• 15.12.2016 13:23

  • von Neel Jani

Kolumne von Neel Jani: Champion plus Lightning McQueens

WEC-Champion und Le-Mans-Sieger Neel Jani berichtet in seiner Kolumne vom holprigen Weg zum Titel, Dinner mit Champions und dem Knacken der Kokosnuss

Titel-Bild zur News: Neel Jani

Als neuer Weltmeister darf ich 2017 im Auto mit der Startnummer 1 fahren Zoom

Liebe Fans der WEC,

es ist vollbracht. Nach dem Sieg in Le Mans habe ich mir gemeinsam mit Marc und Romain auch den Fahrertitel in der WEC gesichert. Was für ein Jahr! Es war wirklich eine Achterbahnfahrt mit tollen Erfolgen und auch einigen Zitterpartien. Im Moment genieße ich all das, auf das ich in diesem Jahr zurückblicken darf. Unbeschreiblich und unvergesslich!

Nach dem Titelgewinn in Bahrain ging es für mich erst einmal auf eine lange Reise zu Feierlichkeiten, Ehrungen und Empfängen. Party in Weissach, FIA-Zeremonie in Wien, Night of Champions, Autosport-Awards in London, Ehrung beim BRDC, Sitzanpassung im Werk - jeden Tag verbrachte ich woanders, habe über einen wirklichen langen Zeitraum jede Nacht in einem anderen Hotelbett verbracht. Dies war ziemlich ermüdend, aber bei den vielen Ehrungen und tollen Begegnungen würde ich das positiven Stress nennen.

Das Jahr hatte für mich im sportlichen Bereich drei Highlights. Die ersten beiden liegen auf der Hand: Sieg in Le Mans und Gewinn des WM-Titels. Als drittes Highlight empfinde ich persönlich, dass ich zum zweiten Mal in Folge auf die Pole in Le Mans fahren konnte. Das bedeutet mir wirklich etwas. Zum ersten Mal seit 30 Jahren konnte ein Auto von der ersten Startposition aus gewinnen. Diesen "Fluch" zu brechen hat uns einiges an Einsatz gekostet!

Nachdem wir 2015 von der Pole-Position nicht zum Sieg fahren konnten, hatten Marc, Romain und ich das Gefühl, dass der beste Startplatz tatsächlich kein gutes Omen für das Rennen sei. Die Statistik der 29 Jahre zuvor hat das deutlich unterstrichen. Doch jetzt haben wir endlich diesen Bann brechen können. Unsere Befürchtungen waren also nicht angebracht oder wir haben den richtigen "Voodoo-Tanz" bei der Fahrerparade aufgeführt!

Die Zeit bis Le Mans, die Zeit nach Le Mans

Nach dem Triumph in Le Mans habe ich beim Blick auf den Stand in der Fahrer-WM natürlich ein breites Grinsen ins Gesicht bekommen. Wir lagen deutlich vorn, sehr deutlich sogar. Aber dann kam die Zeit nach Le Mans. Und die war teilweise richtig schwierig. Unser Vorsprung wurde immer kleiner, weil bei uns kein einziges Rennen wirklich sauber und ohne jegliche Probleme lief.

Mal war etwas am Auto, mal die Strategie, mal gab es Strafen oder Unfälle und manchmal war bei uns selbst ein wenig der Wurm drin. Vieles hat uns in der zweiten Jahreshälfte einen Podiumsplatz vermasselt. Wir hatten ganz oft eine gute Ausgangslage, durften mit dem Podium liebäugeln, aber auf uns lastete irgendwie ein kleiner Fluch. Manchmal wirklich auch auf sehr kuriose Art.

Neel Jani

Auch in meiner Heimat Schweiz wurde mir große Ehre zuteil Zoom

Am Nürburgring und in Mexiko hätten wir es locker aufs Podium schaffen müssen, aber unverschuldete Unfälle mit LMP2-Autos haben das verhindert. In Austin haben wir eine Lehrstunde erhalten, wie sehr sich Pickup auf die Aero auswirken kann. Wir haben lange Zeit im Rennen mit stumpfen Waffen gekämpft. Erst nach dem Wechsel der Front wurde es erheblich besser. Das lag einzig und allein an den Gummiteilen, die wir uns an der Nase eingefangen hatten.

