Lando Norris riecht Lunte: Kämpft McLaren jetzt um die WM?

Wie Lando Norris seinen ersten Sieg in der Formel 1 gefeiert hat und warum er McLaren und sich selbst (noch) nicht als WM-Anwärter sieht

(Motorsport-Total.com) - Lando Norris ist jetzt also Grand-Prix-Sieger, und wenn er durch den Paddock marschiert, merkt man ihm das auch an. Nicht etwa, dass er in Imola mit stolz geschwellter Brust durch die Gegend laufen würde. Aber ein zufriedenes Grinsen sieht man dem McLaren-Piloten nach seinem Premierentriumph vor zwei Wochen in Miami an.

Titel-Bild zur News: Lando Norris

Lando Norris: Ist er jetzt ein echter WM-Kandidat oder noch nicht? Zoom

Er habe "angemessen" gefeiert, erzählt er, und: "Ich denke jetzt noch manchmal dran. Daran werde ich mich wahrscheinlich für den Rest meines Lebens erinnern. Ich hatte am Sonntag einen tollen Abend mit einigen Fahrern und Freunden und ein paar Leuten vom Team. Wir haben uns auch ein paar Drinks gegönnt, was denke ich bei so einem Anlass erlaubt ist."

Norris und seine Partygesellschaft feierten bis Montagabend durch, "sodass ich erst am Dienstagmorgen erstmals aufgewacht bin", lacht er. Danach gab's noch Golfspielen auf dem legendären Parcours in Augusta, "und das war die beste Runde, die ich je gespielt habe". Es läuft also gerade beim 24-Jährigen.

In der Weltmeisterschaft liegt er nach Miami an vierter Stelle, 53 Punkte hinter Spitzenreiter Max Verstappen. Und viele fragen sich: Wenn McLaren in Miami gewinnen konnte und das Miami-Update weiterhin zündet, auch auf anderen Strecken - kann Norris dann vielleicht sogar schon 2024 zur Gefahr für Verstappen werden?

Was geht für McLaren in Imola?

"Imola sollte uns sogar besser liegen als Miami, und fürs Upgrade müsste Imola auch besser passen", erklärt Norris. "Imola ist eine unserer erfolgreichsten Strecken, sowohl für uns als Team als auch für mich als Fahrer. Ich glaube schon, dass wir einen Schritt nach vorn gemacht haben."

Aber: "Wir werden nicht jedes Wochenende so stark sein. Vor dem Safety-Car war ich Sechster, und ich bin da ganz ehrlich: Ich hatte Glück, das Safety-Car hat uns geholfen. Ich ging nicht nur in Führung, weil ich der Schnellste auf der Strecke war - aber ich war der Schnellste auf der Strecke. Das war ein gutes Zeichen. Und dann wurde mehr draus."

"Das beweist, dass wir mit dem Auto gute Fortschritte gemacht haben. Aber das reicht noch nicht. Wenn wir Ferrari und Red Bull dauerhaft herausfordern wollen, dann brauchen wir mehr. Das Team macht da super Arbeit. Wir haben gute Schritte gemacht, und in Zukunft kommt hoffentlich noch mehr. Dann werden wir öfter so stark sein."

Norris sieht McLaren trotz Miami an dritter Stelle der Hackordnung, hinter Red Bull und Ferrari. Genau wie in der Konstrukteurs-WM, die Red Bull mit 239 Punkten vor Ferrari mit 187 und McLaren mit 124 anführt. Das zeigt, bei aller Euphorie um die starke Miami-Pace, die Realitäten gut auf.

Aber: "Habe ich jetzt mehr Hoffnung, dass wir sie herausfordern können? 100 Prozent", sagt Norris. Interessant auch: Auf Fragen, ob er ein ernsthafter WM-Kandidat sei, winkt er nicht allzu entschlossen ab. Man sieht ihm an: Er hat Lunte gerochen. Und er glaubt dran, dass die Dinge jetzt anders laufen könnten.

Wie gravierend war der Schaden am Red Bull?

"Ich weiß schon, Max' Auto war beschädigt. Das verwenden die Leute, um unsere Pace zu relativieren. Aber wir waren auch vor seinem Schaden schon deutlich schneller als er. Es ist doch so: Wenn ich auf solche Fragen zurückhaltend antworte, sagen sie, mir fehlt es an Selbstvertrauen. Und wenn ich sage, wir schaffen das, halten sie mich für größenwahnsinnig."

