• 26.05.2013 16:23

Rennleiter Freitas: "Sicherheit ist das oberste Gebot"

Rennleiter Eduardo Freitas hat bei der Langstrecken-WM viel zu tun und behält den Überblick - Im Interview blickt der Portugiese auf seine wichtigen Aufgaben

(Motorsport-Total.com) - Die Rennen der Langstrecken-WM sind, wie der Name schon verdeutlicht, deutlich länger als die Sprintrennen der Formel 1. Deshalb hat die Rennleitung viel zu tun und muss über mehrere Stunden den Überblick bewahren. Hinzu kommen auch die großen Teilnehmerfelder, die unterschiedlichen Fahrzeug-Klassen und natürlich auch die Fahrerwechsel. Renndirektor Eduardo Freitas hält alle Fäden in der Hand und entscheidet über Strafen, Safety-Car-Einsätze und weitere Situationen, die im Laufe eines Rennwochenendes vorkommen können. Der Portugiese ist selbst zwar nie Rennen gefahren, doch er hat über 300 Jahre lang Erfahrung an den Rennstrecken dieser Welt gesammelt.

Titel-Bild zur News: Alexander Wurz

Die Rennleitung muss in den verschiedenen Klassen den Überblick behalten Zoom

Frage: "Wie triffst du Entscheidungen, wenn während der Trainings oder der Rennen Vorfälle passieren?"
Eduardo Freitas: "Zunächst hängt es von der Situation ab, der Strecke und den Rückmeldungen der Streckenposten, wie und wo sie sich oder Rettungsautos positionieren. Zunächst muss man festlegen wie ernst die Lage ist, ob zum Beispiel Lebensgefahr besteht. Das kommt zunächst in einen speziellen Ordner, wo normalerweise das Safety-Car auf die Strecke geschickt wird oder abgebrochen wird, falls das Leben der Fahrer, der Streckenposten oder der Zuschauer gefährdet ist. Sicherheit ist das oberste Gebot. Der Rest ist eine Konsequenz daraus.

"Sollte es nur ein kleines Problem geben, dann schicken wir meistens die Streckenposten los, um Trümmerteile aufzusammeln oder die Situation zu klären. Sollte es eine ernste Situation sein, dann muss man die Sache auch ernst behandeln, ein Safety-Car auf die Strecke schicken oder abzubrechen. Das Rennen sehe ich als 6 Stunden-Rennen und es ist nicht in kleinere Abschnitte geteilt. Ich setze das Safety-Car nur ein, wenn es absolut notwendig ist."

Frage: "Vor einem Rennen begutachtest du die Strecke im Detail. Was siehst du dir genau an?"
Freitas: "Bevor ich an die Strecke reise, studiere ich das Layout und welche möglichen Linien die Fahrer nehmen könnten. Bei der Inspektion muss man darauf achten, ob jüngste Streckenarbeiten erledigt wurden. Dazu kommt der Verschleiß der Strecke, ob hinter den Randsteinen Löcher sind zum Beispiel, oder ob es andere Dinge gibt, die eine Gefahr für die Fahrer und Autos darstellen könnten."

"Man muss auch nach Stellen Ausschau halten, wo ein Fahrer abkürzen könnte. Ich kann auch Yannick Dalmas, der FIA Fahrerberater in der WEC ist, um Rat fragen, wie ein Fahrer Kurve A oder B fahren wird und wie wir die Sicherheit an dieser Stelle verbessern könnten."

"Zum Beispiel war im Vorjahr in Bahrain die Kurve sieben für die Fahrer blind, weil sie tief im Auto sitzen. Diese Kurve ist mitten im Nirgendwo und es gibt keine Referenzpunkte. Wir müssen bedenken, dass in unserer Meisterschaft Profis und Gentlemen-Fahrer aktiv sind. Um die Sicht zu verbessern, stellten wir nach Rücksprache mit Yannick einen Poller an den Scheitelpunkt von Kurve sieben. Dadurch gab es in diesem Bereich keine Probleme. Es ist gut, auf die Erfahrung eines Fahrers zurückzugreifen, denn ich bin nie selbst Rennen gefahren."


Fotos: WEC in Spa-Francorchamps


Viele Informationsquellen

Frage: "Welche Informationen stehen dir in der Rennleitung zur Verfügung?"
Freitas: "Das ändert sich von Strecke zu Strecke. In Europa haben wir zwei Bildquellen, nämlich das Fernsehbild und die Kamerabilder vom 'Closed-Circuit-TV' (CCTV). Das ist eine gute Hilfe, weil über das CCTV bekommen wir Bilder, die der Fernsehzuschauer daheim nicht sieht. Manchmal sieht eine Situation im Fernsehen so aus, aber die CCTV-Bilder erzählen eine andere Geschichte. Das kann für die Fernsehzuschauer verwirrend sein."

"Wir können beim CCTV die letzten zehn Runden eines Autos zurückverfolgen und sehen, welche Linien es durch die Kurven genommen hat und was anders war, wenn ein Unfall oder ein anderer Zwischenfall passiert ist. Es ist ein nützliches Tool, aber auf Strecken wie Sao Paulo steht uns das nicht zur Verfügung. Dort müssen wir uns auf die Fernsehbilder verlassen."

"Wir haben auch Zugang zu anderen Daten, inklusive der Daten aus den Autos. Unsere Einrichtung ist nicht so hochgestochen wie bei der Formel 1, wo sie von jedem Auto Daten in jeder Runde bekommen. Bei uns beträgt das Intervall eine Stunde, wenn das Auto an die Box kommt und die Daten heruntergeladen werden. Manchmal müssen Entscheidungen rasch getroffen werden, damit der sportliche Aspekt des Rennens fortgesetzt werden kann."

"Von der Zeitnahme bekommen wir gute Informationen, obwohl wir kein GPS-System verwenden. Wir haben nur drei Zeitnahmepunkte rund um die Strecke. Das ist auch wichtig, um das Verhalten des Autos zu analysieren. Wir arbeiten daran, dass wir diesen Informationsfluss erhöhen, aber es ist sehr teuer und muss Schritt für Schritt gemacht werden."


Fotos: WEC in Spa-Francorchamps, Girls


Frage: "Wie kommunizierst du mit den Teams während eines Rennwochenendes?"
Freitas: "Wir kommunizieren über die Informationen auf dem Zeitenschirm. Ich kann auch per Funk mit der Boxenmauer sprechen. Es ist eine Frequenz, die nur in eine Richtung geht. Sie können mir nicht antworten. Wir haben auch ein internes Nachrichtensystem, über das die Teams Fragen stellen können und wir beantworten sie individuell und privat. Die Streckenposten müssen natürlich mit dem Rennleiter kommunizieren können, normalerweise durch ein Funksystem."

"Sie kommunizieren mit den Fahrern über die Flaggensymbole. Die Flaggen sind schon seit 1896 in Gebrauch. Das ist die einzige Möglichkeit, mit denen wir live mit den Fahrern kommunizieren können. Wir können ihnen keine SMS schicken, aber diese Technologie existiert und die Zeit wird wahrscheinlich kommen, wenn wir das verwenden werden."