• 15.10.2012 10:56

  • von Tim Westermann

Rallye Peking Shanghai - Teil 3

Im vierten und vorletzten Teil unserer Reportage erreichen Tim Westermann und Hans-Joachim Stuck Chinas ehemalige Hauptstadt Nanjing.

(Motorsport-Total.com/Auto-Medienportal) - Vor dem Start zur fünften Etappe der China Rallye of International Cars sind noch 17 der ursprünglich 35 Autos im Rennen. Der vierte Tag hat vielen Fahrzeugen sehr scharf zugesetzt. Nach dem Ritt durch "das wilde China" (Hier gehts zum zweiten Teil!)sind die 200 Kilometer der heutigen Strecke bis Nanjing so etwas wie ein Ruhepol. Zwar etwas kurviger, dafür aber ein Wechselspiel zwischen kantigen Betonplatten und normal asphaltierter, enger Straße.

Titel-Bild zur News: Rallye Peking Shanghai Tag fünf und sechs

Auch in China gibt es Fans und Bewunderer des Mille Miglia Käfers Zoom

Besonders erwähnenswert: Die provisorische Tachowelle der VW-Mechaniker hielt bis ins Etappenziel der ehemaligen chinesischen Hauptstadt Nanjing. Der Jangtsekiang wird auf einer antiken Brücke überquert. Wer kennt ihn nicht, diesen legendären und bekannten Fluss. US-Filmikone John Wayne verlieh dem 6.380 Kilometer langen Strom vor rund 50 Jahren im Film "Kanonenboot am Yangtse Kiang" Weltberühmtheit.

Hans-Joachim Stuck ist beeindruckt und etwas wehmütig an diesem Tag. Der "Kapitän des Mille Miglia Käfers" geht hier nämlich von Bord, um wichtige Termine in Europa wahrzunehmen. "Aber es war klasse, diese Kultur in China abseits der Metropolen kennenzulernen. Das zu erleben, ist Wahnsinn. Aber ich bin sehr froh, dass ich in einem Käfer gesessen habe", hebt Stuck die Zuverlässigkeit des 56 Jahre alten Volkswagens hervor.


Fotos: Rallye Peking Shanghai Teil 3


Und er fügt hinzu: "Diese Rallye hat absolutes Potenzial für die Zukunft." Etwas stolz ist Stuck auf die letzte Zeitkontrolle. Auf die Sekunde genau hat er das Ziel angesteuert. Besser kann man es nicht machen.

Bei der Einfahrt in Nanjing wird eines aber besonders klar: In Chinas Metropolen zeigt sich ein klarer Gegensatz zu den ländlichen Regionen weiter im Westen des Landes. Hier fahren zwar mehr Autos, aber die Luft ist nicht so sehr mit Feinstaub und Smog belastet. Das liegt unter anderem sicherlich an den moderneren Fahrzeugen, die hier unterwegs sind.

Morgen führt das Roadbook den Mille Miglia Käfer bis nach Hangzhou. Dort wird dann am Samstag Volkswagens Vorstand für China, Jochem Heizmann, ins Lenkrad greifen, um den luftgekühlten Renner bis zum Ziel dieser verwegenen und abenteuerlichen Rallye nach Shanghai zu fahren.

Und dennoch musste der Mille Miglia Käfer von Volkswagen Classic heute über 350 Kilometer von Nanjing nach Hangzhou gebracht werden. Zeit genug also, um dieses Wolfsburger-Modell einen Tag lang auf Chinas Straßen zu erfahren.

Der 75-PS starke Flitzer hat in der Sammlung von Volkswagen Classic noch zwei Schwestermodelle. "Technisch sind die drei identisch, aber die Ausstattung ist unterschiedlich", erklärt Michael Winkler von Volkswagen Classic kurz und verweist auf das Sonnenfaltdach des auf dieser Rallye eingesetzten Käfers. Da die Luft heute klar ist, kann eine frische Brise im Cockpit nicht schaden.

Zündung ein und ein kurzer Druck auf den weißen Startknopf unterhalb des Zündschlosses. Nach kurzem "orgeln" bollert der luftgekühlte Motor im Heck. Es handelt sich dabei um ein Porsche-Aggregat aus dem legendären Typ 356. Handbremse lösen und rasant im ersten Gang bis 3.500 Umdrehungen von der Ampel weg starten. Dann Kupplung treten, kurz mit Zwischengas arbeiten und den zweiten Gang einlegen. Weil kein komplett synchronisiertes Getriebe im Mille Miglia Käfer arbeitet, helfen dosierte Gasstöße beim Schalten, die Zahnräder zu schonen.

Während wir in rasantem Tempo über die chinesischen Landstraßen und Highways fahren, dabei entgegenkommenden Motorrädern und Geisterfahrern ausweichen und gelegentlich auch mal rechts überholen, weil die linke Spur von einem schwarz rußendem Lkw belegt ist, wird klar: Was war das doch für eine Herausforderung, früher Auto zu fahren. Und wie beeindruckend es ist, dass die spartanische Technik und einfache Mechanik in diesem Volkswagen auch den schwersten Belastungen standhält.

Diesen laut bollernden Käfer zu lenken ist puristisches Fahrerlebnis in Reinkultur: Lenkung ohne Servo, Bremsen ohne Bremskraftverstärker und wabernder Benzinduft im Cockpit, weil der Tank vorne im Kofferraum zu voll ist.

Gefällig und direkt hängt dieser Käfer am Gas. Kurze Zeit später im Fabrikhof einer chinesischen Porzellanfabrik stehen Menschtrauben um den Volkswagen herum. Überall Handykameras und Blitzlichter. "Jetzt kann man ihn endlich einmal von nahem betrachten. Auf der Strecke kann man den Käfer ja nicht einholen", scherzt ein Rallyeteilnehmer aus Hong Kong grinsend.

Und besonders die jungen Frauen lassen sich mit dem Mille Miglia Käfer ablichten. Selbst die Polizisten der chinesischen Verkehrsüberwachung schießen Bilder - für den privaten Gebrauch. Dieser Wolfsburger ist eben, wie viele Klassiker aller Automobilhersteller, ein echter Markenbotschafter.