• 16.07.2015 14:50

  • von Stefan Ziegler

Kolumne: So wird das nie was...

In seiner Kolumne erklärt Redakteur Stefan Ziegler, warum die WTCC endlich einen Qualifying-Modus braucht, der dem Taktieren um Platz zehn ein Ende setzt

Titel-Bild zur News: Start in Vila Real 2015

Die Startaufstellung zum zweiten Rennen ist seit jeher ein Problem in der WTCC Zoom

Liebe Leser,

wisst Ihr eigentlich, warum die Tourenwagen-WM (WTCC) selbst nach zehn Jahren noch immer nicht richtig ernst genommen wird? Ich kann es Euch sagen: Das Rennwochenende in Vila Real hat diese Frage nämlich beantwortet. Zumindest zum Teil. Denn es sind viele Dinge, die dafür sorgen, dass die WTCC ihrem Status als WM nicht gerecht wird.

Eine große Baustelle ist das Qualifying. Genauer gesagt: die Startaufstellung für das zweite Rennen. Dabei werden die Top 10 aus dem Zeittraining in umgekehrter Reihenfolge an den Start geschickt. Und deshalb ist der zehnte Platz in Q2 meist härter umkämpft als die eigentliche Pole-Position. Denn vor allem wer nicht zur Spitzengruppe zählt, profitiert von der umgedrehten Startaufstellung und kann so auch mal vorn mitfahren und überraschen.

So weit, so gut. Dieser Modus hat in der Vergangenheit schließlich schon für einige spannende Rennen und natürlich auch für viele Überholmanöver gesorgt. Das zweite Rennen einer Veranstaltung ist deshalb meist das unterhaltsamere, weil die stärksten Fahrer eben nicht vorn stehen, sondern erst nach vorn fahren müssen. Doch manchmal wird dieses Konzept ad absurdum geführt. Wie am vergangenen Rennwochenende in Vila Real.

Mit Bummelei auf die Pole-Position

Aufgrund der Unfälle von Mehdi Bennani und Nestor Girolami, die beide keine gezeitete Runde geschafft hatten, waren in Q2 plötzlich nur noch zehn fahrtüchtige Autos am Start. Das hieß: Wer Letzter wird, startet im zweiten Rennen von Platz eins. Und wieder einmal kam es zur Schleichfahrt um die Pole-Position. Daran haben sich aber nur zwei Citroen-Piloten beteiligt. Der Rest hat ganz normal sein Qualifying absolviert und schnelle Runden hingelegt.

Schön blöd! Das könnte man dazu sagen. Allerdings könnte man auch sagen: Hat Citroen solche Spielchen wirklich nötig? Die Marke dominiert die WTCC schon im zweiten Jahr, hat in bisher 16 Rennen 14 Siege eingefahren und liegt in der Fahrerwertung mit allen vier Werkspiloten vorn. Muss Citroen da noch unbedingt die Pole-Position im zweiten Rennen kriegen? Will man der ohnehin chancenlosen Konkurrenz nicht auch mal etwas Publicity in der ersten Startreihe gönnen? Offenbar nicht.

Stattdessen eine Farce: Yvan Muller schleppte sich 40 Sekunden langsamer als der Spitzenmann um den Kurs, stand dabei auch noch den Honda-Werksfahrern im Weg. Sein Teamkollege Qing-Hua Ma trieb es noch bunter: Sein Rückstand auf Platz eins betrug 1:17 Minuten. Platz neun und Platz zehn. Und nein, das entsprach ganz sicher nicht dem Geist des Reglements. Sportlich fair war es ebenfalls nicht. Auch wenn die Situation nur durch den Ausfall zweier Konkurrenten überhaupt erst heraufbeschworen worden war.


Fotos: WTCC in Vila Real


Honda protestiert, aber Citroen bekommt Recht!

Lächerlich wurde die Nummer am späten Abend: Vor allem Ma hatte überhaupt keinen Hehl daraus gemacht, mit voller Absicht nur herumgeschlichen zu sein. Prompt legte Honda Protest gegen das Vorgehen von Citroen im Qualifying ein. Doch dieser Protest wurde abgewiesen. Muller, so hieß es in der Begründung der Rennkommissare, sei "ähnliche Rundenzeiten" gefahren wie die anderen Piloten. Er sei "nicht besonders langsam" unterwegs gewesen. Wie bitte?

