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  • 25.11.2017 12:38

  • von Neel Jani

Jani-Kolumne: Don't be sad it's over, be happy it happened

Porsche-Werksfahrer Neel Jani berichtet in seiner Kolumne über das Ende des LMP1-Programms, die Erwartungen an die Formel E und ein privates Highlight

Titel-Bild zur News: Neel Jani

Es ist vorbei: Neel Jani erlebte den Porsche-Abschied aus erster Hand Zoom

Liebe WEC-Fans,

ich bin traurig und glücklich zugleich. Beim Saisonfinale der WEC in Bahrain ging eine Ära zu Ende, die sich definitiv einen Platz im Porsche-Museum verdient hat. Mein Arbeitgeber stellt das großartige LMP1-Projekt mit dem 919 Hybrid ein. Das ist extrem schade. Doch darf ich mich glücklich schätzen, dass ich jedes Rennen in den vier Jahren mit diesem grandiosen Auto fahren durfte. Dabei sind viele unvergessliche Erinnerungen entstanden.

Weissach 2013: Fahren im Kreis

Ein kurzer Rückblick: Mit Rebellion habe ich von 2010 bis 2013 in der LMP1-Kategorie meine Sporen verdient und konnte viele Erfahrungen sammeln. 2012 war die Zeit gekommen, mich für einen Platz in einem Werksteam zu empfehlen. Das war mein klares Ziel; bei Audi und Peugeot bekam ich nie eine Chance. Zum Glück kann ich im Nachhinein sagen, denn Porsche zeigte von Anfang an Interesse - und mal ganz ehrlich: Wer möchte nicht für Porsche um den Gesamtsieg in Le Mans fahren? Ich habe meinen Fokus dann auf Porsche verlegt. Wenn es jetzt nicht klappt, dann wird es nie mehr klappen - so habe ich gedacht.

Ich stand mehrfach mit dem damaligen Entwicklungschef Wolfgang Hatz in Kontakt. Irgendwann rief er mich mit folgenden Worten an: "Okay, Neel. Wir haben von dir alles gesehen, was wir sehen müssen. Wir sind sehr interessiert." Im November 2012 flog ich direkt vom WEC-Finale in Bahrain nach Stuttgart. Wir trafen uns in Stuttgart im Restaurant von Klaus Bischof, einem Porsche-Urgestein. Da war schnell alles klar, wenngleich wir erst im Frühjahr 2013 wirklich unterschrieben haben.

Ich erinnere mich noch genau an die erste Fahrt mit dem 919. Das war im August 2013. Timo fuhr vor mir, und ich durfte zusehen wie er im Kreis fuhr. "Im Kreis fahren" meine ich wörtlich. Wir sollten auf dem Werksgelände einer Linie auf dem Boden folgen. Wir hatten damals noch nicht die neue Kurbelwelle, es gab extreme Vibrationen. Da dachte ich: "Oh je, das wird kein Selbstläufer und ein hartes Stück Arbeit."

Porsche 919: In einer Reihe mit den Größten

So schwierig hatte ich mir die ersten Runden mit dem 919 nicht vorgestellt. Ich war mir aber von Anfang an sicher, dass Porsche ein konkurrenzfähiges LMP1-Auto daraus machen würde. Letztlich wurden alle Erwartungen übertroffen! Ich konnte mir damals nicht vorstellen, dass das Auto jemals eine solche Legende werden könnte. Für mich steht der 919 Hybrid wirklich auf einer Stufe mit dem 917 oder dem 962 - keine Frage. Nach dem Einstiegsjahr 2014 gewann Porsche mit dem Auto alle Titel und Le-Mans-Rennen, also alles Wichtige, was es zu gewinnen gab.

In Spa 2014 holte ich gemeinsam mit Marc Lieb die erste Pole, in Brasilien fuhren wir zusammen mit Romain Dumas den ersten Sieg im 919 ein. Ich durfte in Le Mans triumphieren, den WM-Titel feiern, sowie neun Poles herausfahren. Die Pole bedeutet beim Langstreckenrennen zwar nicht so viel, aber es ist ein glücklicher und zufriedener Moment, wenn man merkt, dass man eine richtig gute Runde zusammengebracht hat. Die Klammer hat sich für mich in Bahrain 2017 fast perfekt geschlossen. Ich wollte natürlich auch die letzte Pole und den letzten Sieg im 919 holen. Die Pole konnten wir uns sichern, aber zum Rennsieg hat es leider nicht gereicht. Zugegeben: Toyota war richtig stark.

Schwierige letzte Saison

Unvergessliche Momente aus den letzten vier Jahren - da gibt es schon einige. Zum Beispiel 2014 war für mich speziell, weil ich endlich in einem Werksteam war, 2015 die Pole inklusive damaligem Rundenrekord an der Sarthe und 2016 natürlich der Höhepunkt: der Sieg in Le Mans und der Gewinn des WM-Titels. 2017 war für mich persönlich das schwierigste Jahr mit dem 919. Ich hätte mir für mich und für meine Teamkollegen im Auto #1 ein erfolgreicheres letztes Jahr gewünscht.

Für Lotti und Nick ist es besonders hart, dass sie keinen einzigen 6-Stunden-Rennen-Sieg im 919er feiern konnten, obwohl wir mehrmals so nahe dran waren. Le-Mans-Triumph vor Augen und dann mit 13 Runden Vorsprung doch noch zu verlieren, war auch nicht ganz einfach zu verkraften. Schlussendlich steht 2017 nur mit WM-Platz vier zu Buche, kein Rennsieg und somit statistisch gesehen mein schlechtestes der Porsche-LMP1-Jahre. Extrem schade, denn der Speed unseres Trios war ganz klar da, um das Jahr so erfolgreich wie 2016 zu gestalten. Anderseits freue ich mich wirklich für Timo, der 2017 als Mann der ersten Stunde des 919 doch noch seinen wohlverdienten Le-Mans-Sieg mit Porsche feiern konnte.