Tatsache ist: "Wir kommen immer näher. Unsere Pace war gut. Wir hätten eigentlich schon am Freitag auf Pole stehen müssen. Am Samstag eher nicht. Das ist, wo wir hingehören. Und ich weiß, dass wir noch ein paar Themen haben, die wir angehen können. Wir sind nah dran. Meistens fehlen nur ein, zwei Zehntel."

"Mit den Fortschritten, die wir machen, und mit den Entwicklungsschritten fürs Auto sehe ich keinen Grund, warum wir nicht auch den letzten Schritt gehen sollten. Aber es ist nochmal ein anderes Paar Schuhe, das konstant jedes Wochenende abzuliefern, in jedem Qualifying und Rennen unter Druck zu liefern."

Jetzt muss Norris noch WM-Kampf lernen

Denn selbst wenn der McLaren irgendwann das schnellste Auto im Feld sein sollte (oder vielleicht sogar schon ist): Verstappens große Leistung in den vergangenen Jahren war auch, seine Vormachtstellung fehlerfrei zu nutzen. Er selbst kenne das noch nicht, um eine WM zu kämpfen, sagt Norris: "Viel gewonnen habe ich die letzten Jahre ja nicht."

"Ich glaube, wir sind aktuell immer noch das drittbeste Team. Wenn wir auch in Imola stark sein sollten, muss man das vielleicht neu bewerten. So, wie das Team zuletzt weiterentwickelt hat, bin ich sicher, dass wir bald regelmäßiger um Siege kämpfen können. Und dann auch um die WM."

Daran, schon 2024 Weltmeister zu werden, will Norris im Moment noch nicht denken. "Dafür sind wir zu weit hinten", sagt er. Aber: "Wir sind nicht meilenweit weg. Im Moment fehlt uns noch das Paket, um jedes Wochenende von Anfang bis Ende konstant vorn zu sein. Daran müssen wir noch ein bisschen arbeiten."

"Ich denke, wir sind jetzt auf Augenhöhe mit Ferrari. Auf McLaren fehlt uns noch ein bisschen was, aber da kommen wir näher ran. Wir brauchen noch den einen oder anderen Schritt wie mit dem Miami-Update. Daher sind wir noch nicht so aufgestellt, dass wir vom ersten bis zum letzten Rennen der Saison ganz vorn mitfahren können."


So beantwortet Norris die Frage, ob er sich Ende 2024 vielleicht drüber ärgern wird, die WM in den ersten fünf Rennen verloren zu haben. Denn hätte er nicht vor Miami schon 52 Punkte Rückstand auf Verstappen gehabt, sondern würde die WM jetzt erst beginnen, müssten sich Verstappen und Red Bull wahrscheinlich warm anziehen.

Imola: Richtungsweisendes Rennwochenende

Imola könnte diesbezüglich richtungsweisend werden. Die anderen Teams legen dieses Wochenende ihrerseits Updates nach. McLaren könnte am ersten Wochenende mit dem Miami-Update, das nicht im Sprintformat gefahren wird, auch einen weiteren Schritt machen. Abgerechnet wird dann am Ende.

Das Miami-Update, sagt Oscar Piastri, sei nicht so groß gewesen wie jenes in Österreich 2023, das die McLaren-Wende eingeleitet hat. Aber "das ist auch ganz normal: Wenn du schon schnell bist, werden die Schritte, die du machen kannst, immer kleiner, und es wird immer schwieriger, weitere Rundenzeit zu finden."

Dazu kommt ein Fragezeichen: "Miami war ungewöhnlich, was die Reifen betrifft. Der Soft war der schnellere Reifen, aber es war auch schwieriger, damit das Fenster zu treffen. Ich glaube, die Schwankungen hatten mehr damit zu tun als mit der schieren Pace. Aber im Rennen war unsere Pace richtig stark, und damit hatten wir so nicht gerechnet."

Für McLaren könnten sich jetzt aber neue Probleme ergeben: "Je schneller das Auto wird, desto härter nimmt es die Reifen ran. Daher glaube ich, dass es naiv von uns wäre, anzunehmen, dass wir ab jetzt jedes Rennen gewinnen werden, nur weil wir eins mal gewonnen haben. Aber wir sind definitiv näher dran", sagt Piastri.