Zuvor hatte Ma bereits in Q1 Tom Coronel auf dessen schneller Runde behindert, was die TV-Bilder zweifelsfrei belegen. Bestraft wurde der Citroen-Pilot aber nicht. Coronel schon: Er war direkt zu Ma gestürmt und hatte ihm verbal allerhand an den Kopf geworfen. Mit manchen Äußerungen schlug er sicher über die Stränge. Aber eigentlich tat er genau das, was Serienchef Francois Ribeiro in dieser Saison verstärkt sehen wollte: Emotionen zeigen. Und oft genug heißt es ja: Es gibt keine echten Typen mehr im Motorsport. Coronel ist einer und eben auch authentisch!

Viel mehr als sein spontaner Wutanfall in der Boxengasse stört mich, wie Citroen auf all dies reagiert hat. Teamchef Yves Matton twitterte zum Beispiel - wie ich finde - auf sehr herablassende Art und Weise. Er beschrieb das Verhalten von Honda und Coronel als "armselig". Der Citroen-Pressemann (er ist auch für die Technik der offiziellen WTCC-Webseite verantwortlich!) schrieb auf seinem privaten Twitter-Account zur 1.000-Euro-Geldstrafe gegen Coronel: "Vollkommen verdient!" Und da frage ich mich wiederum: Warum zeigt man nicht einfach Größe und lässt es auf sich beruhen? Viele scheinen ähnlich zu denken: Der Shitstorm gegen Teamchef und Pressemann war gewaltig. Das Nachtreten ging ziemlich nach hinten los...


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Es muss sich etwas tun!

All dies zeigt: Es liegt einiges im Argen in der WTCC. Von Citroen hätte ich in jedem Fall mehr erwartet. Mehr Größe. Und auch etwas mehr Solidarität für die Rennserie, in der man mit einem roten Teppich empfangen worden ist und in der Citroen seit dem vergangenen Jahr dominiert. Das wird, wie in Vila Real zu sehen war, mit Gleichgültigkeit bedacht. Wie es der Rennserie ergeht, ist Citroen scheinbar egal. Ende 2016 steigt man vielleicht aus, vielleicht nicht. So gesehen auch verständlich.

Mit unverständlich ist aber: Warum kriegen es die Verantwortlichen nicht hin, ein WM-würdiges Qualifying auf die Beine zu stellen? Ideen gibt es genug. Zwei separate Qualifyings wäre das einfachste. Oder man nimmt die schnellste Runde für Rennen eins, die zweitschnellste Runde für Rennen zwei. Oder die schnellsten Rennrunden im ersten Lauf. Oder man lost aus, bis zu welcher Position die Startaufstellung umgedreht wird. Mir egal! Aber so wird es nie was damit, den Mauerblümchen-Status loszuwerden! So gibt sich die WTCC nur der Lächerlichkeit preis. Und das ist bedauerlich.

Fehlt nur noch, dass sich ein Hersteller verabschiedet. Denn die versprochenen neuen Marken sind bisher nicht an die Öffentlichkeit getreten. Und wer weiß, wann Honda die Lust verliert, ständig nur hinterherzufahren? Nicht antreten ist billiger - und weniger rufschädigend. Und Citroen hat ja schon erklärt, 2017 entweder Rallye-WM oder Tourenwagen-WM zu bestreiten, aber nicht beides. Will sagen: Jetzt muss etwas passieren, um die WTCC attraktiver zu machen. Ein einfaches, aber sinnvolles Qualifying ohne Grauzonen und Schnickschnack wäre schon mal ein guter Anfang.


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Und ja, "gezockt" wurde in der WTCC schon immer. Früher, als die Startaufstellung des zweiten Laufs noch anhand des Resultats des ersten Rennens festgelegt wurde, ließen sich manche Piloten absichtlich zurückfallen. Später gab's die Verlagerung auf das Zeittraining, damit im Rennen nicht mehr bewusst gebummelt wird. Noch später kamen Punkte im Qualifying, um zum Kampf um die Pole-Position zu ermuntern. Nie hat man das Kernproblem gelöst. Und nun wird es allerhöchste Zeit!

Beste Grüße & Daumen drücken, dass die WTCC die Kurve kriegt!

Euer


Stefan Ziegler