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  • 26.12.2010 12:44

  • von Stefan Ziegler

Rückblick 2010: Team Wiechers

Das deutsche Wiechers-Team und Mehdi Bennani landeten 2010 auf dem fünften Platz in der Privatierwertung - Teil 7 des WTCC-Rückblicks

(Motorsport-Total.com) - 22 Sprintrennen auf vier Kontinenten, 20 Stammfahrer in zehn Teams, vier Titelanwärter auf drei Marken und ein großer Sieger: Die WTCC-Saison 2010 begeisterte von März bis November mit spannenden WM-Läufen und vielen spektakulären Duellen. 'Motorsport-Total.com' blickt zurück auf ein Rennjahr, das Yvan Muller und Chevrolet als Titelträger sah. Heute: Das Wiechers-Team.

Titel-Bild zur News: Mehdi Bennani

Für das Wiechers-Team bestritt Mehdi Bennani seine erste komplette WM-Saison

Der aus Nienburg bei Hannover stammende Rennstall unter der Regie von Teammanager Dominik Greiner und Technikchef Thomas Schiemann schlug sich in der abgelaufenen Saison mehr als wacker - in Mehdi Bennani hatte die Mannschaft schließlich einen Stammfahrer an Bord, der bis zum Auftakt in Brasilien nur eine handvoll Tourenwagen-Rennen bestritten hatte. Bennani lernte aber schnell.

Binnen weniger Sessions stellte sich der marokkanische Rennfahrer vom SEAT León TFSI auf den BMW 320si um und führte im regnerischen Curitiba sogar die Privatierwertung an, leistete sich dann aber einen Dreher und strandete im Kiesbett. Ein Sinnbild für die gesamte Saison, denn Bennani war zwar im Rennen meist einer der Schnellsten, doch dem 27-Jährigen mangelte es noch an Konstanz.

So brachte es Bennani unterm Strich auf drei WM-Punkte, 91 Zähler für die Privatierwertung, einen Klassensieg sowie Endposition fünf - diesen Rang nahm Wiechers auch in der Teamwertung ein. "Diesen Platz darf man nicht überbewerten", sagt Greiner gegenüber 'Motorsport-Total.com'. "Bis auf Okayama waren wir nur mit einem Auto unterwegs, die Konkurrenz mit mindestens zwei Wagen."

Der Neuling ist schnell, aber unkonstant

"Unsere Rivalen konnten daher natürlich deutlich mehr Punkte für die Teamwertung sammeln", erklärt der Teammanager von Wiechers. "Mit unserer Saison sind wir zufrieden. Sicher: Nach unseren beiden Titeln mit Marc Hennerici 2005 und Stefano D'Aste 2007 sind wir ein bisschen erfolgsverwöhnt. Man muss aber bedenken: Für Mehdi war in diesem Jahr vieles neu: das Auto, das Team, die Strecken."

Bennani habe in seinem "Lehrjahr" auch genau die Fehler gemacht, die man von einem Neuling erwarten würde. "In einigen Fällen hat er wertvolle Punkte liegen lassen, doch mit ein wenig mehr Routine kann man durchaus mehr aus Mehdi herausholen", meint Greiner. 2010 sei Bennani aber auch etwas zu oft mit der sprichwörtlichen Brechstange zu Werke gegangen, ergänzt Schiemann.

Mehdi Bennani

Mehdi Bennani landete 2010 hin und wieder abseits der eigentlichen Strecke... Zoom

"Zudem pflegt er einen ganz anderen Fahrstil als alle unsere Piloten zuvor", erklärt der Technische Leiter des Wiechers-Teams. "Andere Fahrer bereiten sich auf der Playstation vor, um etwas Streckenkenntnis zu bekommen. Das fehlte ihm ein bisschen. Aber wer nicht will..." Zumindest auf Stadtkursen konnte Bennani seine Stärken ausspielen - in Marrakesch und Macao war er eine Bank.

In Marrakesch fährt Bennani zum Heimsieg

Bei seinem Heimspiel in Marokko feierte der 27-Jährige seinen einzigen Klassensieg 2010, beim Finale in Macao "hat er sich einmal richtig zusammen gerissen und das Beste daraus gemacht", meint Schiemann. "Dort haben wir das Setup von Stefano hergenommen und uns nicht von anderen Ideen beirren lassen. Auf diese Weise konnte sich Mehdi in aller Ruhe auf die Rennstrecke einstellen."

