Sauber hofft auf neue Geldgeber. Monisha Kaltenborn nennt keine Namen von aktuellen Ansprechpartnern bei ihrer Suche nach frischem Geld. In den vergangenen Wochen war das Gerücht entstanden, der italienische Hersteller Fiat könnte das Team aus Hinwil übernehmen, um mit der Marke Alfo Romeo ein Formel-1-Comeback zu starten. "Nur, falls jemand alle Schulden vorher bezahlt", erteilte Konzernboss Sergio Marchionne in der 'Autosprint' einem solchen Plan eine Absage.

Die Schweizer hoffen demnach auf einen Geldsegen aus anderer Richtung. Und der muss dringend kommen, denn es stehen hohe Investitionen für die Saison 2017 auf dem Plan. Die komplett veränderten Regeln zum kommenden Jahr machen es zusätzlich teuer. "Es ist nicht nur die Tatsache, dass man Teile des Autos nicht übernehmen kann", sagt Beat Zehnder, "sondern es geht auch darum, dass man beispielsweise neue Reifenwärmer braucht - und, und, und. Da sprechen wir von Millionen. Das ist für ein kleines Team wirklich schwierig."


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Das Zittern um die Zukunft des Teams geht also weiter. Kaltenborn möchte in den Gesprächen mit potenziellen Investoren schnell zu einem Abschluss kommen, die Piloten wollen sich aus dem hinteren Feld der Formel 1 in Richtung Top 10 verabschieden. "Wir versuchen Lösungen zu finden, aber es ist nicht so einfach", meint Zehnder. Ein Sauber-Sprecher bringt die Lage in der 'NZZ' auf den Punkt: "Wir leben derzeit von der Hand in den Mund."