Ist das noch Arbeit oder schon Vergnügen?

Für mich bildet die gesamte Zeit im Porsche-LMP1-Team den Höhepunkt meiner sportlichen Karriere. Es gab im Verlauf dieser vier Jahre nicht einen einzigen Fall, in dem ich mal nicht gern zur Arbeit an die Strecke gekommen wäre. Wenn ich das überhaupt Arbeit nennen kann, denn für mich war es alles andere als das! Es war Freude und ein Gefühl von "nach Hause kommen", sobald ich im Fahrerlager eintraf. Ich denke auch, dass diese Atmosphäre entscheidend zu unserem Erfolg beitrug.

Es gab eine super Mischung aus Erfolgsdruck, Leistungsdruck, Spaß und Gemeinschaftsgefühl. Ich habe mich dort wirklich immer heimisch gefühlt! Genau dies lässt meines Erachtens Menschen zu Höchstleistungen auflaufen. Speziell war sicher auch, dass fast bei jedem Rennen die Führungsetage dabei war. Dadurch spürten wir immer den hohen Stellenwert des Motorsports innerhalb des Hauses. Der Porsche-Slogan "Motorsport ist unsere DNA" ist kein PR-Gequatsche, sondern schlichtweg die Wahrheit.

Ihr kennt das: In jeder meiner Kolumnen taucht irgendwann das Wort Karma auf. Jetzt ist es wieder soweit. Wir hätten zwar gern noch mehr gewonnen, aber es hat sich im Verlauf der Zeit das Positive und das Negative die Waage gehalten. Ich sehe es so: So unverhofft, wie wir 2016 Le Mans gewonnen haben, so unverhofft haben wir das Rennen 2017 verloren. Das konnten wir eigentlich gar nicht mehr verlieren. Aber irgendwie sollte es wohl nicht sein, dass mein Auto dort nochmal gewinnt.

Blick in die ZukunfT: Formel E und wieder Le Mans?

Man sagt, wenn sich eine Tür schließe, öffne sich eine andere. Ich hoffe, das wird so sein. Die Richtung ist bereits vorgegeben. In wenigen Tagen beginnt für mich das neue Abenteuer Formel E. Ich bin sehr gespannt auf den Saisonauftakt in Hongkong! Vermutlich wird die Umstellung vom großen LMP1-Porsche-Werksteam zum vergleichsweise kleinen Privatteam Dragon Racing erst einmal ein kleiner Kulturschock.

Wir haben bei Dragon noch einige Hausaufgaben zu lösen. Ich gehe in die ersten Rennen und in die erste Saison mit großem Respekt vor all den neuen Aufgaben. Mein Ziel ist es, in den kommenden drei Jahren auch in der Formel E so erfolgreich wie in der WEC zu sein. Dafür muss ich ein Umfeld und ein Auto haben, mit dem das möglich ist. Bis dorthin ist es noch ein gutes Stück. Das geht alles nicht so schnell. Formel E wird mein Hauptprogramm sein, aber ich werde sicherlich auch noch andere Rennen fahren.


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Ich war jetzt neun Mal in Folge in Le Mans am Start. 2018 wäre also ein kleines Jubiläum für mich. Es wäre schon sehr schön, wenn ich dort im kommenden Jahr wieder in einem guten und schnellen Auto mitfahren könnte. Wenn, dann möchte ich eine Chance auf den Gesamtsieg haben. Und das geht nur in einem LMP1-Auto. Es gibt da schon Gespräche. Mal schauen, was sich ergibt. Ich denke, die Chancen stehen gut, dass ich im Juni in Frankreich dabei sein werde.

Nächste Generation ist auf dem Weg

Die letzten Monate waren eine anstrengende und intensive Zeit. Ich habe mal im Kalender geschaut: Zwischen August und Mitte Dezember habe ich genau 21 Tage zu Hause verbracht. Wie viele Kilometer ich in der Luft oder im Auto abgespult habe, rechne ich schon gar nicht mehr.

Meine Anwesenheit zu Hause muss ich wohl in Zukunft auch besser planen. Denn dafür gibt es einen sehr, sehr guten und schönen Grund: Ich werde im April Vater! Meine Frau Lauren ist bald in der 20. Schwangerschafts-Woche. Ihr geht es gut, wir freuen uns riesig - und wie weit sind wir mit der Babyausstattung? Mit einem Mini-Rennoverall von Porsche im Schrank sind wir schon bestens bedient!

Ob da im Hause Jani ein kleiner Nachwuchs-Racer heranwächst, wissen wir noch nicht. Ob Bube oder Dame, wird sich erst zeigen. Sicher ist aber jetzt schon: Ich freue mich auf das neue Jahr mit all seinen neuen Aufgaben! 2018 wird extrem spannend, aufregend und sicherlich auch wieder anstrengend. Nachwuchs, Porsche-Fahrten, Formel E, vielleicht ein paar WEC-Rennen und, und, und ... Da kommt garantiert keine Langeweile auf!

Und zu guter Letzt ein Satz, der für mich die vier Jahre und die Beendigung des 919-Programms am besten auf den Punkt bringt: "Don't be sad it's over, be happy it happened!"

Ich halte euch an dieser Stelle weiterhin auf dem Laufenden.

Bis bald,

Neel Jani

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