• 14.10.2011 15:42

  • von Stefan Ziegler

Hintergrund: Was macht einen WTCC-Regenreifen aus?

Ein Blick hinter die Kulissen von Yokohama: Ian Beveridge erklärt, welche Qualitäten bei einem WTCC-Regenpneu besonders gefragt sind

(Motorsport-Total.com) - Bei Regenrennen sind die Fahrer viel mehr gefordert als unter normalen Bedingungen. Nicht umsonst gelten Events auf nassem Untergrund als Gradmesser, der die Spreu vom Weizen trennt. Damit sich die Piloten aber gut in Szene setzen können, brauchen sie das nötige Material, um selbst bei Nässe nicht den Grip zu verlieren. In der WTCC sorgt der Regenreifen von Yokohama für reichlich Halt.

Titel-Bild zur News: Start in Oschersleben 2011

Auch im Nassen müssen die Reifen von Yokohama eine Topleistung erbringen

Was genau ein solcher Tourenwagen-Pneu leisten muss, fand 'Motorsport-Total.com' im Gespräch mit Reifenspezialist Ian Beveridge heraus. Der Brite erläutert einige Geheimnisse der Yokohama-Pneus: "Unser Regenreifen ist kein klassischer Regenreifen, aber wiederum auch kein Intermediate. Dieser Pneu ist darauf ausgelegt, sowohl mit nassen als auch abtrocknenden Bedingungen klarzukommen."

Der Grund für diese Eigenschaften liegt auf der Hand: Reifenwechsel sind in der WTCC während der Rennen nicht möglich, denn bei einer nur 50 Kilometer messenden Distanz würde man durch einen Boxenstopp hoffnungslos zurückfallen. Was also beim Start ans Auto geschraubt ist, muss über die Runden getragen werden - es sei denn, die Rennleitung unterbricht den Lauf bei Wetterwechsel.

Generell soll es den Fahrern und ihren Teams in der Tourenwagen-WM aber möglich sein, das komplette Rennen auf einem Reifensatz zu bestreiten. Dies gilt auch für regnerische Verhältnisse. "Wir wollen natürlich, dass die Fahrzeuge ins Ziel kommen, selbst wenn sie anfangs auf Regenreifen losfahren und es nach zwei Runden plötzlich abtrocknet", meint Beveridge. Kein einfacher Ansatz.

"Wir wollen natürlich, dass die Fahrzeuge ins Ziel kommen." Ian Beveridge

Um diese Funktion zu erfüllen, mussten die Reifeningenieure von Yokohama nämlich tief in die Trickkiste greifen. "Unsere Regenreifen dürfen nicht zu weich sein. Wir wollen eben einen haltbaren Pneu haben, um es den Fahrern zu gestatten, durchzufahren. Die Reifen sehen im Ziel zwar nicht mehr so toll aus, doch ein Reifenwechsel ist in diesem Fall nicht nötig", hält Beveridge fest.


Fotos: WTCC in Valencia


Der etwas andere Regenreifen

"Die Jungs können auf diese Weise weiterfahren, eine gute Show zeigen und alle sind zufrieden. Wir hätten ein großes Chaos, wenn das Feld auf einmal in die Box kommen und sich neue Reifen abholen würde", sagt der Brite. Deshalb ist der Regenreifen eigentlich ein Kompromiss und kein "klassischer" Regenreifen, wie man ihn aus anderen Rennkategorien wie beispielsweise der Formel-1-WM kennt.

Dort steht den Fahrern neben Trockenreifen und Regenpneus in Form von Intermediates noch ein Zwischenschritt zur Verfügung, der in der WTCC aus Kostengründen entfällt. Stattdessen kommt ein Produkt zum Einsatz, das über eine große Bandbreite verfügt, obwohl es laut Beveridge "überhaupt kein Problem" wäre, noch mehr Grip und Leistung aus den Regenreifen der WM herauszuholen.

"Wir hätten ein großes Chaos, wenn das Feld auf einmal in die Box kommen würde." Ian Beveridge

Zumindest rein technisch, doch praktisch würde eine solche Maßnahme den Vorgaben der WTCC-Verantwortlichen widersprechen: "In diesem Fall würde der Pneu stärker nachlassen, wenn der Kurs abtrocknet", sagt Beveridge - und genau dieser Effekt soll ausbleiben. Irgendwann ist aber auch der "normale" Regenreifen am Ende, was findige Teams zu interessanten Rennstrategien verleitet.¿pbvin|0|4012|reifen|0|1pb¿

Kurios: Die Mischbereifung von Coronel

Eine besonders ausgeklügelte Taktik verhalf Tom Coronel (ROAL) 2008 im japanischen Okayama zu einem sensationellen Erfolg. "Er ließ Slicks an der Vorderachse und Regenreifen an der Hinterachse aufziehen", meint Beveridge und merkt an: "Das war eine brillante Idee. So konnte er die Slicks durch die Motorleistung auf Temperatur halten und das Heck brauchte einfach nur ein bisschen Grip."

"Hätte Tom auch hinten Slicks gehabt, hätte sich dieser Zustand nicht eingestellt", vermutet der Reifenspezialist von Yokohama. Dieser Trick habe nur geklappt, weil sich die Reifenleistung von Slicks und Regenpneus auf diesem Kurs und zu diesem Zeitpunkt etwas überlagert habe. Auf die Idee zur Kombination der Reifentypen kamen Sunred und der damalige SEAT-Pilot aber von alleine.

"Das war eine brillante Idee." Ian Beveridge

Im Zweifelsfall geben die Yokohama-Experten in schwierigen Situationen jedoch gerne Tipps, wie Beveridge abschließend betont. "Letztendlich entscheiden die Teams und so muss es auch sein. Wir geben halt Ratschläge, wenn wir gefragt werden, bleiben ansonsten allerdings neutral", sagt der Brite. "Wir kämen ja in Teufels Küche, wenn wir SEAT einen Tipp geben würden, Chevrolet aber nicht..."