In Fuji kamen wir am Start nicht vom Fleck, aber dann wurden wir immer schneller und am Schluss konnte ich mit der Spitze mithalten. Aber leider hatten wir da schon eine Runde Rückstand. Uns war klar, dass wir trotz der Siege in Silverstone und Le Mans mindestens ein oder zwei gute Ergebnisse brauchen würden, um bei unseren Gegnern jegliche Hoffnung im Keim zu ersticken. Hat nicht ganz geklappt, aber wir haben weiterhin konstant gepunktet, während es bei den direkten Gegnern auch nicht immer rund lief.

Titelgewinn im Teamwork: Viel Arbeit, viel Erfolg

Nach den Asienrennen war uns etwas mulmig. Glücklicherweise war der Wettbewerb der drei Hersteller in diesem Jahr so wunderbar eng. Technik, Strategie und Fahrer mussten funktionieren. Zwischenfälle gab es bei allen Herstellern. So haben sich immer alle gegenseitig die Punkte weggenommen und die Aufholjagd auf uns wurde dadurch erschwert. Alle hätten die Chance auf die WM gehabt, aber jeder hatte während der Saison seine Schwächephasen. Eine Meisterschaft gewinnt man nicht nur dank den guten Momenten, sondern indem man die Schwächephasen klug überwindet. So stelle ich mir aber auch eine gute, ausgeglichene Meisterschaft vor!

Alle waren etwas nervös, aber in den Rennen waren Marc, Romain und ich immer cool. Wir haben die Punkte trotz widriger Umstände immer nach Hause gebracht und das Team hat uns mit einem sehr zuverlässigen Auto unwahrscheinlich geholfen. Unser Auto haben wir mit Samthandschuhen angefasst. So war dann unsere #2 so ziemlich das einzige Auto, das nie für lange Reparaturen in der Garage geparkt werden musste. An dieser Stelle möchte ich mich nochmals herzlich für den tollen Einsatz der Crew bedanken. Der Gewinn dieses Titels war ein echter Teamerfolg!


Saisonfilm: Die WEC 2016

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In diesem Jahr fand ich es auffällig, dass zwischen den jeweiligen Schwesterautos der drei Marken oft große Unterschiede waren. Das kann diverse Gründe haben. Mal sind es die Fahrer, manchmal steckt in einem Chassis einfach der Wurm. Aber auch die berühmten FIA-Fuel-Flow-Meter können Unterschiede bei den Autos verursachen. Die Streuung bei der Messgenauigkeit ist immer noch nicht, wo diese sein sollte. Ich denke, bei Audi hat man das dieses Jahr gut gesehen, denn da fallen diese Unterschiede stärker ins Gewicht, weil die beim Diesel den Vor- und Rücklauf messen müssen, daher mehr Fuel-Flow-Meter im Auto haben.

Vorbildliche Arbeit in Großbritannien

Abseits vom Sport auf der Strecke konnte ich dieses Jahr immer wieder Angenehmes mit Nützlichem verbinden. Ich bin unter anderem zwischen Mexiko und Austin in den Staaten geblieben, habe ein Trainingsprogramm in der Wärme durchgezogen und zwischendurch am Strand auch mal eine Kokosnuss geknackt. Ich liebe Kokosnusswasser!

Schanghai und Bahrain waren ebenfalls nur gerade zwei Wochen auseinander. Da wollte ich nicht für fünf Tage in den Novembernebel der Schweiz eintauchen. Also stellte ich mir folgende Fragen: Was liegt in der gleichen Zeitzone wie Bahrain? Wo hat es Temperaturen über 30 Grad? Was ist leicht erreichbar und - ganz wichtig - ein Ort, wo ich die verschiedensten Sportarten an der frischen Luft ausüben kann? Da bot sich eine kleine Insel im indischen Ozean an, wo ich eine wirklich top Vorbereitung auf das Finale in Bahrain hatte. Klar, in netter Umgebung - das muss ich schon zugeben.

Die spannende und anstrengende Saison haben wir gut hinter uns gebracht, danach gab es wie gesagt den Ehrungsmarathon für Marc, Romain und mich. Ein Highlight nach dem nächsten. Es war großartig beim British Racing Driver's Club (BRDC), wo wir den Silverstone-Le-Mans-Challenge-Award entgegennehmen durften. Typisch britisch, mit Stil und von Racerherzen geprägt. Am gleichen Tisch mit Damon Hill, Derek Warwick und Paddy Lowe zu sitzen war sehr interessant. So etwas muss man einfach geniessen.

