Schlingerkurs der WRC: IRC bald erste Liga?
In der WRC soll eine goldene Ära anbrechen, doch der Zick-Zack-Kurs weiter - Vermarkter ISC wird es schwer haben und die IRC könnte profitieren
(Motorsport-Total.com) - In der WRC sollen tolle Zeiten anbrechen: Ein neues Reglement soll ab 2010 weitere Hersteller anlocken und mit der International Sportsworld Communicators ISC will man für zehn Jahre den lang geforderten zentralen Vermarkter unter Vertrag nehmen, der die angeschlagene Rallye-Weltmeisterschaft wieder auf Vordermann bringen soll. FIA-Präsident Max Mosley jedenfalls ist begeistert über die Zukunftsaussichten der WRC.

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Im Drift: Die Rallye-Weltmeisterschaft biegt in eine ungewisse Zukunft ab...
Der Vertrag mit der ISC sei enorm wichtig, sagte Mosley gegenüber 'autosport.com': "Die Hersteller werden nun realisieren, dass eine richtige und seriöse Organisation hinter der Meisterschaft steht. Das wird sie davon überzeugen, einzusteigen und mitzumachen, vor allem, wenn wir die Kosten unter Kontrolle halten können." Die ISC soll laut Mosley unter anderem dafür sorgen, dass im Fernsehen wieder mehr über die WRC berichtet wird. Vor allem aber soll sie die Serie ins Internet bringen: "Wir brauchen das Internet, es hat eine große Zukunft. Und mit der ISC können wir beide Bereiche abdecken", so Mosley.#w1#
Rallye-WM bald "zweite Liga"?
Bricht in der WRC also nun eine goldene Ära an? Wohl eher nicht, denn der Schlingerkurs, der in den vergangenen Jahren gefahren wurde und der selbst engagierte Hersteller zu Ausstiegsdrohungen provoziert hat, hält unvermittelt an. Mal hü, mal hott - so geht es nun auch weiter. Trotz aller großen Versprechen für die Zukunft: Wie die Rahmenbedingungen künftig aussehen sollen, weiß immer noch keiner genau. Und kaum gibt es einmal konkrete Pläne, werden diese auch schon wieder über den Haufen geworfen.
Kaum drei Stunden, nachdem die ISC als Vermarkter verkündet wurde und alle vom großen Durchbruch und einer fantastischen Zukunft sprachen, wartete Mosley gleich mit der nächsten Kursänderung auf. Im FIA-Weltrat wurde eigentlich beschlossen, dass die Fahrzeuge, die ab 2010 auf dem S2000-Reglement basieren, mit einem Zusatzkit aufgerüstet werden sollen. Das müsse man noch einmal überdenken, forderte Mosley jetzt. Er schlug vor, im Zuge der dringenden Einsparungen auf dieses Turbokit zu verzichten.
Nach Meinung von Experten war dies das Schlechteste, was Mosley tun konnte. Und das nicht nur, weil herkömmliche S2000-Autos in den Augen vieler für die Rallye-Königsklasse einfach zu unspektakulär sind. Die Hersteller diskutieren seit Monaten mit der FIA-Rallyekommission darüber, wie das neue Reglement aussehen könnte. Endlich hatte man sich auf einen Weg geeinigt, der allen das Gefühl einer gewissen Stabilität gegeben hatte. Wenn das nun wieder verworfen wird, bewegt sich die WRC weiter auf dünnem Eis, wie sie das in der Vergangenheit schon getan hat. An der allgemeinen Situation hat sich dann nichts geändert - dann weiß immer noch keiner, wohin der Weg führen soll.
Wird dieser Schlingerkurs weitergeführt, gehen viele Beobachter davon aus, dass die Intercontinental Rally Challenge IRC die WRC relativ schnell als erste Liga im Rallyesport ablösen könnte. In der IRC sind mehr Hersteller vertreten, das Format erlaubt spektakuläre Rallyes wie zuletzt die Rallye Monte Carlo, zudem wird viel live im Fernsehen übertragen. Und sollten bekannte Piloten wie Chris Atkinson oder starke Nachwuchspiloten, die im dünnen WRC-Feld keinen Platz bekommen, dann auch noch in der IRC anheuern, dürfte das Interesse zusätzlich steigen.
ISC: Wie ist es um die Zukunft der Rallye-WM bestellt?
Größter Leidtragender wäre bei diesem Szenario die ISC. Sie hätte dann bis 2020 Promotion- und TV-Rechte für eine Serie, die nur noch in der zweiten Liga spielt. Doch auch wenn sich die WRC als "Königsklasse" behaupten kann, hat es die ISC in den kommenden Jahren nicht leicht. Der Vertrag, den sie mit der FIA unterzeichnen soll, gibt solche Rahmenbedingungen vor, dass alle anderen Interessenten schon vorzeitig abgewinkt haben. Die ISC war am Ende ohnehin der einzige Bewerber für die Vermarkterrolle.
Die ISC steht nun erst einmal vor der großen Frage, wie die kommenden zehn Jahre überhaupt finanziert werden sollen. Der Plan, Rechte an TV-Sender zu verkaufen, geht in heutigen Zeiten nicht mehr auf. Denn die Sender verzichten lieber darauf, über die WRC zu berichten, als dafür auch noch Geld auf den Tisch zu legen. Die ISC muss also über andere Wege Geld verdienen, aber das ist mit einem Vertrag, der der ISC kaum Rechte einräumt, auch nicht so einfach.
Der nächste Schritt ist, mit den jeweiligen Veranstaltern zu verhandeln. Hat die ISC Glück, kann man sich auf einigermaßen lukrative Verträge einigen. Doch dass die ISC einen WM-Lauf selbst komplett verkauft und vermarktet, ist eher unwahrscheinlich. Denn Veranstalter wie zum Beispiel die Rallye Finnland haben ihr Geschäft so gut im Griff, dass sie keinen zusätzlichen Vermarkter brauchen, der auf Sponsorensuche geht und statt ihrer das Geld kassiert.
Wenigstens in Sachen Kalender soll die ISC weitgehend freie Hand haben, verspricht Mosley. Termine und Veranstaltungsorte müssten sich natürlich nach kommerziellen Interessen richten, so der FIA-Präsident, "doch wenn die ISC einen Kalender vorlegt, werden wir zögern, etwas davon abzulehnen, es sei denn, es gibt einen guten Grund." Die WRC auf dem Weg in die Zukunft - da gibt es noch viel zu tun.