Prompt stellten sich gute Ergebnisse ein, doch so lief es in diesem Jahr nicht immer. Greiner sieht aber viel Positives: "Mehdi hat sich im Laufe eines Wochenendes stets gesteigert. Seine schnellsten Zeiten fuhr er immer in beiden Rennen und speziell auf Stadtkursen kam er gut zurecht. Nur im Qualifying muss er noch zulegen. Da besteht meiner Meinung nach der größte Nachholbedarf."

Mehdi Bennani

Dominik Greiner, Mehdi Bennani, Thomas Schiemann, Wolfgang Kruse (von links) Zoom

Schiemann stimmt zu und erläutert: "Da muss man mit einem neuen Reifensatz gleich auf den Punkt kommen und alle Sektoren eine Runde hinkriegen. Dadurch steht man in der Startaufstellung weiter vorne und erzielt letztendlich auch bessere Rennergebnisse." Aufgrund der Formelsport-Erfahrung von Bennani habe es zudem einige Schäden gegeben, die in diesem Ausmaß nicht eingeplant waren.

Yanagida zeigt die Möglichkeiten auf

"Mehdi kommt aus dem Formelsport und da nutzt man die Kupplung beim Runterschalten nicht", sagt Schiemann. "Man hat viel Bremskraft auf der Hinterachse - und so gingen einige Antriebswellen, Kardanwellen und Differenziale kaputt. Das hätte nicht sein müssen. Außerdem war das Auto auf der Hinterachse sehr nervös, was das eine oder andere Mal ebenfalls Zeit kostete", meint Schiemann.

Anders Okayama, denn dort konnte das Wiechers-Team einmal mehr auf die Erfahrung eines japanischen Lokalmatadoren zählen. "Das war ein Wochenende nach meinem Geschmack", erklärt Schiemann. Masataka Yanagida fügte sich rasch in die Mannschaft ein und war fast sofort schnell unterwegs - in einem für ihn ungewohnten Rennwagen, aber mit einem in Japan bewährten Setup.

Masataka Yanagida, Mehdi Bennani

Masataka Yanagida (hinten) machte Mehdi Bennani in Japan mächtig Dampf Zoom

"Er steigerte sich von Session zu Session, blieb beinahe fehlerfrei und landete auf dem Podium. Das hat uns wieder einmal gezeigt, dass wir mit unseren Autos nicht daneben liegen", so der Technikchef von Wiechers. "Mehdi biss sich regelrecht die Zähne an ihm aus. Die Fehler häuften sich und ein Dreher brachte ihn schließlich ganz aus dem Rhythmus." Doch auch Bennani hatte Höhepunkte.

Unter Schmerzen im Renneinsatz

Zurück zu Marrakesch: "Das war ganz klar ein Highlight des Jahres", sagt Greiner rückblickend. "Mehdi konnte vor heimischem Publikum einen Sieg einfahren. Zahlreiche TV-Teams lauerten regelrecht vor unserer Box und wollten möglichst oft einen Blick in unsere Garage werfen." Auch in Brands Hatch konnte der Afrikaner glänzen - mehr mit Durchhaltevermögen als mit Leistung.

"Da zeigte er Biss", meint Schiemann. "Zeitweise hatten wir mehr Ärzte als Mechaniker bei uns im Truck." Bennani vermutete erst, sich mit einer Lebensmittel-Vergiftung herumzuschlagen, was sich aber als Blinddarm-Alarm herausstellte. "Mit diesen Schmerzen ein Wochenende zu meistern und dann auch noch Rennen zu fahren - Hut ab", sagt Schiemann und zollte seinem Fahrer Respekt.

Mehdi Bennani

Medienrummel in Marrakesch: Mehdi Bennani hatte 2010 einige Höhepunkte Zoom

Auch für dessen Darbietung bei seinem ersten Auftritt für das Wiechers-Team im brasilianischen Curitiba: "Dort war er über viele Runden hinweg ganz weit vorne zu sehen und fuhr teilweise zwei Sekunden pro Runde schneller als die anderen Privatiers", so Schiemann. Das Potenzial war also durchaus vorhanden, doch über eine komplette Saison hinweg war Bennani schlicht zu unerfahren.¿pbvin|0|3365|wtcc|0|1pb¿

Der WTCC-Saisonrückblick 2010:

01. Das erste Saisondrittel
02. Das zweite Saisondrittel
03. Das dritte Saisondrittel
04. Die Privatierwertung
05. Die Rookiewertung
06. Fakten und Zahlen zur Saison
07. Heute: Team Wiechers
08. Team Engstler
09. BMW
10. SEAT
11. Chevrolet
12. Yvan Muller