Da wurde mir erst einmal klar, wie toll das in Großbritannien läuft. Der BRDC ist eine echte Community. Da unterstützen sich alle gegenseitig, selbst wenn sie auf den Strecken im Wettbewerb stehen. Der neue Nachwuchsstar auf der Insel ist der Lando Norris. Der wird richtig gut gefördert vom BRDC. Da gibt es ein tolles Miteinander. Ein Vorbild für andere Verbände und Vereine.

Whatsapp-Gruppe mit den neuen Kollegen

Bei der FIA-Gala in Wien saßen wir drei am Tisch der Champions, also unter anderem zusammen mit Nico Rosberg und Sebastien Ogier. Natürlich war der Rücktritt von Nico ein Thema. Seb hatte ja spaßeshalber sofort die Hand gehoben, als sich die Frage nach einem Nachfolger stellte. Für mich stellt sich die Formel-1-Frage gar nicht, denn ich kann für Porsche Rennen fahren, Le Mans gewinnen und Weltmeister werden - noch Fragen? 2017 greifen wir im Auto #1 in neuer Besetzung wieder voll an.

Nick Tandy und Andre Lotterer werden im kommenden Jahr mit mir die Startnummer 1 teilen. Klingt gut, oder? Den Lotti kenne ich schon seit sehr vielen Jahren, wir verstehen uns bestens. Ich habe die beiden "Lightning McQueens" genannt. Es wird eine echt starke Kombination sein, die bestimmt gut passt. Es hat Charme. Schon bei der Sitzanpassung hatten wir viel Spaß, nun steht bald der erste gemeinsame Test in Aragon an.

Wir müssen möglichst schnell eine echte Einheit bilden. Da sind wir auf einem guten Weg. Der Lotti stellte sofort eine Whatsapp-Gruppe auf, in der wir uns austauschen. Und wie hat er die Gruppe genannt? "Neel's new buddies in car #1"! Ihr merkt schon: An Spaß wird es uns nicht fehlen. Nick war 2015 in Le Mans extrem schnell, über Lotti müssen wir wohl kaum diesbezüglich reden. Und über mich kann ich leider selbst nicht urteilen, das überlasse ich lieber Euch Lesern ;-)

Rückkehr zu Rebellion und Attacke in Daytona

Jetzt kommt die Winterpause, die für mich gar keine echte sein wird. Test in Aragon, dann Beginn meines intensiven Wintertrainings mit meinem Trainer Helmut, dann Besuch über Weihnachten und den Jahreswechsel bei den Schwiegereltern in Indianapolis, wobei ich auch noch für einige Tage zum Skilanglauf nach Colorado reisen werde. Von dort geht es am 5. Januar nach Daytona, wo es dann beim Test für das 24-Stunden-Rennen schon wieder zur Sache geht. Ich fahre mit meinem Ex-Team Rebellion dort. Das wird ein Spaß!

Rebellion war für mich der Steigbügel in Richtung Porsche. Das werde ich nie vergessen. Deshalb freue ich mich außerordentlich, dass mir Porsche die Freigabe für die vier Rennen in den USA erteilt hat. Eine Schweizer Gaudi mit Sebastien Buemi, Nick Heidfeld (halber Schweizer mittlerweile) wird das - aber eine mit hohen sportlichen Ansprüchen. Wir hätten gern den Marcel Fässler noch gehabt, aber der hat in Daytona einen anderen Drive. Vielleicht klappt es mit ihm bei den anderen Rennen. Und Stephane Sarrazin ist in Daytona sicherlich eine Bank.


Fotos: FIA-Preisverleihung in Wien


In Florida wollen wir auf Attacke gehen, wir würden gern um den Sieg fahren. Momentan kann man aber kaum einschätzen, wie wir im Vergleich zum restlichen Feld aufgestellt sind. Man muss mal schauen, wie viel Performance die neuen DPi-Autos bieten. Die neuen LMP2-Fahrzeuge werden fahrerisch den LMP1 ziemlich ähnlich sein. Für mich also eine gute Vorbereitung für die kommende WEC Saison. Ein Training mit Pokalvergabe!

Ich wünsche euch allen eine schöne Weihnachtszeit und viel Spaß beim Zusammenbau des Lego Porsche 919 Hybrid. Habt ihr euch doch alle gewünscht, oder etwa nicht?

Viele Grüße,

Neel Jani
 
P.S.: Schaut auch auf meinen Accounts bei Twitter, Facebook und Instagram vorbei, um weitere besondere Einblicke in mein Leben als Porsche-Werksfahrer zu bekommen!

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