Neveu über "Supersaison" vs. "Coronasaison": Was war härter?

Der scheidende WEC-Chef Gerard Neveu spricht über Herausforderungen in den letzten Jahren seiner Amtszeit - Was die zwei überlangen Saisons unterscheidet

(Motorsport-Total.com) - In drei Jahren hat die Langstrecken-Weltmeisterschaft (WEC) lediglich zwei Saisons absolviert. Das liegt an einem gleich zweimaligen Umstellen des Kalenders: In der "Supersaison" 2018/19 wollte die WEC auf einen Winterkalender umstellen. Das Experiment fiel nun in der Saison 2019/20 der COVID-19-Pandemie zum Opfer. Ab 2021 geht es zurück auf einen Jahreskalender.

Titel-Bild zur News: Mike Conway, Kamui Kobayashi

Die WEC hat drei harte Jahre hinter sich Zoom

Gerard Neveu, bis Ende des Jahres noch Chef der WEC-Dachorganisation Le Mans Endurance Management (LMEM), erklärt im Podcast 'WEC Talk' die Unterschiede zwischen den beiden Saisons mit Überlänge. Diese sind nämlich gravierend.

"Die 'Supersaison' war eine Marketing- und Strategieentscheidung. Wir haben sie selbst designt. Sie war eine Konsequenz des plötzlichen Rückzugs von Porsche aus der LMP1 im Juli 2017." In der jetzigen Saison sei alles anders gewesen. Die Coronakrise brach mitten in der laufenden Saison über die WEC herein. "Wir waren ja schon im Fahrerlager in Sebring", erinnert sich Neveu.

"Supersaison": Viel Arbeit, bevor es losging

Beides hatte seine Herausforderungen. "Die 'Supersaison' hat uns sehr viel Arbeit im Vorfeld gekostet. Es ging darum, für Privatteams attraktiv zu werden, um den Verlust von Porsche zu kompensieren. Wir haben also den bestmöglichen Plan B gesucht, um die Meisterschaft zu retten."

Nicht ohne Stolz fügt er hinzu: "Wir haben es geschafft. Wir haben etwas Positives aus einer Situation gemacht, die mit etwas Negativem begonnen hatte. Und wir wussten genau, was wir die nächsten 18 Monate tun würden."

Ganz anders Corona. Die Rahmenbedingungen waren ganz andere: "Wir waren in einer guten Stimmung und im Rhythmus mitten in der Saison. Und plötzlich brach alles ohne jede Ankündigung über uns herein, ohne dass man es hätte kommen sehen."

Auf die Absage der 1.000 Meilen von Sebring kurz vor deren Beginn folgte eine einmalige Situation: "Wir hatten plötzlich keine Chance mehr, irgendwo in der Welt zu fahren." Nun waren schnelle Entscheidungen gefragt.

COVID-19: Improvisation gefragt

"Wir haben uns im Lockdown per Videomeeting zusammengesetzt. Das Thema war: Wann können wir wieder loslegen? Wir haben einige wichtige Leute mit den richtigen Kontakten angezapft." Die FIA-Rennserien tauschten sich erstmals in regelmäßigen Abständen aus.

Dennoch setzte die Situation eine Kettenreaktion in der WEC in Gang. Anders als in vielen anderen Serien hat Corona in der WEC von Anfang an nicht eine, sondern zwei Saisons beeinflusst. Denn es stand bereits ein Kalender für eine Saison 2020/21 fest - mit Starttermin im September 2020.

"Wir haben uns dazu entschieden, [im August] in Spa zu beginnen", so Neveu. "Das bedeutete, dass Le Mans verschoben werden musste. Und damit mussten wir den Kalender komplett ändern. Denn es war nicht mehr möglich, das Rennen vor Beginn der Folgesaison über die Bühne zu bringen."

"Es war klar, dass wenn wir Le Mans im September veranstalten, wir frühestens zwei Monate danach [mit der neuen Saison] beginnen können. Aber das wäre für die Teams schwierig geworden. Deshalb wollten wir ihnen Zeit geben und stellten den Kalender erneut um, um ihnen sechs Monate mehr Zeit zu geben. Man muss sehr viele Faktoren beachten: Fracht, Einsatzkosten, Kalender, Rennstrecken ..."

Gerard Neveu

Krisenmanager sei Mitte 2017: Gerard Neveu nimmt nun seinen Hut Zoom

Und das mit einem ganz großen Unterschied: Bei der "Supersaison" mit vielen Rennen im Winter war die WEC ziemlich allein auf weiter Flur. Anders bei Corona: "Es gab so viele Meisterschaften [mit demselben Problem]. Da musste man auch noch schauen, dass da alles zusammenpasst. Das war eine echte Challenge."

Die WEC hat das am eigenen Leib zu spüren bekommen: Als die Formel 1 ihre Bahrain-Termine fixierte, musste die WEC widerwillig ihr Rennen eine Woche vorverlegen - und kollidierte dadurch mit den 12 Stunden von Sebring und 1.000 Kilometern von Le Castellet. Doch auch das bekam man irgendwie hin.

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